Kirchbergers Woche:Verrücktes aus Freising

Skifahren am Marienplatz, Krater im Garten

Von Johann Kirchberger

Ja geht's noch? Hat denn die Freisinger Stadtjugendpflege nichts anderes zu tun, als im Januar Schnee auf den Marienplatz zu karren und darauf Ski- und Snowboard-Artisten einer Eventagentur herumturnen zu lassen? Skifahrer und Snowboarder - egal ob auf Rails, Rampen oder Pisten - sie gehören nicht auf den Marienplatz, sie gehören ins Gebirge. Dort ist auch die Wahrscheinlichkeit größer, auf Schnee zu treffen, der vom Himmel gefallen ist und nicht mühsam von einer Eisbahn gekratzt und kühl zwischengelagert werden musste. 35 000 Euro sollen diese sogenannten "Wintergames" kosten, mindestens. Aufgebracht werden soll das Geld von Sponsoren. Und wenn für diesen "Rail-Contest" keine Geldgeber gefunden werden? Dann zahlt wohl die Stadt, vielleicht sogar mit dem Bärling. Aber angeblich steht ja die Flughafen GmbH längst bereit, um den Freisingern neben der dritten Startbahn noch etwas Schönes zu schenken. Und was sagen die Stadträte, die sonst bei jeder Gelegenheit knausern? Die sind begeistert, wollen bereitwillig den Grünen Markt verlegen, wogegen sie sich sonst mit Händen und Füßen sträuben, wollen das angeblich so einzigartige Spektakel sogar auf zwei Tage ausdehnen, weil es im Vorjahr trotz Regens gar so toll war. Nur zu, nichts hindert uns daran, auch mal etwas Verrücktes zu tun, so lange keine Lawinengefahr besteht.

Vor einer Verkehrslawine, ausgelöst durch den Bau der Freisinger Westtangente, fürchtet sich hingegen nach Allershausen nun auch die Gemeinde Kranzberg. Mautflüchtlinge in großer Zahl, die verstärkt die Abkürzung zum Flughafen nutzen und durch die Ortsteile Dorfacker und Thalhausen donnern, erwartet der stellvertretende Landrat. Robert Scholz hat jetzt auch daran erinnert, dass es bisher nicht möglich gewesen sei, im Innenministerium ein Tempolimit von 50 Stundenkilometer innerhalb der Ortschaft Thalhausen durchzusetzen. Daraus, so steht zu vermuten, wird wohl auch künftig nichts werden. Auf einem Flughafenzubringer darf der Verkehr schließlich nicht behindert werden. Da wäre ein Tempolimit alles andere als zielführend.

Damit Häuser und Menschen die Autos nicht aufhalten, wird in Vötting für die Westtangente sogar ein 705 Meter langer Tunnel gegraben. Damit der nicht einfällt, erhält die Hohenbachern Straße zuvor einen 1.50 Meter dicken Deckel verpasst. Aus Sicherheitsgründen, damit sich nicht plötzlich ein Krater auftut. Ein Krater könnte sich natürlich auch in einem Garten auftun, aber da fallen dann ja keine Autos hinein. Vier Jahre lang müssen sich die Vöttinger damit abfinden, dass unter ihnen gebuddelt wird. Sie müssen sich auf 34 000 Lastwagenfahrten einrichten, die 300 000 Kubikmeter Erde transportieren. Sie müssen damit rechnen, dass immer wieder mal Straßen gesperrt werden und sie müssen hinnehmen, dass das Freisinger Moos zerstört wird.

Wie schön die einzigartige Mooslandschaft südlich von Freising ist, können sich die Vöttinger für kurze Zeit noch in natura ansehen. Dann bleibt nur noch das Stadtmuseum. Dort wird schon an diesem Wochenende die Sonderausstellung "Wasser-Wolken-Licht; Bilder der Freisinger Mooslandschaft" von Malern, Zeichnern und Fotografen eröffnet. Bleibende Werke, die der Nachwelt noch in Jahren zeigen, was einst dem Verkehr geopfert wurde.

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