Kommunalwahl in Freising:Die alten Rezepte greifen nicht mehr

Kommunalwahl in Freising: An der Katharina-Mair-Straße baut die Stadt Freising 115 geförderte Wohnungen. Schon jetzt steht fest, dass das auf dem überhitzten Wohnungsmarkt nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann.

An der Katharina-Mair-Straße baut die Stadt Freising 115 geförderte Wohnungen. Schon jetzt steht fest, dass das auf dem überhitzten Wohnungsmarkt nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann.

(Foto: Marco Einfeldt)

Auf den neuen Freisinger Stadtrat warten Herausforderungen. Die Zahl der Einwohner wächst, die Mieten steigen, der Verkehr nimmt zu.

Von Kerstin Vogel, Freising

Wie viele Kommunen im Umland des Münchner Flughafens steht auch die Stadt Freising 2020, im Jahr der Kommunalwahl, vor großen Herausforderungen. Da ist der ungebrochene Zuzug, da sind die immer neuen Arbeitsplätze die am und rund um den Flughafen geschaffen werden - und da sind andererseits die immer weiter steigenden Mieten und die dringende Notwendigkeit, Wohnraum zu schaffen für all die Menschen, die in die prosperierende Region ziehen. Der neue Stadtrat muss die Infrastruktur schaffen, für Mobilität, Betreuung, Bildung - kurz für alles, was der Mensch neben der Arbeit im Leben braucht.

Gleichzeitig aber greifen viele alte Rezepte nicht mehr, weil der Klimawandel - das ist im Stadtrat nahezu unbestritten - auch in Freising angekommen ist; weil es gilt, die Verkehrswende nicht nur zu denken, sondern auch umzusetzen und die Energieversorgung in den nächsten Jahren umzustellen - mit allen Härten, die das an mancher Stelle für die Bürger bedeuten mag. Bei alledem soll Freising eine liebens- und lebenswerte Stadt bleiben und weiterhin auch ein Stück weit das Herz Altbayerns verkörpern. Nicht umsonst freut sich der Stadtrat deshalb sehr darüber, dass sich die Erzdiözese München und Freising entschieden hat, ihre Einrichtungen auf dem Domberg aufwendig zu sanieren und neu zu gestalten - als ein durchaus zentraler, weiterer Baustein in der laufenden Modernisierung der Altstadt.

Anwohner leben seit Jahren in einer Baustelle

Die Stadt lebenswert zu erhalten, das hat man sich zum Ziel gesetzt, man möchte der Verödung, die in Teilen bereits eingesetzt hatte, und der Konkurrenz aus dem Internet etwas entgegenhalten - mutet den Bürgern damit aber auch einiges zu. Speziell die Geschäftsleute und Anwohner der Innenstadt müssen nun schon seit Jahren mit einer riesigen Baustelle leben: Leitungen, die neu verlegt werden, ein neues Pflaster, mitten drin der Asamkomplex, der in einer in jeder Hinsicht gewaltigen Anstrengung zu einem Kulturzentrum für künftige Generationen werden soll - und mit der jetzt anstehenden Öffnung der Stadtmoosach hat man noch ein weiteres gewaltiges Projekt vor der Brust, das der neue Stadtrat begleiten muss.

Und so vielversprechend die neue Gestalt der Innenstadt sein mag - möglicherweise werden sich die Freisinger Stadträte schon sehr bald noch einmal ausführlicher mit ihrem künftigen Gesicht befassen müssen. Bekanntlich sieht das Verkehrskonzept für die Zukunft vor, wenigstens einen kleinen Bereich um den Marienplatz autofrei zu bekommen. Die Erfahrungen aber, die in der Stadt bisher mit der "Begegnungszone" gemacht worden sind, die fast schon unverschämte wilde Parkerei und das Durcheinander, das durch die nach wie vor ungehindert in die Stadt fahrenden Autos entsteht, könnten dazu beitragen, dass der kommende Stadtrat vielleicht doch noch einmal über eine Fußgängerzone für die gesamte Altstadt berät.

Das Ziel Fahrradstadt wird zu Diskussionen führen

Spannende Diskussionen sind auch weiterhin zu erwarten, wenn es darum geht, den Anspruch Freisings, eine Fahrradstadt zu sein, tatsächlich umzusetzen. In der Amtszeit des neuen Stadtrats wird sich zeigen, ob die Westtangente und die Nordostumfahrung als Umgehungsstraßen wirklich die gewünschte und sicher notwendige Entlastung der "inneren Stadt" vom motorisierten Individualverkehr bringen. Wenn es dem Stadtrat ernst ist mit dem Wunsch, das Fahrrad zum Hauptverkehrsmittel der Freisinger zu machen, wird es mit den Umgehungsstraßen allein nicht getan sein und auch nicht damit, die Kammergasse zur Fahrradstraße umzubauen. Weitere Routen durch die Stadt, vor allem in den Norden, nach Lerchenfeld sowie zum Campus, werden folgen müssen, auf denen Radfahrer gefahrlos und schnell von A nach B gelangen können.

Spätestens mit dem Baubeginn für die 115 geförderten Wohnungen an der Katharina-Mair-Straße hat die Stadt Freising unter Beweis gestellt, dass sie sich ihrer Verantwortung auch für den Wohnungsmarkt - anders als die meisten anderen Kommunen im Landkreis - sehr wohl bewusst ist. Doch schon jetzt steht ebenso fest, dass diese Maßnahme nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sein kann. Auch der neue Stadtrat wird nicht umhin kommen, sich schnell Lösungen zu überlegen, von denen Mieter mit normalen Einkommen profitieren und nicht Immobilienspekulanten. Angesichts all dieser und vieler weiterer Herausforderungen trifft es sich sicher gut, dass der bisherige Stadtrat unter Führung von Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher den "Konsens" zum Mittel der Freisinger Politik erkoren hat, bedingt zum einen dadurch, dass Eschenbacher mit seiner Freisinger Mitte zwar die stärkste Fraktion im Rücken hat, jedoch keine absolute Mehrheit, mit der er Beschlüsse auch ohne die politische "Konkurrenz" durchdrücken könnte.

Eine "Gestaltungsmehrheit" prägt den Stadtrat

Die Grünen als zweitstärkste Kraft in dem Gremium haben sich zudem auch in Freising längst weg vom reinen Protest zu einer Partei entwickelt, die mitgestalten will. Und auch die im Freisinger Stadtrat mit nur sechs Vertretern eher marginal zu nennende CSU hat sich in den vergangenen sechs Jahren - von gelegentlichem Aufbäumen abgesehen - der "Gestaltungsmehrheit" nur selten entzogen.

Zum großen Burgfrieden trägt sicher bei, dass die Stadt wegen der boomenden Wirtschaft in den vergangenen Jahren ein ums andere Mal von lebhaft sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen überrascht wurde - und Wünsche der Fraktionen für ihre jeweiligen Wähler mithin zu einem großen Teil ganz einfach erfüllen konnte. In früheren Zeiten undenkbar, wurde im aktuellen Freisinger Stadtrat zuletzt nicht einmal mehr bei der Aufstellung des Haushalts gestritten.

Neben FSM, Grünen, SPD und CSU treten am 15. März die Freien Wähler, ÖDP, FDP und die Linke mit Listen zur Wiederwahl in den Stadtrat an - und da es bei dieser Wahl keine Fünf-Prozent-Hürde gibt, dürfte mit der AfD ziemlich sicher eine weitere, kommunalpolitisch allerdings unerfahrene Partei in das Gremium einziehen. Mit Ausnahme der Linken und der Freien Wähler haben auch alle Gruppierungen und Parteien einen Kandidaten oder eine Kandidatin für das Amt des Oberbürgermeisters aufgeboten, die Bewerberin der Grünen, Susanne Günther, dürfte Amtsinhaber Eschenbacher dabei ziemlich sicher in die Stichwahl zwingen, bevor feststeht, wer den Freisinger Stadtrat in die erste Hälfte des neuen Jahrzehnts führt.

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