30 Jahre nach Tschernobyl:Bayerisches Wild noch immer belastet

Wildschweine

Auch 30 Jahre nach dem Reaktorunfall im ukrainischen Tschernobyl ist das Fleisch von Wildschweinen radioaktiv belastet.

(Foto: dpa)

Weil Pflanzen und Pilze radioaktive Stoffe gespeichert haben, ist Fleisch von Wildschweinen weiterhin belastet. Jäger prüfen, ob der Grenzwert im Landkreis Freising überschritten wird.

Von Alexandra Vettori, Freising

30 Jahre ist es her, da explodierte im ukrainischen Tschernobyl ein Atomreaktor und radioaktive Wolken zogen über das Land. Bis heute weisen vor allem Waldböden, Pilze und Schwarzwild, also Wildschweine, erhöhte Strahlenwerte auf. Allerdings gibt es starke Schwankungen, regional und jahreszeitlich bedingt. Wer sich einen Überblick über die Belastung von Wild verschaffen möchte, ist auf die Jäger angewiesen, von behördlicher Seite her werden keine flächendeckenden Kontrollen durchgeführt. Für Schwarzwild ist lediglich eine Untersuchung auf Trichinen vorgeschrieben, keine auf radioaktive Belastung. Auch der Jägerverein Freising besitzt zwei Messgeräte, über 1000 Wildschweine hat man damit im Vorjahr getestet, 23 lagen über dem Grenzwert. Alle Jäger ließen ihre erlegten Schweine freiwillig messen, betont Vereinsvorsitzender Walter Bott, "es ist zwar keine Pflicht, aber wenn das Fleisch über dem Grenzwert belastet ist, greift die Produkthaftung."

In den Böden ist nach wie vor Radiocäsium

Bei 600 Becquerel pro Kilogramm Fleisch liegt der vom Gesetzgeber erlaubte Grenzwert für Wild. Tatsächlich weisen Proben in Bayern aber regelmäßig höhere Werte auf, zum Teil mehr als 10 000 Becquerel pro Kilogramm. Der Grund ist Radiocäsium, das der 1986 explodierte Reaktor in Tschernobyl zusammen mit vielen anderen radioaktiven Stoffen frei gesetzt hat. Radiocäsium hat mit rund 30 Jahren eine verhältnismäßig lange Halbwertszeit und ist deshalb noch im Boden vorhanden.

Mit den Jahren gelangte es in tiefere Schichten und wurde vor allem auf Waldböden von Pflanzen und Pilzen gespeichert. Diese wiederum fressen Wildtiere, nehmen das Radiocäsium auf, speichern es teils, vor allem in Muskelfleisch und Organen, scheiden es aber auch wieder aus. Neben den regionalen Schwankungen gibt es so auch jahreszeitlich bedingte Unterschiede, je nachdem, ob die Wildtiere mehr Gras oder mehr Waldfrüchte fressen. Dass Schwarzwild vergleichsweise hohe Strahlungswerte aufweist, erklärt man damit, dass Wildschweine in der Erde wühlen und auch unterirdisch wachsende Nahrung wie Wurzeln oder Hirschtrüffel aufnehmen.

Walter Bott weiß, wo es damals geregnet hat

Wo es damals nach Tschernobyl geregnet hat, weiß Walter Bott vom Freisinger Jägerverein, "da ist viel Radiocäsium im Boden, wir hier im Landkreis Freising sind vergleichsweise glimpflich davon gekommen." Trotzdem nehmen es die Jäger laut Bott genau mit den Messungen. "Wir haben ein Messgerät im Süden des Landkreises und eines in Haindlfing. So können wir flächendeckend arbeiten", erklärt er. 1013 erlegte Sauen haben die Freisinger Jäger im Vorjahr gemessen, 23, erzählt Bott, seien über dem Grenzwert gelegen. Der Großteil weise zwischen 50 und 60 Becquerel pro Kilogramm Fleisch aus. Landmetzgereien, die Wildfleisch von lokalen Jägern verkaufen, hängen in der Regel die Mess-Protokolle im Laden aus.

500 Gramm Muskelfleisch sind laut Bott für eine Messprobe nötig, im Winter, wenn die Wildschweinjagd in vollem Gange ist, teste man im Durchschnitt 20 Proben am Tag. "Jeder Jäger hier lässt messen", sagt Bott, "weil wenn er belastetes Fleisch in den Verkauf gibt, ist er dran." Dazu gebe es keinerlei finanziellen Anreiz, verstrahltes Fleisch unter die Leute zu bringen. Denn die Jäger enthalten eine Entschädigung vom Staat, wenn sie das entsprechende Messprotokoll und den Entsorgungsnachweis in der Tierkörperverwertung vorlegen.

Seit Jahren sammelt der Bayerische Jagdverband Daten zur radioaktiven Belastung und leitet sie an das Umweltministerium weiter. Veröffentlicht werden sie jedoch nicht. Das gilt nur für staatliche Stichproben, die unter anderem das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit durchführt.

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