Konflikt rührt die Region auf:Überflüssiges Großprojekt

Konflikt rührt die Region auf: Vor dem Terminal 2 des Flughafens fand Montag Abend erneut eine Demonstration gegen die geplante dritte Startbahn statt. Redner waren der stellvertretende Freisinger Landrat Robert Scholz, der SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer und der Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Magerl.

Vor dem Terminal 2 des Flughafens fand Montag Abend erneut eine Demonstration gegen die geplante dritte Startbahn statt. Redner waren der stellvertretende Freisinger Landrat Robert Scholz, der SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer und der Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Magerl.

(Foto: Marco Einfeldt)

Gegner der dritten Startbahn werfen der Flughafen München GmbH auf Demonstration erneut vor, zu täuschen und zu tricksen. SPD-Bundestagsabgeordneter Schurer fordert, stattdessen bezahlbare Wohnungen zu bauen.

Von Kerstin Vogel, Flughafen

Auch wenn niemand geredet hätte: Der Konflikt, der die Flughafenregion aufrührt, ist am Montag im Forum des Munich Airport Center deutlich sichtbar geworden. Mit den Worten: "Liebe Bayern! Es ist Zeit für das nächste Triple", warb da ein bekannter Autoverleiher auf einem riesigen Bildschirm für den Bau der umstrittenen dritten Startbahn. "Anständige Bayern zerstören nicht Heimat und Umwelt" stand dagegen auf einem Plakat, das etwa 200 Startbahngegner zur Demonstration an den Flughafen mitgebracht hatten. Vor der gigantischen Lufthansa-Werbung auf der Fassade von Terminal 2 trugen Totengräber aus Attaching zu Trauermusik symbolisch die Kulturstadt Freising zu Grabe.

Aber natürlich ist auch geredet worden. Fünf Montage hintereinander hatten sich Mitglieder der Bürgerinitiativen aus dem Umland am Flughafen getroffen, um die Frage "Täuscht und trickst die Flughafen München GmbH?" zu beantworten, wie Aufgemuckt-Sprecher Gerhard Müller-Starck zum Auftakt der Demonstration schilderte. Seiner Ansicht nach haben die Startbahngegner mit Daten, Fakten und Zahlen belegt, dass "das Fragezeichen gestrichen werden kann".

Müller-Starcks Fazit: Bei den Themen Kapazitätsengpässe, Umflottung, Vorteilsgewährung und Verschwendung von Steuergeld "wird weiter getrickst, getäuscht und manipuliert, um die dritte Bahn mit allem, was zur Verfügung steht, durchzusetzen". Es sei jetzt an der Zeit, zu den Fakten zurückzukehren und die Planungen für die dritte Startbahn einzustellen, so der Aufgemuckt-Sprecher: "Das Flughafenumland leidet unter zwei Bahnen schon genug - es reicht."

Deutliche Worte fand auch der stellvertretende Freisinger Landrat Robert Scholz. Die dritte Startbahn werde weder für die Region noch für Bayern wirtschaftlich in irgendeiner Weise benötigt, sagte er. Der Flughafenausbau sei einzig dazu gedacht, den Umsteigerverkehr abzuwickeln - "und das dient nur Lufthansa und der FMG".

Dabei sei die Region in punkto Wohnen und Verkehr ohnehin schon überhitzt, so Scholz: "Es ist kontraproduktiv, gerade hier ein solches überflüssiges Großprojekt durchziehen zu wollen." Die Bewohner der Region würden seit der Eröffnung des Flughafens vor 24 Jahren die Belastungen ertragen und hätten sich damit in den jetzigen Dimensionen arrangiert. Es wäre "angebracht, dieses Opfer auch einmal anzuerkennen und den Menschen hier nicht immer noch mehr zuzumuten".

Bayern sei in Sachen Flughäfen voll und ganz versorgt, "vielleicht sogar überversorgt", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer. Die drei Millionen Menschen in der Münchner Flughafenregion hätten ganz andere Probleme als eine mögliche dritte Startbahn, so der Politiker weiter: "Wir brauchen Zehntausende bezahlbare Wohnungen und endlich einen vernünftigen Ausbau des ÖPNV."

Einen "vordemokratischen Zustand" nannte Schurer den Versuch, so ein Großprojekt an den Menschen und Kommunen vorbei durchzusetzen. Die Subventionierungspraxis am Münchner Flughafen ist für ihn "eine Form von Bestechung".

Schurer versicherte den Startbahngegnern, dass sein Parteifreund, der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter unter vier Augen einräume, dass ein weiterer Bürgerentscheid in München wohl eher noch deutlicher gegen eine dritte Startbahn ausfallen würde - und rief dazu auf, in einem überparteilichen Bündnis zu versuchen, "die vernünftigen Kräfte in der CSU hinter uns zu bringen".

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Christian Magerl kritisierte die "ökologisch schädliche" Subventionierung des Luftverkehrs durch steuerbefreites Kerosin, den Erlass der Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitenden Flügen und die zusätzlichen Zuschüsse, die es am Münchner Flughafen gebe. So seien Langstreckenflüge zwischen 1995 und 2008 mit insgesamt 95 Millionen Euro unterstützt worden. Weitere 216 Millionen Euro seien von 2005 bis 2016 über das "Förderprogramm Flughafen München GmbH an Airlines ausbezahlt worden.

Das meiste Geld haben die Flughafenbetreiber laut Magerl in den "Boomjahren" zwischen 2005 und 2008 in die Hand genommen - jährlich zwischen 29 und 37 Millionen Euro. Gleichzeitig hätten die FMG-Manager damals begonnen, über eine angebliche Überlastung des Flughafens zu klagen und dessen Erweiterung gefordert. Magerl: "Eindeutiger kann der Zusammenhang zwischen der Subventionierung von Fluggesellschaften und der Vorbereitung einer politischen Entscheidung zum Flughafenausbau nicht sein."

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