Kirchbergers Woche:Alles eine Frage der Interpretation

Was gefällt oder missfällt, was stört oder begeistert, was lustig ist oder geschmacklos, das alles hängt vom Betrachter ab

Von Johann Kirchberger

Vieles im Leben ist geprägt von der persönlichen Wahrnehmung. Was gefällt oder missfällt, was stört oder begeistert, was lustig ist oder geschmacklos, was Beifall und was Pfiffe verdient, das alles hängt vom Betrachter ab und kann manchmal unterschiedlicher nicht sein. Meist ist es auch schlichtweg eine Frage der Interpretation. Das gilt vor allem für musikalische Darbietungen oder auch für moderne Malerei. Was die einen als Lärm beziehungsweise Gekleckse betrachten - heimlich nur, um sich nicht als schlimmer Banause zu outen - lässt andere schwärmen über den einzigartigen musikalischen Hochgenuss oder die sinnbetörende Farbigkeit, die das Licht der Natur widerspiegelt. Erstaunlich ist dabei immer wieder, was Experten zum Beispiel aus einer Operninszenierung oder auch aus einem Aquarell alles herauszulesen vermögen, welche Wortwahl sie treffen, um ihre Empfindungen auszudrücken.

Das gilt auch für die Architektensprache. So war jetzt bei der Vorstellung der Umbaupläne für das Kardinal-Döpfner-Haus die Rede von einem epochalen Bauwerk, von einem ganz großen Wurf, der für Glücksgefühle sorgt. Ein Laie wird es vielleicht ganz interessant finden, Gebäude mit einer Glas-Aula zu verbinden. Auf die Idee, diesen Entwurf zu den anspruchsvollsten Projekten in Bayern der vergangenen Jahre zu erheben, der für Offenheit, für den Dialog, für die Menschen steht und auf geniale Weise ein westliches Kraftfeld des Dombergs entstehen lässt, wird er aber womöglich auf Anhieb nicht kommen.

Das Schmähgedicht von Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten lässt kaum Platz für Interpretationen. Es enthält unbestritten einige grobe Beleidigungen. Ob man so etwas sagen darf, ob das erlaubte Satire ist, ob Erdoğan beleidigt sein darf, ist dagegen so eindeutig nicht, da können durchaus unterschiedliche Auffassungen möglich sein. Ob auch die im Bundesumweltministerium verfassten Bauernregeln eine Beleidigung darstellen, ist weniger eindeutig. "Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein", das ist für die meisten Menschen einfach nur ein lustiger Spruch, an dessen Richtigkeit es zudem kaum Zweifel gibt. Ebenso wenig wie an einer anderen Bauernregel aus dem Hause von Ministerin Hendricks: "Zuviel Dünger auf dem Feld, geht erst ins Wasser, dann ins Geld". Genau so ist es, sagen die Wasserwerker und klatschen Beifall.

Für viele Landwirte dagegen, darunter auch der Landtagsabgeordnete Benno Zierer und die Freisinger Kreisbauernschaft, sind solche Sprüche alles andere als lustig, sie sehen darin eine Beleidigung aller Bauern, die Tag für Tag in aller Früh aufstehen und hart arbeiten. Unerträglich sei das, wenn Leute, die das Volk versorgen, derart niedergemacht würden, klagen sie. Ein ganzer Berufsstand werde der Lächerlichkeit preisgegeben, auf den Bauern werde in unerträglicher Art und Weise herumgetreten. Sind solche humorvoll formulierten Bauernregeln wirklich eine grobe Beleidigung? Oder wird da etwas herausgelesen, was so gar nicht da steht, fühlt sich gar jemand ertappt?

Es ist eben alles eine Frage der Interpretation, aber auch des richtigen Lesens. Eine Wakeboardanlage, wie sie jetzt etwa als "Riesenbereicherung" in Moosburg gebaut werden soll, kann durchaus ein Spaß sein. Eine Waterboardinganlage dagegen wohl eher nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: