Kirchbergers Woche:Wir fahren nach Berlin

Warum man den Job des Bundestagsabgeordneten eigentlich gleich selber übernehmen könnte

Von Johann Kirchberger

Ganz links (!) auf den großen städtischen Wahlwerbetafeln, auf dem Marienplatz etwa, in Neustift oder sonst wo, sollte eigentlich Erich Irlstorfer von der Poleposition seinem Volk zulächeln. Tut er aber nicht, zumindest nicht immer. Das liegt an seinen vielen Fans, wie die CSU in einem Facebook-Eintrag schreibt. Denn die nehmen das Plakat immer wieder ab, vermutlich, um den Irlstorfer-Kopf im heimischen Wohnzimmer aufzuhängen. Durchaus nachvollziehbar, aber unnötig. Die Plakate könnten sich die Fans nämlich auch in der CSU-Geschäftsstelle besorgen, kostenlos. Aber mittlerweile ist eben auch in Freising der Wahlkampf in vollem Gange und in solchen Zeiten passieren manchmal merkwürdige Dinge.

Außer dem Platzhirsch sind aber alle anderen Kandidaten auf den offiziellen Wahltafeln präsent. Womöglich haben sie nicht so viele Fans. Andreas Mehltretter von der SPD etwa hängt auf Platz zwei und tritt für eine bessere Zukunft ein. Das ist verständlich, er ist ja noch jung, will noch was erleben. In Freising noch relativ unbekannt ist Kerstin Schnapp von den Grünen. Sie tritt für eine Politik ein, die Mensch und Umwelt schützt. Keine Überraschung, so etwas war zu erwarten. Noch unbekannter ist Thomas Neudert von der FDP. Er findet, es sei Zeit für Veränderungen und will neu denken. Vielleicht sogar nachdenken? Aber worüber nur?

Sozial. Gerecht. Frieden. Das ist auf den Plakaten des Linken Guido Hoyer zu lesen. Und dann steht da noch: Für alle. Freibier wäre an dieser Stelle ein interessanter Einschub, mit dem sich bestimmt viele Wählerstimmen akquirieren ließen. Hoyer ist Freisinger Stadtrat, den kennt man. Johannes Huber von der AFD kennt niemand. Aber er ist für Sicherheit, Freiheit und Heimatliebe. Passt das überhaupt zusammen? Robert Weller von den Freien Wählern ist anscheinend für gar nichts, er wirbt nur mit seinem Kopf und seinem Namen. Das muss reichen. Für echten Klimaschutz ist ÖDP-Mann Reinhold Reck, und das jetzt, also unverzüglich. Für bezahlbaren Wohnraum ist er übrigens auch. Was bezahlbar ist und was nicht, ist freilich gerade in Freising reine Auslegungssache.

Auf Plakaten außerhalb der Innenstadt begegnen wir einem Martin Schulz, der um Stimmen für die SPD bittet. Für mehr Sicherheit wirbt an anderer Stelle ein gewisser Klar, der so ähnlich aussieht wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Endlich entdeckt man auf Solo-Plakaten auch den Kopf von Erich Irlstorfer, dem CSU-Matador. Klein unter sein Konterfei geschrieben hat er "Für Sie in den Bundestag".

Aber wenn wir uns das so recht überlegen, für uns muss der Erich gar nicht unbedingt in den Bundestag. Die anderen Kandidaten auch nicht. Wir wollen uns nämlich dort nicht länger vertreten lassen, sondern in Berlin selbst initiativ werden. Es muss nicht sein, dass sich dort jemand für uns abrackert. Herumsitzen und langweiligen Rednern zuhören, ab und zu klatschen oder buhen und manchmal mehr oder weniger intelligente Zwischenrufe schreien, so etwas lässt sich doch selbst erledigen. Nur 13 Sitzungswochen haben heuer stattgefunden, das müsste zu schaffen sein. Vor allem, weil es offenbar gar nichts macht, wenn man nur gelegentlich anwesend ist. Und die Gesetze - machen die nicht eh die Lobbyisten? Unser Entschluss steht fest. Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin.

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