Kostenlose App mit Wildwechselradar:Gefährliche Zeit für Autofahrer

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Die "Wuidi" App ist ein mobiler Wildwechsel-Radar, der Autofahrer frühzeitig warnt. (Foto: Privat (www.wuidi.de))

Die Wildunfälle im Landkreis Freising häufen sich. Dabei stehen viele Autofahrer erst einmal unter Schock, wenn ihnen einen Tier ins Auto gelaufen ist. Die neue"Wuidi"-App verspricht Abhilfe.

Von Eva Zimmerhof, Freising

Da springt etwas vor das Auto: Augen leuchten auf, ein dumpfer Schlag. Rechts ran, Warnblinklicht - und jetzt? "Viele stehen nach einem Wildunfall unter Schock", sagt Alfons Weinzierl, der diese Erfahrung selbst machen musste, "es war nachts und ich wusste überhaupt nicht, wo ich bin." Die Idee zur "Wuidi"-App wird geboren, als er und sein Beifahrer an der dunklen Landstraße stundenlang herumtelefonieren, bis alles geregelt ist, bis der zuständige Revierpächter kommt und das angefahrene Reh nicht mehr leiden muss. Seit 1. Oktober funktioniert die kostenlose App "Wuidi".

Sie könnte im Landkreis Freising möglicherweise helfen, das hiesige Wildunfall-Problem zu lösen. So bietet "Wuidi" nicht nur einen Wildunfall-Service: eine "Schritt für Schritt-Anleitung", dazu, was nach dem Unfall zu tun ist, und die nötigen Kontaktdaten. Vor allem warne sie Autofahrer vor Stellen mit häufigem Wildwechsel, betont der App-Entwickler Weinzierl.

Die Freisinger Polizei sorgt sich wegen der hohen Unfallzahlen

"Besorgniserregend" nennt die Polizei Freising die Zahl der Wildunfälle in ihrer Verkehrsbilanz für 2015: 1546 aufgenommene Fälle. Im Vorjahr waren es noch 1437. Sie machen fast 30 Prozent an der Gesamtunfallzahl im Landkreis aus, ohne Berücksichtigung der Autobahnen. "Wildunfälle sind zahlenmäßig vermutlich die häufigste Unfallursache auf Landstraßen", schreibt der ADAC auf seiner Webseite und weiß, "die statistische Beschreibung wird durch die hohe Dunkelziffer der Bagatelleunfälle erschwert." Auch wenn es meist nur zu Sachschäden kommt, Schwerverletzte (2015 zwei im Landkreis) und Tote gibt es immer wieder. "Meistens sind es kaputte Scheinwerfer oder Stoßstangen", sagt Nikolaus Bischof von der Verkehrspolizeiinspektion und fügt hinzu: "Dann kommen die Autofahrer zu unserer Dienststelle und wir überprüfen den Wagen auf Spuren, wie etwa Tierhaare. Die Leute benötigen von uns eine Wildunfallbescheinigung für die Versicherung."

"Viele vertun sich bei der Angabe vom Unfallort um Kilometer", sagt Weinzierl. Daher helfe die "Wuidi"-App auch bei der Standortbestimmung. Sie nenne zudem die zuständige Polizeistelle und teils auch den Jagdrevierbesitzer. Diesen verständigt sonst in der Regel die Polizei. "Der Jäger geht dann mit seinem Hund suchen", erklärt Walter Bott, Vorsitzender des Freisinger Jagdschutz- und Jägervereins. Ein verletztes Reh oder Wildschwein könne sich noch weit ins Feld oder Dickicht schleppen. Der Jäger müsse daher Langwaffe, Revolver und Messer bei sich tragen, um das Tier so töten zu können, dass es am wenigstens leidet.

Auf Landstraßen sind Wildunfälle zum Problem geworden

Während Wildunfälle auf den Landstraßen zu einem Problem geworden sind, kommt es auf den Autobahnen relativ selten dazu. Schließlich seien fast alle Autobahnabschnitte im Landkreis beidseitig durchgehend eingezäunt, so Bischof. "Eigentlich kommt kaum Wild auf Autobahn, außer es läuft einen Zubringer hinauf oder der Zaun hat irgendwo ein Loch." Einen spektakulären Unfall gab es im November 2014 dennoch auf der A9, als ein damals 28-Jähriger mit seinem Audi eine ganze Wildschweinrotte von 15 Tieren rammte. "Die Autobahnmeisterei München Nord und die Feuerwehr waren zwei Stunden mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Die Autobahn musste teilweise gesperrt werden", erinnert sich Bischof. "Der Fahrer war leicht verletzt. Sein Fahrzeug war nur noch Schrott."

Dabei hatte der Fahrer Glück, denn während das Rehwild nur etwa 20 Kilogramm schwer ist, bringt Schwarzwild hundert Kilogramm und mehr auf die Waage. Beim Aufprall kann es daher weit größeren Schaden anrichten. Die starke Vermehrung des Schwarzwilds wird sich möglicherweise noch auf die Unfallstatistiken auswirken. Es könne "zu einem größeren Verkehrsproblem werden", warnt Josef Demmel von der Polizeiinspektion. "Vor 50 Jahren haben die Jäger hier eine Wildsau nur aus dem Buch gekannt", sagt auch Bott. Die Ursache sieht er im Nahrungsangebot: "Im Sommer bedient sich das Schwarzwild an den Feldfrüchten, da ist der Tisch reich gedeckt." Zudem habe es bei Eichen früher nur alle sieben Jahre eine so genannte Vollmast gegeben. Heute käme es fast jedes Jahr dazu. "Das ist das allerbeste für die Sau", sagt Bott. Die käme damit gut durch den Winter und könne so pro Jahr einen Zuwachs von 300 bis 400 Prozent haben.

Muss mehr Wild geschossen werden, um die Unfallzahlen zu senken?

Ob es etwas nützen würde, die Abschusszahlen heraufzusetzen, sieht Bott kritisch: "Ich sehe keinen Beweis dafür, dass die Wildtierzahlen in Korrelation zu den hohen Unfallzahlen stehen." Die Gründe seien vielmehr in der starken Zunahme des Verkehrs, aber auch in den veränderten Freizeitaktivitäten der Menschen zu suchen. "Die Leute sind heute nach Feierabend viel mehr draußen als früher: zum Joggen, Radeln oder Nordic Walking. Das scheucht die Tiere auf. Das Beziehungsgeflecht in der Natur ist hoch kompliziert." Bezüglich der Populationszahlen gingen die Meinungen auseinander, sagt Demmel. "Die Naturschützer sagen, die Abschussquote ist zu niedrig, sie wollen weniger Pflanzenverbiss haben. Die Jäger sagen, die Quote sei zu hoch, denn sie wollen Wild im Wald haben."

Spitzenreiter als tierischer Unfallverursacher war nach Demmels Verkehrsbilanz jedoch im Jahr 2015 das Rehwild mit 1306 gemeldeten Fällen (von insgesamt 1546). Dies läge daran, dass es etwa zehnmal mehr Rehwild als Schwarzwild gäbe, so Bott. Um die Zahl der Unfälle einzudämmen, werden im Landkreis seit einigen Jahren blaue Wildwarnreflektoren an den Leitpfosten angebracht. Fällt Scheinwerferlicht darauf, wird dieses Richtung Feld und Wald gelenkt. "Blau ist für Tiere eine Art Warnfarbe, die in der Natur nur selten vorkommt", sagt Bott. "Zum Teil gehen Unfallzahlen dank der Reflektoren tatsächlich um 60 oder 70 Prozent zurück, teils nur um 20 Prozent. Warum das so ist, untersuchen die Wildtierbiologen noch." Auch mit Duftstoffen, die an den Straßenrändern angebracht werden, wird gearbeitet. Zuständig sind die Revierbesitzer. Nachteile dieser Methoden: Die Reflektoren funktionieren nur bei Dunkelheit, die Duftstoffe müsse immer wieder erneuert werden.

Wildschutzzäune an Landstraßen funktionieren nicht - App zur Prävention

Demmel sieht allein in Wildschutzzäunen eine wirksame Möglichkeit, um Tiere von der Straße fernzuhalten. An Landstraßen ließe sich dies aber nicht umsetzen: "Jeder Bauer bräuchte ein Tor zu seinem Feld." Zwar gibt es auch Verkehrsschilder, die vor Wildwechsel warnen, doch werden diese oft nicht beachtet. "Die Autofahrer gehen meist trotzdem nicht vom Gas", sagt Bott. Bleibt noch die "Wuidi"-App. "Ich sehe solche Aktionen gerne", lobt der Jagdvereinsvorsitzende, der sich mit dem Wildwechsel-Radar bereits intensiv befasst hat. Bisher handelt es sich noch um eine Beta-Version für Android-Smartphones. Langfristig wolle seine Firma den Radar auch für moderne Navigationsgeräte und Infotainmentsysteme bereit stellen, sagt Weinzierl. Denn bisher müssen Nutzer noch ein Smartphone parat haben. Wer in der Testphase noch Fehler entdeckt, den bittet Weinzierl darum, sich zu melden. Am 7. November wird die App dann bei der Bayerischen Verkehrssicherheitskonferenz offiziell vorgestellt.

Weitere Infos zur "Wuidi"-App unter: https://wuidi.com/#machmit

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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