Jugendkammer nachsichtig:Von der U-Haft in die Klinik

20-jähriger Angeklagter bekommt nach Raubüberfall eine letzte Chance und muss sofort mit einer Drogentherapie beginnen

Von Alexander Kappen, Landshut

Die Liste der Auflagen war lang und der Vorsitzende Richter Oliver Dopheide ermahnte den Angeklagten eindringlich, dass er peinlich genau auf deren Einhaltung zu achten habe. Bernhard O. (Name geändert), der mit zwei Komplizen einen Raubüberfall in München begangen hatte, nickte mehrmals. Er schien verstanden zu haben, welche Chance ihm die Jugendkammer des Landshuter Landgerichts mit diesem Urteil gab. Die Richter reduzierten in der Berufungsverhandlung die zuvor vom Amtsgericht Erding ausgesprochene Jugendfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten auf zwei Jahre. Die Strafe für den 20-jährigen, drogenabhängigen Schüler aus Fahrenzhausen, der bereits seit einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt, wird zur Bewährung ausgesetzt.

Als Auflage ordnete das Gericht bei der Urteilsverkündung am Donnerstag unter anderem an, dass Bernhard O. sich umgehend in die Drogentherapieklinik in Gräfelfing begeben muss, für die er sich selbst einen Platz gesucht hat.

Bernhard O. hatte im März 2014 mit zwei anderen Tätern eine Frau in deren Münchner Wohnung überfallen, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren. Das Trio erbeutete Geld, Schmuck und Elektrogeräte im Wert von 800 Euro. Die beiden erwachsenen Mittäter erhielten in separaten Verfahren Haftstrafen von zweieinhalb und drei Jahren. Die zwei Jahre und acht Monate, die gegen den mehrfach vorbestraften Bernhard O. trotz des bei ihm angewandten Jugendstrafrechts ausgesprochen wurden, erschienen der Verteidigung im Vergleich dazu als zu hoch. Sie ging in Berufung - und hatte letztlich Erfolg.

Zu Beginn der Berufungsverhandlung am vergangenen Freitag sah die Jugendkammer laut Dopheide "die Chance als gering an, dass es zu einer Reduzierung der Strafe bis hinunter in den bewährungsfähigen Bereich kommt". Dass sie letztlich doch zu einem anderen Ergebnis gelangte, lag weniger daran, dass sie das erstinstanzliche Urteil gegen Bernhard O. im Vergleich zu seinen erwachsenen Komplizen als unverhältnismäßig angesehen hätte. "Die zwei Jahre und acht Monate waren nicht völlig aus der Welt", sagte der Richter bei der Urteilsbegründung, zumal Bernhard O. mehr Vorstrafen habe.

Man habe vielmehr "eine ergebnisorientierte Betrachtung vorgenommen", so der Richter. Ohne Untersuchungshaft wäre Bernhard O. bei einer Strafe von zwei Jahren und acht Monaten zunächst eineinhalb Jahre zur Zwangstherapie in den sogenannten Maßregelvollzug und im Erfolgsfalls dann auf Bewährung frei gekommen. Jetzt habe er bereits ein Jahr gesessen und komme nach einem weiteren halben Jahr in der freien Therapie frei. "Wenn er jetzt allerdings nach der U-Haft im eineinhalbjährigen Maßregelvollzug untergebracht wird, müsste er zweieinhalb Jahre und somit nahezu die gesamte Strafe verbüßen", rechnete der Richter vor: "Das ist nicht gerade eine Motivation für eine erfolgreiche Therapie."

Die Bewährung sei aufgrund des "von Schuldeinsicht getragenen Geständnisses" und der Tatsache, dass O. noch nie stationär therapiert worden sei, vertretbar. Der 20-Jährige wird nach der Therapie einem Bewährungshelfer unterstellt, muss dem Gericht nachweisen, dass er sich um eine Arbeitsstelle bemüht, darf keine Drogen nehmen und wird durch Blut- und Haarproben kontrolliert. Er muss sich zu einer Nachsorgetherapie bereit erklären und dem Überfall-Opfer 1000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

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