Jugendreporterin:Klingt komisch, ist aber so

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Asli Reyhan hat ein interessantes Gespräch über das "Queer"-Sein geführt

Interview Von Asli Reyhan, Freising

Beim großen oberbayerischen Kulturfestival "Zamma" 2015 waren in Freising auch Jugendreporter unterwegs. Ihre Berichte über das Festival waren in der Freisinger SZ zu lesen - und der Kreisjugendring hat das Projekt "Jugendreporter" mit Unterstützung der SZ fortgesetzt. Asli Reyhan ist Mitglied der KJR-Jugendredaktion. Sie hat sich mit dem "Queer"-Sein befasst und ein Interview mit einem "queer" lebenden Menschen geführt.

Queer kommt aus dem Englischen und steht für "ungewöhnlich" oder "sonderbar". Das Wort wurde früher als Beleidigung für Homo- und Transsexuelle benutzt, so wie leider manchmal das Wort schwul. Eine richtige Definition für queer gibt es nicht, aber man kann damit anfangen, dass es hauptsächlich um das soziale Geschlecht und die soziale Identität geht - also, mit welchem/n Geschlecht/ern jemand sich identifiziert und zu welchem/n Geschlecht/ern er sich hingezogen fühlt. Und auch damit, dass die Identität eines Geschlechts nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun hat und es deswegen viel mehr als nur "Mann" und "Frau" gibt.

Außerdem geht es darum, Geschlechterrollen aufzubrechen und neu zu definieren - beziehungsweise nicht zu definieren. Andrea F. (Name von der Redaktion geändert) ist seit einem Jahr in einer Zwischenphase, in der sie sich versucht zu finden. Sie beschreibt sich selbst als androgyn (andros = griechisch für männlich, gyne = griechisch für weiblich). Andrea F. merkte schon als kleiner Junge im Alter von vier Jahren, dass sie anders war. Sie spielte gern mit Barbies und wollte eine Prinzessin sein. Und auch im Kindergarten, wo es um "Jungs gegen Mädchen" ging, war sie immer bei den Mädchen dabei.

SZ: Was ist dein Gender?

Andrea F.: Ich bin zurzeit in einer Zwischenphase, wo ich nicht weiß, wer ich bin. Es war für mich anfänglich sicher und richtig, dass ich eine Frau sein und so leben mag, da ich im falschen Körper geboren bin. Aber nach einiger Zeit bemerkte ich, dass doch irgendetwas nicht passt. Dann hab ich für mich die Definition in androgyn gefunden. Mittlerweile aber bin ich in einer zwischengeschlechtlichen Phase, fühle mich also weder zu Mann noch zu Frau zugehörig.

Was ist denn so anders an dir?

Für mich nichts. Aber anscheinend für die anderen. Man bekommt Geschlechterrollen einfach anerzogen. Wer hat beschlossen, dass ein Junge kurze und ein Mädchen lange Haare hat? Warum sollen Frauen Röcke tragen und Männer nicht? Warum soll sich ein Mann nicht schminken? Ich persönlich hatte Glück, weil meine Gesichtszüge weich geblieben sind und meine Stimme nicht so tief ist. Ich war und bin zufrieden. Auch als man noch Schatten von meinem Bart sah, schminkte ich mich, weil es mir egal war. Ich fühlte mich wohl. Die Leute haben schon geschaut. Aber mein Motto ist einfach: Leben und leben lassen.

Wann hast du dich geoutet und wie hat deine Umgebung drauf reagiert?

Ich habe schon als kleiner Junge immer gesagt, dass ich eine Frau sein will und es ist mir auch nie komisch vorgekommen. Erst in der Schulzeit ist es so deutlich geworden: Ich habe gemerkt, dass ich anders bin, als die anderen Jungs. Bis vor etwa zwei Jahren habe ich mich aber nicht getraut, etwas zu sagen und habe es versteckt gehalten. Dann, also mit Mitte 18, habe ich mich geoutet. Meine Mutter war nicht sehr überrascht. Mein Vater hingegen hat sehr schockiert darauf reagiert: "Das ist doch nur eine Spinnerei!" In der Familie gab es dann nur eine Person, die es nicht akzeptieren wollte. Aber ich dachte mir dann: "Okay, du musst mit mir nichts zu tun haben!"

Im Bekanntenkreis wird schnell klar, wer ein Freund ist und wer nicht. Manche kapseln sich von dir ab oder sagen es dir direkt ins Gesicht: "Was für ein Scheiß! Voll eklig!" "Du gehörst umgebracht", durfte ich mir mal anhören. Die anderen sagen: "Einfach super!" und finden es gut, dass ich so mutig bin. Auch Arbeitskollegen.

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