Kirchbergers Woche:Bürgernähe sieht anders aus

Bundestagsabgeordneter Irlstorfer entlarvt sich selbst

Von Johann Kirchberger

Die Reaktionen auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen dritte Startbahn sind erwartungsgemäß gespalten. Die einen jubeln, die anderen trauern, die einen freuen sich, die anderen sind enttäuscht, die einen drängen auf einen raschen Ausbau, die anderen kündigen weiteren Widerstand an. Nur einer, der sich in den vergangenen Monaten so gerne als Startbahngegner gegeben hat, weiß offenbar nicht so recht, auf welcher Seite er steht oder stehen soll.

Für den Freisinger CSU-Bundestagsabgeordneten Erich Irlstorfer sind durch die Leipziger Entscheidung der "Ausbaubedarf bestätigt und das Lärmschutzkonzept" (welches eigentlich?) für rechtmäßig erklärt worden. Und mit seiner Bemerkung, dieses Urteil sei "überfällig" gewesen, nun müsse auf politischem Weg eine Entscheidung am Verhandlungstisch gefunden werden, gerade so wie es Seehofer und Söder predigen, reißt er sich die Maske endgültig vom Gesicht. Irlstorfer ist kein Startbahngegner und war nie einer. Irlstorfer ist ein treuer Vasall der CSU, einer dem seine Karriere wichtiger ist als das Wohl und die Heimat seiner Wähler. Aus seiner Bemerkung, dass die Bevölkerung nach zehnjährigem Schwebezustand jetzt bald Gewissheit über den Bau der dritten Startbahn haben werde, lässt sich Zufriedenheit, wenn nicht sogar Freude heraushören. Irlstorfer wäre aber nicht Irlstorfer, würde er nicht gleich wieder versuchen, den großen Staatsmann herauszukehren. Für die Zukunftsfähigkeit einer Region komme es nicht nur auf Arbeitsplätze an, hat er versucht zu relativieren, wichtig seien auch die Bereiche Wohnen und Leben und das richtige Verhältnis von Ökonomie und Ökologie. Wohnen und leben wollen die Menschen aber nicht unbedingt so, wie sich das Erich Irlstorfer vorstellt, mit viel Gestank und noch mehr Lärm, mit einer betonierten Landschaft. Wohnen und leben wollen die Menschen in Ruhe, in sauberer Luft, in unzerstörter Natur. Das sind Grundrechte, über die kann man nicht verhandeln.

Tief blicken lässt auch die Stellungnahme der Regierung von Oberbayern. Selbstgefällig wird unter anderem darauf verwiesen, dass am Planfeststellungsverfahren auch (!) die Bürger beteiligt worden seien. Sehr großzügig, danke. Eingeräumt wird sogar, dass der Bau einer dritten Start- und Landebahn auch Nachteile für die Bevölkerung mit sich bringt, insbesondere für die Bevölkerung von Attaching, für die aber - hurra - "weitreichende Ausgleichsauflagen verfügt" worden seien. In Attaching leben allerdings nur knapp 1000 Menschen und die Regierung selbst gibt zu, dass 82 359 schriftliche Einwendungen eingegangen seien. Da sind wohl ein paar unter den Tisch gefallen, vermutlich weil bei der "Gesamtabwägung" laut Regierung der "Blick in die Zukunft des Luftverkehrs und der Wirtschaftsregion" gerichtet worden ist. Rund 82 000 Unterschriften trug übrigens auch die Massenpetition, die im Februar vom Landtag in die Tonne getreten wurde. Der Widerstand gegen die dritte Startbahn scheint recht stabil zu sein.

Auch über den Ausbau des Allgäu-Airports in Memmingen wurde diese Woche geurteilt, mit auffälligen Parallelen zum Flughafen München. Das gleiche Gericht (VGH), der gleiche Richter (Erwin Allesch), die gleichen Prognose-Gutachter (Intraplan). Ergebnis: alle Klagen abgewiesen, eine Revision nicht zugelassen. Die Ausbaukosten und das zu erwartende Defizit übernehmen der Freistaat und einige Kommunen, den Gewinn machen Billigfluggesellschaften und die Lasten tragen, na wer wohl, die Bürger. Super.

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