Konzert auf dem Uferlos-Festival:Von Vampiren und Alchemisten

Thomas Lindner hat das Publikum voll im Griff. Der Sänger der wohl "erfolgreichsten Mittelalter-Folkrock-Band Deutschlands", wie es ganz unbescheiden, aber treffend auf der Homepage von Schandmaul heißt, dirigiert die Fans in der Luitpoldhalle und die machen mit.

Peter Becker

Freising - Thomas Lindner hat das Publikum voll im Griff. Der Sänger der wohl "erfolgreichsten Mittelalter-Folkrock-Band Deutschlands", wie es ganz unbescheiden, aber treffend auf der Homepage von Schandmaul heißt, dirigiert die Fans in der Luitpoldhalle und die machen mit. Zu Beginn des Konzerts hat sich Lindner mit dem Publikum auf eine Zeichensprache geeinigt. Denn er ist gehandicapt: Bei einem Benefiz-Fußballspiel hat er sich zwei Tage zuvor das Schlüsselbein gebrochen.

Einen Arm hat Lindner nun in der Schlinge. Bewegt er seinen gesunden ausgestreckt von oben nach unten und wieder zurück, dann heißt das "Hüpfen". Und zwar nicht nach links und nicht nach rechts, wie es sich die Deutsch-Amerikanische Freundschaft einst in ihrem Hit "Tanz den Mussolini" wünschte, sondern nur auf der Stelle auf und ab. "Das tut keinem weh", sagt Lindner. Die Verletzungsgefahr für Fans, die mit Pogotanz nicht so vertraut sind, ist dadurch minimiert. Schließlich befinden sich auch Kinder im buntgemischten Publikum. Wer dachte, nur Fans aus der Goth- Szene würden sich zum letzten Schandmaul-Konzert im Großraum München einfinden, hatte sich getäuscht.

Weil Lindner gehandicapt ist, kann er weder Akkordeon noch Akkustikgitarre spielen. Letzteres erledigt "Benny" für ihn, der normalerweise nur für das Stimmen der Instrumente zuständig ist. Er bekommt am Ende ein Lob von Lindner, der an diesem Abend den Geschichtenerzähler gibt. Darin moderiert er die Lieder an. "Morgengrauen" etwa. Da preist er die Reize einer Spanierin, die er mit auf sein Hotelzimmer nimmt. Dort entpuppt sie sich als Vampir "mit solchen Eckzähnen", sagt Lindner und nimmt mit Daumen und Zeigefinger Maß. Das Lied "Der Alchemist" leitet er mit den bedauernden Worten ein, es sei schade, dass sich das Wasser in seiner Plastikflasche nicht in Bier verwandeln ließe.

Knapp zwei Stunden dauert der Auftritt. Das Repertoire an diesem Abend besteht in der Hauptsache aus dem neuesten Album Traumtänzer. Kein Wunder, dass da mancher Fan noch nicht ganz textsicher beim Mitsingen ist. Denn Lindner möchte, dass sich sein Publikum im Chorgesang übt: Es soll die Refrains der Lieder singen, wobei sich die Frauen unter der Fangemeinde als sangesfreudiger erweisen als die Männer. Bei den bekannten Stücken klappt das ganz gut. Als das Publikum den Refrain eines Liebeslieds, in dem Sonne, Sterne, Wind und Atemzug den Namen der Liebsten über das ganze Land hinwegtragen, minutenlang wiederholt, erklimmt die Band die Bühne zur zweiten Zugabenrunde. Dann ist Schluss. Die Luft ist zum Schneiden. Lindner findet, dass der Wasserdampf entweichen muss. "Sonst wachsen mir noch Kiemen", fürchtet er und verschwindet von der Bühne.

Wer dann noch nicht genug von Folkrock hatte, war bei Cellarfolks im Sparkassenzelt gut aufgehoben. Statt mittelalterlichen Klängen gab's nun irisch inspirierten Sound mit Punk und Ska-Elementen. Eine mitreißende Mischung, die in die Beine geht.

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