Jugend auf dem Land:Billard, Bowling, Beten

In Kirchdorf und Sünzhausen haben sich Ortsgruppen der Landjugend neu gegründet. Den Mitgliedern geht es dabei in erster Linie um die Gemeinschaft, das Katholische gehört einfach dazu - das Leben in der Stadt vermissen sie nicht.

Von Thomas Radlmaier

Stefan Springer ist 19 Jahre alt. Er kommt aus der kleinen Ortschaft Hirschbach im Ampertal. In dem Kirchdorfer Gemeindeteil wohnen etwa 140 Menschen. Für einen 19-Jährigen gibt es spannendere Plätze zum Leben. Doch Stefan Springer macht das nichts aus. "Mir gefällt es auf dem Land", sagt er, "hier kennen sich die Leute wenigstens noch untereinander". Er wolle nicht in der Stadt wohnen, möge es nicht, wenn rund herum so viel los ist. "Außerdem kennen Stadtbewohner oft nicht einmal ihre Nachbarn."

Stefan Springer ist der erste Vorsitzende der neugegründeten Kirchdorfer Landjugend. Er und die anderen 26 Mitglieder des Jugendvereins beweisen, dass sich nicht alle Jugendlichen, die auf dem Land in Dörfern wie Kirchdorf, Gammelsdorf oder Hörgertshausen wohnen, nach einem Leben in der Großstadt sehnen. Auch in Sünzhausen hat sich vor Kurzem eine katholische Landjugendorganisation neu gegründet. Deren Vorsitzender Vitus Schneider beobachtet schon seit längerem, dass sich wieder mehr Jugendliche auf dem Land in Landjugenden organisieren. In Sünzhausen habe er "einen Ansporn zur Gemeinschaftsbildung" wahrgenommen.

Die Landjugend Kirchdorf und die Landjugend Sünzhausen sind katholische Landjugenden. Sie bilden Ortsgruppen der bundesweiten Jugendorganisation "Katholische Landjugendbewegung Deutschlands" (KLJB). "Klar sind wir alle Katholiken", erklärt Springer, "doch es ist nicht so, dass wir jeden Sonntag in die Kirche gehen". Das Katholische gehöre zu einer Landjugend einfach dazu, reflektiert er und verweist auf den Gottesdienst beim Gründungsfest Anfang Juli.

Viele Mitglieder der neuen Landjugend aus Kirchdorf waren oder sind auch Ministranten. Irgendwann sei die Frage aufgekommen: "Was machen wir danach?", erinnert sich der Vorsitzende. In Kirchdorf sei im Prinzip für Jugendliche "nix los". "Bis auf den Sportverein gibt es hier wenig Freizeitaktivitäten." Die Idee zur Gründung einer Landjugend habe Springer über Ministrantentreffen aufgeschnappt. "Ich kenne viele Mitglieder der Landjugenden aus den umliegenden Gemeinden und wusste, wie das bei denen abläuft", erzählt der 19-Jährige. Schließlich habe er "ein paar Spezln" zusammen getrommelt. "Irgendwann waren wir zehn bis fünfzehn Leute und haben uns das ganze vorgenommen."

Seitdem treffen sich Springer und andere Jugendliche aus Kirchdorf jeden Montag und planen für kommende Aktivitäten oder verbringen einfach Zeit miteinander. Die Kirchdorfer Landjugend ist beispielsweise am Ferienprogramm des Dorfes beteiligt. Die Jugendlichen organisieren dafür eine Fahrt in den Münchner Tierpark Hellabrunn. Außerdem hat die Landjugend erst vor kurzem ihr eigene Gründung in Kirchdorf mit Gottesdienst, Umzug und Volksfest gefeiert. Daneben sammelten die Jugendlichen letztens das Altpapier der Kirchdorfer Haushalte ein. "Ansonsten entscheiden wir immer bei den Montagstreffen, was wir machen", verrät der Vorsitzende.

Ähnlich wie Springer beschreibt auch sein Pendant aus Sünzhausen die Gründungsphase der örtlichen Landjugend. "Ein paar Jugendliche haben sich in Dorfjugendgruppen zweimal in der Woche getroffen", erzählt Schneider, der gerade seine praktische Gesellenprüfung ablegt. Irgendwann sei dann der Wunsch nach einer festeren "Gemeinschaft" da gewesen. Gegenwärtig besteht die Landjugend Sünzhausen aus 15 Mitgliedern. "Es kommen aber noch zehn bis fünfzehn Leute dazu", verrät der 19-Jährige. Sie alle sind zwischen elf und 22 Jahre alt. Wie die Kirchdorfer treffen sich auch die Sünzhausener regelmäßig zum gemeinsamen Planen. "Wir spielen oft Billard oder fahren zum Bowling", sagt Schneider, "Dinge eben, die Jugendlich so machen".

Der Landesgeschäftsführer der KLJB-Bayern, Martin Wagner, möchte mit Blick auf die beiden Landjugend-Neugründungen in Sünzhausen und Kirchdorf dennoch nicht von einer "Renaissance der Landjugend in Bayern" sprechen. "Wir haben seit etwa zehn Jahren konstant 25 000 Mitglieder in Bayern", sagt er, "ein Trend nach oben ist nicht erkennbar". Dennoch bezeichnet Wagner das Konstantbleiben der Mitgliederzahl als "Erfolg" und verweist auf die ländliche Demografie.

"Es ist so, dass heutzutage junge Leute eher in die Städte ziehen", weiß er. Daher sei es auf jeden Fall erstaunlich, dass die Landjugend im Gegensatz zu anderen Jugendorganisation keine Mitglieder verliere. Freilich wären in den 70er Jahren noch "fünf mal so viele" in den Landjugenden aktiv gewesen. Doch der kontinuierliche Mitgliederschwund bei der Landjugend sei Ende der 90er Jahre zum Erliegen gekommen. Die KLJB-Bayern geht sogar davon aus, dass weitere 10 000 Jugendliche in Landjugenden aktiv sind, ohne fest angemeldet zu sein. "Viele machen einfach so mit und zahlen keine Beiträge", meint Wagner.

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