Mehrausgaben:Angst vor dem Zahltag

Erzieher und Sozialpädagogen fordern für ihre anspruchsvolle Arbeit mehr Geld. Doch die Arbeitgeber in den Gemeinden stöhnen schon jetzt wegen der hohen Kosten und sehen den Freistaat in der Pflicht

Von Gudrun Regelein, Freising

- Über 600 Erzieherinnen und Sozialpädagoginnen haben sich an der großen Demonstration auf dem Freisinger Marienplatz beteiligt. Sie fordern eine bessere Anerkennung ihres Berufes - und mehr Geld. Die Arbeitgeber sehen dem Ende der Auseinandersetzung unterdessen mit gemischten Gefühlen entgegen - sie befürchten erhebliche Mehrausgaben.

Die Ausbildung der Erzieherinnen dauert lang, "eigentlich müssten wir das Gleiche bekommen wie eine Grundschullehrerin", sagt beispielsweise Karin Hentze, Leiterin des Kranzberger Kinderhauses "Kleeblattl". Seit 11. Mai streiken die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst bereits - und der unbefristete Ausstand wird auch über Pfingsten hinaus fortgesetzt. Viele Kitas in Freising und im Landkreis haben derzeit geschlossen oder bieten nur Notgruppen an.

Der Freisinger Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher hat zwar Verständnis für den Streik der Erzieherinnen, denn "sie leisten einen großartigen Job und die Anforderungen an sie steigen". Dennoch: Wenn die Forderung der Gewerkschaft nach einer Höhergruppierung tatsächlich erfüllt werden müsste, dann werde es für die Stadt schwierig, die Mehrkosten zu schultern.

Verdi will für die bundesweit etwa 240 000 Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst eine höhere Eingruppierung durchsetzen - was für sie ein Plus von etwa zehn Prozent bedeuten würde. Die Kommunen halten diese Forderungen für nicht bezahlbar. Verdi-Vorsitzender Frank Bsirske dagegen sagt, dass laut aktueller Steuerschätzung Bund, Länder und Gemeinden bis 2019 insgesamt 38 Milliarden Euro mehr einnehmen als bisher eingeplant. Es seien also Spielräume vorhanden. Notfalls müssten die Länder und der Bund die Kommunen bei der Finanzierung unterstützen.

Kundgebung ver.di und der Erzieher und Erzieherinnen auf dem Marienplatz

Gute Bildung und Erziehung hat ihren Preis. Das ist unstrittig. Doch wer soll den bezahlen? Die Gemeinden tragen jetzt schon den Hauptteil der Kosten.

(Foto: Joerg Koch)

Bei einer extremen Lohnsteigerung müssten die staatlichen Zuschüsse auf jeden Fall steigen, sagt Eschenbacher: "Ich sehe da den Freistaat in der Pflicht." Bereits in den vergangenen Jahren seien die staatlichen Zuschüsse nicht in dem Maße gestiegen wie die Kosten. Diese wolle die Stadt nicht komplett auf die Eltern umlegen. "Das bedeutet aber, dass unser Defizit ständig wächst."

In der Gemeinde Allershausen wird derzeit keine Kita bestreikt. Dort gebe es einen Grundsatzbeschluss, die Kindergartengebühren alle zwei Jahre an die Einkommenssteigerung im öffentlichen Dienst anzupassen, erklärt Geschäftsleiter Johann Vachal. Falls es tatsächlich zu einer Umgruppierung käme, dann müsste allerdings die Gemeinde die Mehrkosten tragen - denn in diesem Falle handle es sich um eine gänzlich neue Tarifsituation. "Wir würden auf den Kosten sitzenbleiben", befürchtet Vachal. Nicht nur beim Gemeindekindergarten, sondern auch bei den Einrichtungen der freien Träger, denn mit diesen bestünden Defizitverträge. Auch er sieht den Freistaat in der Pflicht, dieser müsste die Förderbeiträge erhöhen.

Josef Mühlberger, Geschäftsleiter in Moosburg, beurteilt das genauso: "Es wäre mehr als nur angemessen, wenn sich der Staat an den Mehrkosten beteiligen würde", sagt er. Der Gesetzgeber mache es sich einfach, er schreibe etwas vor - beispielsweise den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für die unter dreijährige Kinder - "und wir werden mit den Folgen im Regen stehen gelassen." Für die Stadt Moosburg würden die Mehrkosten eine große Belastung bedeuten, "aber wenn ein Anspruch da ist, dann müssen wir bezahlen". Ein Gehaltssprung um zehn Prozent würde natürlich einen Kostenschub bedeuten, sagt auch Hans Mayer, Zweiter Bürgermeister in Neufahrn. Anteilig müsste dies auf die Eltern umgelegt werden. Die Gemeinde beteilige sich schon immer am Defizitgeschäft "Kinderbetreuung". Grundsätzlich aber, sagt Mayer, müsse der Gesetzgeber wohl dringend seine Familienförderung überdenken.

Eltern fordern ihr Geld zurück

Immer mehr vom Streik betroffene Eltern fordern ihre Gebühren zurück - denn eine Leistung werde ja nicht erbracht. Elternbeiträge zählen aber zu den öffentlich-rechtlichen Gebühren, die auch während Schließungszeiten anfallen. So profitiere die Arbeitgeberseite bei einem Streik doppelt, sagt die Gewerkschaft Verdi: Nicht nur, da während des Streiks kein Lohn gezahlt werde, sondern auch, da Elternbeiträge und Essensgeld weiter bezogen werden. In verschiedenen Kitas in Freising wurden in den vergangenen Tagen Info-Blätter mit Musterschreiben verteilt, mit denen Eltern bei der Stadt die Rückerstattung bereits geleisteter Gebühren für die Betreuung und das Essensgeld fordern können. In anderen Einrichtungen wurden die Eltern dazu aufgerufen, Helga Schöffmann, zuständige Mitarbeiterin in der Stadtverwaltung, wegen einer Rückerstattung der Gebühren zu kontaktieren. regu

In Hallbergmoos geht man einen ganz anderen Weg: Dort nämlich hat der Gemeinderat beschlossen, dem pädagogischen Personal eine Arbeitsmarktzulage zu zahlen - für eine Erzieherin monatlich 150 Euro, für eine Kinderpflegerin 100 Euro. Anreize müssten geschaffen werden, um das pädagogische Fachpersonal zu binden und den zusätzlichen Personalbedarf decken zu können, erklärt Bürgermeister Harald Reents. Die sich daraus ergebenden Mehrkosten trägt die Gemeinde selbst.

Bislang ist laut Heinrich Birner, dem Verdi-Geschäftsführer München und Region, in den fünf Verhandlungsrunden von den Arbeitgebern kein Angebot vorgelegt worden - erst am Donnerstag, 28. Mai, werden sich diese treffen. Sie wären verantwortlich, wenn sich der Streik noch über Wochen hinziehen würde: "Wir werden aber nicht einknicken", kündigt Birner an.

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