Kommentar:Im Besitz der reinen Wahrheit

Wer kritisiert, muss auch andere Meinungen zulassen

Von Clara Lipkowski

Wörter wie Lügenpresse, Lückenpresse oder Mainstream-Medien haben längst den Weg in den allgemeinen Wortschatz gefunden. Was diese Wörter eint, ist, dass sie Medienschaffenden unlautere Absichten unterstellen. Es gebe nur noch den immer gleichen Brei zu lesen, zu sehen und zu hören, heißt es. Es werde bewusst verschwiegen oder falsch dargestellt, Leserkommentare abgestellt, um abweichende Meinungen gar nicht erst zuzulassen.

Die Rolle der Medien ist oft auch Thema des Nandlstädter "Freidenker-Stammtischs" von Anton Gebhard. Er lädt regelmäßig Redner ein, über "abseitige" Themen zu referieren, auch über Journalismus. Das ist ja erst einmal positiv, schon allein des Meinungsaustauschs wegen. Schade nur, dass er ausschließlich Redner einlädt, die sich der Medienschelte verschrieben haben und geheime Machenschaften aufdecken wollen, aber kein differenziertes Bild zeichnen. Ihre Mission: Zeigen, dass die Menschen belogen werden und hinter allem ein teuflischer Plan steckt. Wer einmal dabei war, weiß, wie einfach bei einem solchen Abend zwischen "denen" und "uns" unterschieden und so die negative Stimmung verschärft wird.

Dass Kritik geübt wird an der Medienlandschaft ist gut. Fehler passieren. Es gibt querbeet zig Autoren, die die Rolle des Journalismus (in Zeiten der sozialen Medien) überprüfen, kritisieren und Veränderungen vorschlagen. Um das zu wissen, muss man die "Mainstream-Medien" aber lesen. Nutzerkommentare werden oft abgestellt, weil der Umgangston in den Foren nicht mehr rau, sondern unter der Gürtellinie angekommen, beleidigend, teils gewaltverherrlichend, ja asozial, geworden ist.

Journalisten sollten sich permanent selbst hinterfragen. Ein Nandlstädter Stammtischbetreiber, der nach eigenen Angaben etwa 70 Leute pro Abend versammelt, aber auch. Er fordert mantrahaft, sich breit zu informieren. Um das zu fördern, müsste er auch Kritiker seiner Ansichten zu Wort kommen lassen. Selbstkritik aber prallt an ihm ab, wie Fakten, die seine Theorien über geheime Machenschaften entkräften.

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