Jede Woche am Donnerstag kurz vor neun Uhr:Schichtbetrieb

Jede Woche am Donnerstag kurz vor neun Uhr: Im Einsatz für die gute Sache: Die Tafel-Helfer Franz Kühner, Renate Pritzl, Siegfried Stäuble, Therese Bauer, Elisabeth Sommer und Irene Kronfellner (von links).

Im Einsatz für die gute Sache: Die Tafel-Helfer Franz Kühner, Renate Pritzl, Siegfried Stäuble, Therese Bauer, Elisabeth Sommer und Irene Kronfellner (von links).

(Foto: Marco Einfeldt)

Seit zehn Jahren versorgt die Moosburger Tafel Bedürftige mit Nahrungsmitteln und Gebrauchsartikeln. Sowohl die Arbeitsabläufe der 45 freiwilligen Helfer als auch die Warenausgabe erfolgen nach einem ausgeklügelten System

Von Karlheinz Jessensky, Moosburg

Jede Woche donnerstags vor neun Uhr das gleiche Bild an einer städtischen Garage an der Bahnhofstraße. Zwanzig und mehr Personen warten ungeduldig, dass geöffnet wird. Man sieht ihnen an und entnimmt ihren Unterhaltungen, dass sie nicht gerade zu den zehn Prozent gehören, die in Deutschland 50 Prozent des Reichtums besitzen. Sie haben Stofftaschen und Tüten dabei und warten, dass ihnen in der Tafel Moosburg Nahrungsmittel und Dinge des täglichen Gebrauchs ausgehändigt werden. Am 5. Mai feiert die Tafel im Rotkreuzhaus ihr zehnjähriges Bestehen. Es wird sicher kein monstermäßig großer Festakt, denn eigentlich ist es traurig, dass in einem der reichsten Länder der Welt Menschen um ihr täglich Brot anstehen müssen.

Das ändert nichts an den Verdiensten der Menschen, die die Tafel vor einer Dekade aus der Taufe gehoben haben. Die Initiatoren waren die Caritas und das Bayerische Rote Kreuz, die damals um Mithilfe bei dem geplanten Tafel-Projekt warben. Mehr als 900 Tafeln gibt es in Deutschland, die regelmäßig 1,5 Millionen bedürftige Personen mit Lebensmitteln versorgen. Julia Schmidbauer und Brigitte Igel waren die ersten, die die Hand hoben und sich zur Mitarbeit bereit erklärten. Die Zahl der Helfer ist inzwischen auf etwa 45 gestiegen, die sich die anfallende Arbeit mit einer Dienstplanregelung teilen. Neun arbeiten jeweils mittwochs, wenn die Waren aus den Geschäften abgeholt, sortiert und hergerichtet werden. Dazu kommen noch Fahrer und Beifahrer im Tafel-Auto und fünf weitere Abholer in Privatautos. Und neun Mitarbeiterinnen und Helfer sind donnerstags zwischen neun und elf Uhr im Einsatz, wenn die Waren ausgegeben werden. Heute versorgt die Moosburger Tafel rund 130 Bedürftige, mit Partnern und Kindern sind es etwa 280.

Ihre Bedürftigkeit weisen die Kunden der Tafel gegenüber der Caritas-Bezirksstelle Moosburg nach. Diese überprüft Arbeitslosen- oder Rentenbescheid, auch Hartz-IV-Nachweise oder ähnliche Einkommensnachweise und stellt den Berechtigungsschein für den Einkauf bei der Tafel aus. 135 Ausweise sind im Moment ausgegeben.

"Wir haben Kunden, keine Spendenempfänger", sagt Julia Schmidbauer. In Wahrheit sind natürlich alle Sachen, die in der Tafel über den Tisch gehen, gespendet, von gut 30 Geschäften in Moosburg und der Umgebung, von Supermärkten, Metzgern, Bäckern oder Gemüsehändlern. Es sind Waren, die in Geschäften aus dem Regal genommen werden, weil sie an der Grenze der Haltbarkeit liegen, die aber allesamt brauchbar und verzehrbar sind. Die Ansprüche der Kunden in den Supermärkten sind hoch, und sie wollen immer nur das Feinste und Beste von allem. Ironisch könnte man sagen, die Kunden der Tafel profitieren von der Überfluss- und Wegwerfgesellschaft. Einen Kunden der Tafel stört es nicht, wenn die Banane ein Fleckchen hat oder der Salatkopf von gestern ist. Er hat keine hohen Ansprüche, sondern Hunger.

Wer bei der Tafel ein- und ausgeht, möchte aber kein Spenden- oder Almosenempfänger sein. Da hat jeder sein individuelles Schicksal, das es offensichtlich nicht gut mit ihm gemeint hat. Wie leicht landet man heute bei Hartz IV, hat den Job oder das Dach über dem Kopf verloren. Krankheit, Scheidung - und schon kann man ganz unten angekommen sein. Der Tafel-Kunde muss sich nicht auch noch als Bettler fühlen. Deshalb bezahlt jeder bei der Tafel einen Euro - einen einzigen nur - egal, wie groß der Einkauf gewesen ist. Ob dieser symbolische Euro allerdings viel am Selbstwertgefühl ändert, darf bezweifelt werden. Jedenfalls wird in der Tafel jedermann gerecht behandelt. Ob jemand nur für sich oder auch noch für andere Menschen in seinem Umfeld zu sorgen hat, ist den Helferinnen und Helfern bekannt. Die Waren sind nicht unerschöpflich, aber zu kurz kommt auch niemand. Man hat auch ein ausgeklügeltes System mit der Einteilung in drei Gruppen festgelegt, die im Wochenrhythmus durchwechseln. Jeder ist also alle drei Wochen einmal in der Gruppe, die zuerst Einlass hat und noch volle Regale vorfindet. Über die Zahl der Spendenbereiten kann sich Julia Schmidbauer, im Moment zumindest, nicht beklagen. Freilich bleibt nicht jede Woche in den Geschäften die gleiche Menge übrig.

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