Kirchbergers Woche:Anstiche und Befreiungsschläge

Wie aus Könnern plötzlich Stümper werden . . .

Von Johann Kirchberger

Ein Anstich ist zumindest in Bayern ein Ereignis, das in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden darf. Bei jedem Volksfest müssen die Bürgermeister ihr Können beweisen, peinlich genau wird darauf geachtet, wie viele Schläge sie benötigen, um den Wechsel in einen Banzen zu treiben, und ob es womöglich dabei spritzt. Einmal daneben geschlagen, und aus dem im Vorjahr gefeierten Könner wird ein Stümper. Das musste zuletzt Moosburgs Vize-Bürgermeister Josef Dollinger erfahren. Hatte er es früher im Auftrag seiner Chefin schon mal mit nur einem Schlag geschafft, brauchte er heuer beim Frühlingsfest sage und schreibe zehn Schläge. Eine Bierdusche für die umstehenden Beobachter gab es gratis dazu. Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung.

Dieser Tage nun erfolgte auch in Freising ein Anstich, nicht etwa beim Uferlos, da wird darauf verzichtet, sondern in Vötting. Der Anstich des Tunnels für die Westtangente wurde gefeiert, wiewohl der längst angestochen, ja sogar schon 30 Meter weit in den Untergrund hinein gegraben worden war. OB Tobias Eschenbacher musste also den Schlegel gar nicht mehr schwingen, um diesen "längst überfälligen und unverzichtbaren Befreiungsschlag für die Stadt" zu vollziehen. Gespritzt hat es übrigens nicht, nur ein wenig von der Decke getropft. Ende des Jahres wird wieder gefeiert, dann erfolgt der Durchstich. Vermutlich wird das der OB wieder selbst erledigen, die Stadtkapelle ist schon gebucht.

Ein ganz großes Fest veranstaltet hat unser Nachbar im Moos. Darf er auch, schließlich hatte der Flughafen 25. Geburtstag. Vier Zelte wurden aufgebaut, Musikbands und DJs aufgeboten, alte und neue Flugzeuge zur Besichtigung freigegeben und zu einer kulinarischen Weltreise eingeladen. Mehr als 50 000 Gratulanten, hieß es, seien gekommen. Für das absolute Highlight aber sorgte der bekannte Sänger und Komponist Michael Kerkloh. Er schenkte dem Flughafen und seinen Mitarbeitern ein von ihm selbst komponiertes und gesungenes Lied über den Airport im Moos und seine großen Vögel. Dem Vernehmen nach sollen die Mitarbeiter außer sich vor Freude gewesen sein.

Wesentlich bescheidener zeigten sich die Aktivisten von Aufgemuckt. Sie feierten auch, zwölf Jahre Widerstand gegen die dritte Startbahn. Zu ihrem Familienfest in Attaching kamen knapp 400 Leute, es wurden ein paar Drachen gestartet und Würstl gegrillt. Gesungen hat keiner. Aber ein großes Bierzelt soll schon auch einmal aufgestellt werden - wenn die Startbahnpläne beerdigt sind.

Apropos Beerdigung. Sterben die Freisinger schneller als die Menschen anderswo? Oder ziehen sie nach dem Erreichen des Rentenalters schnell weg, weil sie sich die hohen Mieten nicht leisten können und es sich auf Mallorca billiger leben lässt? Wie dem auch sei. Tatsache ist, dass die Menschen in der Stadt Freising im Durchschnitt gerade einmal 40,6 Jahre alt sind. Der niedrigste Wert in ganz Bayern. Für die Kommunalpolitik hat das Konsequenzen. Wir brauchen jetzt mehr Kindergärten und weniger Altenheime, mehr Handyläden und weniger Hörgeräteakustiker, mehr Burger-Läden und weniger Reformhäuser, mehr Kneipen und weniger Apotheken. Mehr Ruhebänke in der Innenstadt braucht das junge Freising wohl eher nicht. Aber die wünschen sich die Stadträte - die sind halt teilweise auch nicht mehr ganz so jung.

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