Kritik am Urteil:Ungleichbehandlung

Lesezeit: 2 min

Verfassungsrichter bestätigen die Altersgrenze für Landräte und hauptamtliche Bürgermeister. Die Betroffenen sehen nicht so recht ein, warum sie zum Ruhestand gezwungen werden sollen

Petra Schnirch

- Nach seinem Alter gefragt, muss Hans Eichinger erst einmal kurz überlegen. Ja, es stimme schon, 72 werde er nächstes Jahr im April. "Aber ich denke da eigentlich nicht darüber nach", sagt der Wanger Bürgermeister (FW). Als er dieses Amt 2008 übernahm, war er schon 67. Möglich war dies nur, weil die 2500-Einwohner-Gemeinde von einem ehrenamtlichen Bürgermeister gelenkt wird. Dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Altersgrenze von 65 für hauptamtliche Repräsentanten der Gemeinden bestätigt hat, kann Eichinger, der auch noch Vorlesungen an zwei Hochschulen hält, nicht nachvollziehen. "Mancher ist mit 30 schon alt, mancher mit 70 noch sehr fit, das muss man individuell sehen."

Eben dies wollte der SPD-Politiker Peter Paul Gantzer mit seiner Klage erreichen, mit 74 Jahren ist er derzeit ältester Abgeordneter im bayerischen Landtag. Doch die Verfassungsrichter entschieden anders, wenn auch nicht einstimmig: Es bleibt bei der Altersgrenze, bei Amtsantritt dürfen Bürgermeister und Landräte noch keine 65 sein. Immerhin, 2020, bei der übernächsten Kommunalwahl, wird sie auf 67 steigen, darauf hat sich der Landtag bereits geeinigt. Von der aktuellen Regelung betroffen ist der langjährige Hallbergmooser Bürgermeister Klaus Stallmeister (FW), zum Zeitpunkt der Wahl 2014 ist er 66, folglich kann er dann nicht mehr kandidieren. Er spricht von einer "Ungleichbehandlung", denn Bundes- und Landtagsabgeordneten und auch Ministern wird ihr Pensionsalter nicht vorgeschrieben. Stallmeister nennt ein weiteres Beispiel: Gemeinden mit bis zu 10 000 Einwohnern können auch von ehrenamtlichen Bürgermeistern geführt werden, die also älter als 65 sein dürfen. Tun sie dies im Hauptberuf, wird ihnen das nicht mehr zugetraut. "Das stößt mir auf", sagt er. Ob er 2014 noch einmal angetreten wäre, wenn es die Altersgrenze nicht gäbe? Darüber habe er sich nie einen Kopf gemacht, sagt Stallmeister. Schließlich habe er gewusst, dass dies nicht möglich sei.

Auch Freisings Altoberbürgermeister Dieter Thalhammer (SPD) konnte sich in diesem Jahr nicht mehr zur Wahl stellen, er war bereits 69. Rückblickend meint er, "ich bin froh, dass ich aufgehört habe und mich wieder anderen Dingen zuwenden kann". Er verfolge die Debatte "leidenschaftslos", auch Thalhammer kritisiert aber die bestehenden Ungerechtigkeiten. Sein Nachfolger Tobias Eschenbacher (FSM), mit 35 Jahren noch sehr jung, hat sich naturgemäß noch nicht allzu viele Gedanken über das Thema gemacht, wie er gesteht. Schließlich lägen noch viele Jahre und mehrere Wahlen dazwischen. "Eine Altersgrenze macht aber sicher Sinn", sagt er. "Irgendwann hat jeder ein Recht auf den Ruhestand."

Der Fahrenzhausener Bürgermeister Rudi Jengkofer (CSU) will sich zu der politischen Diskussion nicht weiter äußern. Er selbst wäre 2014 allerdings in keinem Fall mehr angetreten. Es sei klar gewesen, dass er aufgrund seines Alters ein "Übergangsbürgermeister" ist - bei der Wahl 2014 ist er wie Stallmeister 66 Jahre alt. "Dann habe ich 52 Jahre am Stück gearbeitet, da reicht es irgendwann", sagt Jengkofer.

Manfred Pointner räumt ein, dass er "ganz froh war", dass ihm die Entscheidung, sich nochmals als Landrat zur Wahl zu stellen, abgenommen worden sei. Sie wäre ihm schwer gefallen, weil das Amt stressig sei, andererseits aber viel Spaß gemacht habe. Aber man trage im Einzelfall doch sehr viel Verantwortung, gibt er zu bedenken. Aus der Politik zurückgezogen hat er sich bekanntlich nicht, seit 2008 sitzt er für die Freien Wähler im Landtag und 2013 will der 69-Jährige noch einmal antreten. Er findet aber, dass die Entscheidung auch auf kommunaler Ebene dem Bewerber und den Wählern überlassen werden sollte. Mancher verpasse vielleicht den richtigen Zeitpunkt für einen Absprung, sagt Eichinger. Dafür werde er aber bei der Wahl die Quittung erhalten. Ob die Freien Wähler ihre eigene Klage gegen die Altersgrenze weiterverfolgen, könnte er noch nicht sagen, meint Pointner. Man müsse die Urteilsbegründung abwarten.

© SZ vom 20.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: