Jugendpädagogik:Anwalt der jungen Leute

Fritz Andresen

In Freising ist Fritz Andresen ein bekanntes Gesicht. Kein Wunder, arbeitet er doch seit mittlerweile 25 Jahren für die Stadtjugendpflege.

(Foto: Lukas Barth)

Fritz Andresen arbeitet seit einem Vierteljahrhundert bei der Stadtjugendpflege. Vieles hat sich in dieser Zeit verändert. Nur die Grundüberzeugung des Sozialpädagogen ist gleich geblieben: Die Kids brauchen Freiraum

Interview von Jenny Schößler, Freising

Sebaldhaus, Lindenkeller, Tollhaus, Ferienprogramme, altes Juz und Spielbus - wie viele Kinder und Jugendliche seit den Anfängen der Stadtjugendpflege im Jahr 1976 das Angebot genutzt haben, lässt sich schwer sagen. Fritz Andresen sieht sich jedenfalls als "Lobbyist für junge Menschen" in Freising. Seit 25 Jahren ist er in der Stadtjugendpflege tätig. Mittlerweile kümmert sich Andresen zusammen mit Hartmut Fischer, dem Leiter der Stadtjugendpflege, und Adolf Gumberger, dem Kulturamtschef, um die Organisation des Lindenkellers und um zahlreiche weitere Projekte. Im Gespräch mit der SZ verrät er, wie sehr sich die Jugend gewandelt hat.

SZ: Herr Andresen wie kam es, dass Sie bei der Stadtjugendpflege gelandet sind?

Fritz Andresen: Ich war schon in den Achtzigerjahren als Jugendlicher viel in Freising unterwegs und selbst oft Gast im Jugendzentrum, was vielleicht auch der Grund für meinen Bezug zur Stadtjugendpflege ist. Während meines Studiums für Soziale Arbeit in München habe ich dann auch den Schwerpunkt auf Jugendarbeit gelegt. Naja, schließlich hab ich dann ein Praktikum bei der Stadtjugendpflege angefangen und bin hier geblieben.

Gab es Skepsis, als Sie 1991 begonnen haben?

Die Unterstützung hat überwogen, sonst hätte der Kulturausschuss ja nicht für meine Einstellung gestimmt. Aber es gab sicherlich Menschen, die skeptisch waren aufgrund meiner für damalige Zeiten recht untypischen Positionen. Zum Beispiel wegen meiner Aussage, dass Jugendliche Freiraum brauchen und dass man sich mit Jugendlichen auch auseinander setzen wollen muss. Ich war wohl schon immer ein bisschen unbequem. Und laut.

Welche Gedanken und Ziele hatten Sie? Ach, da gab's die klassischen Ziele aus dem Studium, die konnte ich aber auch gut mit meiner persönlichen Einstellung vereinbaren. Oberbegriffe wie Partizipation, also dass Jugendliche und Kinder Inhalte und Angebote aktiv mitbestimmen können, waren und sind mir sehr wichtig. Dann, dass die Jugendlichen Freiräume bekommen, in denen sie Fähigkeiten wie Empathie, Toleranz und Konfliktlösungsstrategien erlernen und erleben können und merken, wo die Grenzen in der Gesellschaft sind. Wichtig war mir auch, dass junge Menschen die Möglichkeiten bekommen, ihre musikalischen und künstlerischen Grenzen auszutesten.

Wie würden Sie die Jugend von damals beschreiben?

Jugendliche haben aus meiner Sicht damals mehr aufbegehrt. Man hat sie mehr gesehen, sie mehr gehört, sie sind mehr aufgefallen. Was nicht heißen soll, dass sie das heute gar nicht mehr tun. Ich finde nur, dass das stark zurückgegangen ist.

Und heute?

Junge Menschen sind häufig zeitlich so stark getaktet, dass sie eigentlich gar keine Zeit mehr haben. Jugendliche ab 14 Jahren kommen deshalb immer seltener in unsere Jugendzentren, um sich dort einfach so zu treffen. Konkrete Angebote und Projekte werden aber weiterhin gut angenommen, wie zum Beispiel die Bandübungsräume, die Skaterhalle, Konzerte, Skate- oder BMX-Contests, Breakdance-Kurse, unser Tonstudio oder auch unsere Großveranstaltungen. Auch unsere Unterstützung bei Bewerbungsschreiben oder in privaten Lebenskrisen ist sehr gefragt - genauso wie der sporadische Plausch an der Theke. Das Publikum wird aber immer jünger. Ich hab das Gefühl, dass Kinder heutzutage immer früher erwachsen werden - und vielleicht auch werden müssen. Die früher für 15-Jährige typischen Konflikte sehen wir heute bei den Zwölfährigen.

Arbeiten die Sozialpädagogen heute anders als früher?

Ich bin zum Beispiel noch ohne Computer aufgewachsen und habe dann in den Neunzigerjahren mit Jugendlichen das erste Internetcafé im Juz aufgebaut. Wir müssen im Gegensatz zu früher immer mehr mit kommerziellen Angeboten konkurrieren. Inzwischen gehören zu meinem Alltag Tätigkeiten wie Facebook, die Gestaltung von Flyern, Plakaten und Broschüren, das Aktualisieren der Homepages, Marketing, Kooperationsmodelle mit kommerziellen Anbietern und Agenturen, und vieles mehr. Ich verbringe inzwischen relativ viel Zeit vor dem Rechner.

Welche neuen Einrichtungen und Projekte kamen im Laufe Ihrer Tätigkeit dazu?

Nachdem der "alte Lindenkeller" schließen musste, hab ich 1992 die Konzertreihe "Bühne im Juz" mit zwei Konzerten pro Woche aus dem Boden gestampft. Dann, 1996, hat der Lindenkeller in Kooperation mit dem Kulturamt wiedereröffnet, 2002 das Tollhaus, 2009 kam der Bereich Streetwork dazu. Und seit 2014/15 koordiniert Stefan Memmler die Ganztagsschule und Mittagsbetreuung in Neustift und in Lerchenfeld.

Warum ist die Arbeit mit Jugendlichen für eine Stadt so wichtig?

Kinder und Jugendliche müssen soziale Kompetenzen wie Empathie, Toleranz, die Auseinandersetzung mit anderen Menschen lernen. In der Schule bekommen sie die teilweise nicht in der erforderlichen Tiefe vermittelt. Ein Integral in der Mathematik verändert nicht mein Verhalten anderen Menschen gegenüber. Dazu braucht es Lernfelder für junge Menschen und die bieten wir. Außerdem wollen wir Kids bei der Verwirklichung ihrer Interessen unterstützen, zum Beispiel bei der Suche und Gestaltung von Freiflächen, wo sie sich aufhalten können, oder auf der Suche nach einer Wand, wo sie Graffiti sprühen können, oder nach Räumen, wo sie tanzen oder Musik machen können. Also nach Räumen, wo sie eigene Erfahrungen sammeln können. Aber auch die Mitgestaltung der Politik durch Jugendliche ist wichtig für alle.

Was haben Sie selber aus den 25 Jahren Jugendarbeit mitgenommen?

Stark beeindruckt hat mich zu sehen, wie sehr ich mich manchmal in der Biografie von jungen Menschen getäuscht habe. Im Laufe der letzten Jahrzehnte sind mir immer wieder junge Menschen begegnet, bei denen ich damals nicht geglaubt hätte, dass sie die Kurve noch kriegen. Viele von ihnen führen heute ein glückliches und erfolgreiches Leben.

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