Koch aus Leidenschaft:Ein kleines Stück Heimat

Koch aus Leidenschaft: In der Küche fühlt sich Joaquin von Dehn seit jeher wohl. Während des Studiums begann er aus Aushilfe im Stadtcafé, heute bekocht er mit seiner Catering-Firma unter anderem die Filmcrew von "Fuck ju Göhte III".

In der Küche fühlt sich Joaquin von Dehn seit jeher wohl. Während des Studiums begann er aus Aushilfe im Stadtcafé, heute bekocht er mit seiner Catering-Firma unter anderem die Filmcrew von "Fuck ju Göhte III".

(Foto: Marco Einfeldt)

Joaquin von Dehn ist in Venezuela geboren und aufgewachsen. Nach Deutschland mitgenommen hat er die Vielfalt der karibischen Küche mit vielen frischen Gewürzen und Kräutern

Interview von Katharina Aurich, Zolling

In seiner Zollinger Küche hat sich Joaquin von Dehn, der in Venezuela aufgewachsen ist, ein Stück Heimat geschaffen, denn inzwischen arbeiten hier vier venezolanische Köche. Das Land in der Karibik, das über umfangreiche Ölvorkommen verfüge, versinke immer mehr im Chaos, erzählt er. Jeder, der könne, verlasse schweren Herzens das Land, berichtet Dehn, bis heute venezolanischer Staatsbürger.

SZ: Sie sind in Venezuela geboren, ihre Eltern stammten aus Estland und Russland, Sie leben nun die längste Zeit ihres Lebens in Deutschland. Wo ist ihre Heimat?

Dehn: Meine Heimat ist Venezuela. Zusätzlich zu der venezolanischen Staatsbürgerschaft habe ich noch die estnische von meiner Mutter. Estland gehört zur EU, so kann ich ungehindert reisen.

Mit welcher Sprache sind Sie aufgewachsen?

Meine Eltern haben Europa aus politischen Gründen verlassen und lernten sich zufällig auf dem Schiff kennen. Sie besaßen nichts. Mein Vater wurde 1908 in Sankt Petersburg geboren, hatte beide Weltkriege erlebt. Meine Mutter hatte bereits in Berlin Germanistik studiert. In Caracas, im wunderschönen Venezuela, das damals ein Paradies war, mit einem hohen Lebensstandard, lebte auch meine Großmutter aus Hannover mit im Haus, so dass bei uns überwiegend Deutsch, aber auch Estnisch, Russisch und mit dem venezolanischen Dienstmädchen Spanisch gesprochen wurde.

Haben Sie schon damals gerne gekocht?

Ja, zum Beispiel bei Familienfesten liebte ich es, für alle zu kochen und die verschiedenen europäischen Einflüsse mit der vielfältigen Küche Venezuelas und den unglaublich tollen Gewürzen zu kombinieren. Ich las Kochbücher und -zeitschriften und war oft in der Natur unterwegs. Meine beiden Geschwister und ich hatten eine aufregende und unbeschwerte Kindheit.

Warum gingen Sie nach Deutschland?

Ich konnte mit einem deutschen Abitur in Venezuela nicht studieren. Deutschland war ein Schock für mich, ich kannte keine Kälte und keine Menschen, die einen nicht anschauen. 1985 war dann die erste Wirtschaftskrise in Venezuela und meine Mutter konnte mich nicht mehr finanziell unterstützen.

Wie kamen Sie vom Studium zum Kochen?

Damals studierte ich noch und war Aushilfe im Stadtcafé in der Küche von Sigi Malaj und Toni Festner. Mit den beiden zog ich in den Freisinger Lindenkeller und machte meinen Job, das Kochen, zu meinem Hauptberuf. Nach acht Jahren im Lindenkeller kochte ich dann in verschiedenen Szenelokalen in München.

Wie kamen Sie dazu, Catering am Filmset anzubieten?

Freunde und Bekannte fragten mich häufig, ob ich bei größeren Anlässen für sie kochen würde, was ich auch tat. In München traf ich zufällig zwei Frauen, die den "Foodoo Club" betrieben, ich übernahm für sie kleinere Aufträge und machte mich schließlich in einer Küche in Zolling mit meiner Firma "Muskat-Catering" selbständig. 2003 fragte eine Filmfirma an, ob wir die Crew eines Werbefilms mit Essen versorgen würden, das war der Beginn. Wir fuhren mit einem alten VW-Bus samt Küchenanhänger zum Dreh und bereiteten drei Tage lang das Frühstück und Mittagessen für 120 Personen zu.

Was essen Schauspieler gerne und wie ist es am, Drehort mitten drin zu sein?

Die Trends in der Ernährung, zum Beispiel vegetarisch, vegan oder glutenfrei zu essen, das wollten die Künstler bereits, bevor es richtig aufkam. Wir bieten ein Buffet, da ist dann für jeden etwas dabei. Die Unverträglichkeiten haben in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Man braucht am Filmset viel Geduld und muss vor allem flexibel sein und die Wünsche der Künstler erfüllen. Der längste Dreh dauerte zehn Wochen, da kommt man sich automatisch näher. Wir versorgen gerade die Mannschaft von "Fuck ju Göhte III", für Teil I und II haben wir auch schon gekocht, ebenso wie für diverse Serien und Kinofilme.

Wie sieht Ihr Arbeitstag am Filmset aus?

Wir arbeiten ein wenig wie beim Camping in unseren Catering-Anhängern, jeder ist 12 bis 14 Stunden im Einsatz. Im Idealfall plane ich für eine Woche und kaufe entsprechend ein. Manchmal passiert es aber, dass ich am Abend erfahre, dass am nächsten Tag plötzlich statt der angekündigten 30 auf einmal 120 Komparsen am Set sein werden, die alle mittags Hunger haben. Da muss ich dann schnell reagieren und neu planen.

Wie hat sich der Essensgeschmack in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren verändert?

In Venezuela gab es alles: Gemüse, Gewürze in Hülle und Fülle. In Deutschland war das Angebot an frischen Gewürzen und Kräutern in den 1980er-Jahren sehr überschaubar. Es war ein Highlight, wenn man frisches Basilikum erhielt. Kulinarisch interessant wurde es erst, als nach dem Fall der Mauer viele Vietnamesen aus der DDR sich in ganz Deutschland verteilten und Asia Shops oder Restaurants eröffneten. Es gab auf einmal vielfältige exotische, frische Gewürze.

Warum haben Sie nun noch das Café im Schafhof übernommen?

Es liegt auf meinem Heimweg von Zolling nach Freising (lacht). Es ist ein wunderbarer Ort. Am ersten Tag nach der Eröffnung kam eine Frau aus der Nachbarschaft zu mir und berichtete, dass im Schafhof nach dem Krieg Flüchtlinge aus Schlesien untergebracht waren. Es sei ihre erste Station in der Freiheit gewesen, so wie Caracas für meine Eltern. So schließt sich der Kreis. Das Café Botanika passt gut zu meiner Catering-Firma und wir können auch große Veranstaltungen mit internationaler, karibischer und asiatischer Küche bewirten.

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