Kleiner Waffenschein:Trügerische Sicherheit

Immer mehr Menschen beantragen den kleinen Waffenschein, um beispielsweise Gaspistolen führen zu dürfen. Freisings Polizeichef Neuner hält das für unsinnig und sogar gefährlich - und empfiehlt eine laute Trillerpfeife

Von Gudrun Regelein, Landkreis

"Ihr Schutz ist unsere Aufgabe" stand auf dem Flyer, der kürzlich unter den Scheibenwischern der auf dem Unigelände parkenden Autos steckte. Aufgelistet finden sich die Angebote eines Sicherheitsdienstes, darunter auch ein "Begleitschutz zum Parkplatz oder zur Bushaltestelle" und eine "Überwachung von Alleinarbeitsplätzen". Gerade in den Wintermonaten werde dieser Begleitschutz nachgefragt, sagt Eva-Maria Lewandowsky, Geschäftsführerin der WL Sicherheit GmbH, der die TU Freising-Weihenstephan den Auftrag zum Objektschutz erteilte.

In Deutschland boomen Selbstverteidigungskurse, auch beantragen immer mehr Menschen den kleinen Waffenschein, der das Führen von Gasalarmpistolen und Gasalarmrevolvern erlaubt. Obwohl der öffentliche Raum laut Statistik lange nicht mehr so sicher war wie heute, ist das Gefühl offensichtlich ein anderes. "Die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, ist tatsächlich nur äußerst gering", bestätigt Freisings Polizeichef Ernst Neuner. Weshalb dann die Anträge für den kleinen Waffenschein im Landkreis in diesem Jahr so nach oben geschnellt sind, weiß auch Neuner nicht. "Ganz ehrlich, nein", sagt er. Einen Anstieg an Straftaten habe es 2016 zumindest nicht gegeben.

Bislang wurden in diesem Jahr vom Landratsamt Freising laut Pressesprecherin Eva Dörpinghaus 381 kleine Waffenscheine ausgestellt. Im gesamten Vorjahr 2015 wollten diesen lediglich 53 Personen. Die Zahl hat sich 2016 also mehr als versiebenfacht. "Die meisten Antragsteller in diesem Jahr gaben an, dass sie die Gas- oder Alarmwaffe zum Selbstschutz benötigen und das Führen der erlaubnisfreien Schusswaffe bei ihnen ein Sicherheitsgefühl erzeugen würde", berichtet Eva Dörpinghaus. Die Antragsteller kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten, auch die Altersstruktur ist gemischt.

Ohne weiteres darf aber niemand diese Waffen führen. Bevor die Erlaubnis erteilt wird, wird der Antragsteller erst einmal gründlich überprüft. "Zunächst stellen wir eine elektronische Anfrage an das Bundeszentralregister zum Abruf eines unbeschränkten Führungszeugnisses", erklärt Dörpinghaus. Gleichzeitig werde von allen Gerichten ein sogenanntes Verfahrensregister abgerufen, das über alle durch die Staatsanwaltschaft oder die Gerichte veranlassten Verfahren Auskunft gibt. Außerdem gebe es auch noch ein polizeiliches Auskunftsersuchen, bei dem eventuelle Ordnungswidrigkeiten oder Strafanzeigen, die noch nicht verfahrensrelevant sind, erfragt werden.

Doch trotz dieser Überprüfung sieht man bei der Polizei in Freising die aktuelle Konjunktur der Kleinwaffen mit Sorge. "Davon halte ich gar nichts", sagt Ernst Neuner. Diese Waffen böten nur eine "trügerische Sicherheit", seien aber nicht wirklich geeignet, sich zu verteidigen, meint er. Werde man angegriffen und sei für die Gegenwehr nicht trainiert, könne das sogar schlimme Folgen haben.

Beim Pfefferspray, für das man keinen kleinen Waffenschein benötige, könne man sich in Panik beispielsweise versehentlich selber ansprühen und damit außer Gefecht setzen - oder das Spray bleibe wirkungslos und mache den Angreifer nur noch aggressiver. Statt Waffen mit sich zu führen, hat der Polizeichef andere Tipps: "Erst einmal sollte man darauf achten, wo man sich aufhält", sagt Neuner. Wichtig sei auch ein selbstbewusstes Auftreten. Und eine laute und schrille Trillerpfeife bewirke oft mehr, als man glaube. "Durch den Lärm wird nicht nur der Angreifer verunsichert, sondern auch eine große Aufmerksamkeit erzielt."

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