Pflanzenschutzmittel:Früher waren die Autoscheiben bei einer Fahrt übers Land voller Insekten

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Früher gab es mehr Insekten. Auf einen Grund für das Bienensterben scheinen Studien nun Hinweise zu geben.

(Foto: vodolej - Fotolia)

An Pflanzenschutzmitteln scheiden sich die Geister: Die einen halten sie für unentbehrlich, die anderen sehen in deren Anwendung eine Ursache für den Artenschwund bei Insekten. Der Grund für das Bienensterben scheint belegt.

Von Alexandra Vettori und Petra Schnirch, Landkreis

Die Million Unterschriften ist voll, damit kann die Europäische Bürgerinitiative die EU-Kommission zwingen, ihre Forderung nach einem Verbot von Glyphosat zumindest zu prüfen. Bis Ende Juni wird trotzdem weiter gesammelt. Die Zeit drängt aus Sicht der Bürgerinitiative, denn Ende 2017 fällt die EU die Entscheidung, ob der umstrittene Unkrautvernichter für weitere zehn Jahre zugelassen wird. Auch im Landkreis wird darüber diskutiert.

Denn Glyphosat kommt auch auf bayerischen Feldern zum Einsatz. Hierzulande setzen Bauern Glyphosat vor allem nach der Getreideernte und nach Zwischenfrüchten ein, um Wurzelunkräuter abzutöten, bevor neu gesät wird. Sowohl beim Amt für Landwirtschaft in Erding als auch bei der Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising wertet man das als sinnvoll: Ohne Glyphosat wäre eine intensivere Bodenbearbeitung zur Beseitigung des Unkrauts oder des Zwischenfrucht-Aufwuchses notwendig, "was dem Erosionsschutz widerspricht", sagt Josef Schaechtl vom Amt für Landwirtschaft. Michael Zellner von der Landesanstalt betont, Glyphosat habe wenig Auswirkungen auf Insekten, da die Pflanzen nicht behandelt würden, wenn sie blühten.

Niemand weiß, wie viel Glyphosat eigentlich verspritzt wird

Wie viel verspritzt wird, dazu gibt es kaum Daten. Laut Bundesumweltamt lag der Verkauf bis 2005 bei jährlich 35 000 Tonnen Wirkstoff, seit 2006 stagniert er bei gut 49 000 Tonnen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz dagegen spricht von einem Verkauf zwischen 30 000 und 35 000 Tonnen. Die tatsächlich ausgebrachte Menge wird nur stichprobenartig und unregelmäßig vom Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen erfasst. Auch beim Amt für Landwirtschaft in Erding muss man passen: "Übersichten über konkrete Aufwandmengen von Pflanzenschutzmitteln auf landwirtschaftlichen Flächen liegen uns nicht vor", sagt Schaechtl.

Der unkontrollierte Austrag hochwirksamer Gifte in die Natur kann nicht nur Folgen für Verbraucher und Grundwasser haben, sondern auch für Insekten und die Vögel. Das Bienensterben, das seit Jahren beobachtet wird, ist nach Ansicht vieler Imker und Biologen auch auf landwirtschaftliche Gifte zurück zu führen. Vor allem Neonicotinoide stehen im Verdacht, Bienen zu schaden.

Bei Insekten kommt es zu einer gestörten Signalübertragung in Nervenzellen, Krämpfen und zum Tod

Die Insektizide werden vorwiegend als Saatgutbeizmittel verwendet, von der Pflanze aufgenommen und nur langsam abgebaut. Bei Insekten bewirken sie eine gestörte Signalübertragung in Nervenzellen, Krämpfe und den Tod. Nachdem mehrere Studien Hinweise auf einen Zusammenhang mit Bienensterben gaben, sind Neonicotinoide seit 2013 EU-weit als Beizen bei Mais und Raps ausgesetzt, in Deutschland auch bei Getreide. Die Entscheidung, ob sie verboten werden, fällt bis Ende des Jahres. Dass Neonicotinoide, unsachgemäß angewendet, schädlich für Bienen sind, bestätigt Michael Zellner. Derzeit werden die Insektizide noch als Beize von Zuckerrüben-Saatgut eingesetzt. Hier gebe es keinen Abrieb, auch liege der Saattermin im März, wenn die Felder noch nicht blühen.

Laut Manfred Drobny, dem Geschäftsführer des Bundes Naturschutz in Freising, wird das ökologische Gleichgewicht durch das Anwenden von Pflanzenschutzmitteln deutlich gestört. "Den Unterschied kennt man gut raus", sagt er. Auf ökologisch bewirtschafteten Äckern gebe es noch Klatschmohn und Kornblumen - blühende Pflanzen, die auf anderen Feldern fehlen. Drobny zitiert eine Studie des Naturschutzbunds Nabu, wonach in den vergangenen Jahren die Zahl der Fluginsekten in Teilen Deutschlands um bis zu 80 Prozent zurückgegangen ist. Seiner persönlichen Einschätzung nach gibt es auch hierzulande sehr viel weniger als früher, was sich zum Beispiel daran zeige, dass Autoscheiben anders als früher bei einer Fahrt übers Land weitgehend sauber bleiben.

Zurückhaltend äußert sich die Vorsitzende des Freisinger Kreisverbands der Imker, Sabine Gladkov. Die Forschung über die Folgen des Pestizideintrags stehe erst am Anfang, vor allem was Wechselwirkungen anbelange. Sie verweist auf das Positionspapier des Deutschen Imkerbundes, in dem Dünge- und Spritzmittelbeschränkungen nur eine von vielen Forderungen an die Landwirtschaft sind. Was die Situation in Freising anbelangt, so setzt sie auf Aufklärung und ein Miteinander mit der Bauernschaft, "das hilft den Bienen sicher mehr als Schuldzuweisungen". Wo immer sie kann, plädiert Gladkov für Blühflächen in Feldern. Getan werden müsse freilich etwas, heuer habe jedes fünfte Bienenvolk das Frühjahr nicht erlebt.

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