Integrationstheater in Hallbergmoos:Von Helden und Schurken

Integrationstheater in Hallbergmoos: Voll war die Tribüne des neuen Hallberger Amphitheaters an beiden Abenden, an denen "Siegfried" auf der Seebühne gegeben wurde.

Voll war die Tribüne des neuen Hallberger Amphitheaters an beiden Abenden, an denen "Siegfried" auf der Seebühne gegeben wurde.

(Foto: Marco Einfeldt)

Junge Flüchtlinge, Schauspieler, Nachwuchsringer und Musikschüler führen auf der Hallbergmooser Seebühne die Sage von Siegfried, dem Drachentöter auf. Dabei fehlt es nicht an Bezügen zum aktuellen Weltgeschehen.

Von Alexandra Vettori, Hallbergmoos

Dramatischer hätte die Kulisse kaum sein können, als am Sonntagabend die zweite Vorstellung des Epos "Siegfried" auf der Hallberger Seebühne lief. Dicke Gewitterwolken türmten sich im Hintergrund, während vorne die bunte kleine Theatergruppe ihre Version der Heldengeschichte vor fast voller Seebühne zeigte. Mit den beiden Aufführungen hat am Wochenende das neue Amphitheater im Hallbergmooser Freizeitpark endlich seine Weihe bekommen.

Eine gelungene Mischung war das, aus scheinbarer Improvisation, Abstraktion, Musik, aus echten Schauspielern wie Lionel Poutaire Somé, der nicht nur einen Sprecher mimte, sondern die Handlung mit einem Rap-Song auflockerte. Dazu kamen engagierte Laien, wie die jungen Flüchtlinge, die Ringer oder die Musikschüler. Für Text und Regie zeichnete Thomas George verantwortlich, dem mit dem Musiktheaterprojekt "Siegfried" ein unterhaltsames, streckenweise lustiges, aber auch zum Nachdenken anregendes Stück gelungen ist.

Etwa, wenn der wirklich gruselig böse Alberich, hervorragend gespielt von Erwin Aljukic, einem kleinwüchsigen Schauspieler, von seinem Reich schwärmte, in dem die totale Überwachung herrscht, und in dem er das seltene Erz Koltan abbauen lässt, mit dem er viel Geld verdient, weil, so erklärte er dem Publikum: "Es steckt in euren Handys, euren Laptops und euren Spielkonsolen." Die Mitwirkung von Flüchtlingen legte es nahe, nicht nur machtlüsterne Potentaten wurden in "Siegfried" thematisiert, auch die Flüchtlingsströme in der Welt, hervorgerufen nicht nur durch eine ungerechte Weltwirtschaft, sondern auch durch Klimakatastrophen. Ein bisschen Gesellschaftskritik schwang mit, wenn auch mit belustigtem Unterton, etwa wenn Wotans Strafe für die ungehorsame Walküre Brünhilde "das öde Leben einer Hausfrau" ist. Personell ebenso überzeugend wie herzerfrischend war der junge Siegfried, wie er da auf seinen mit Panzertape und Styroporlagen offensichtlich selbst gebastelten Plateau-Schuhen einherschritt, die kuscheligen Federflügeln hinterher wippend. So strotzend vor jugendlicher Kraft und so bar jeder Angst war Paul Rentz als Siegfried, dass der junge Ringer eine wirklich überzeugende Heldenfigur abgab.

Die Idee zum Stück hatte der Freisinger Bühnen- und Kostümbildner Thomas Goerge, der erst kürzlich an der Oper in Trier beim "Ring des Nibelungen" mitarbeitete, und das Thema mit in seine Heimatgemeinde Hallbergmoos nahm. Zum örtlichen Kultursommer wollte er deshalb die Geschichte von Siegfried dem Drachentöter auf die Bühne bringen, und zwar mit Ringern des gleichnamigen Vereins SV Siegfried und mit jungen Flüchtlingen, die im nahen Haus Chevalier in Birkeneck untergebracht sind. Es haben dann noch Musikschüler mitgemacht und besagte Schauspieler, auch mit Behinderungen, und so wurde aus Siegfried ein multikulturelles, integratives und multithematisches modernes Theaterstück, das viele zeitgenössische Themen anschnitt. Jetzt ist sogar die Bertelsmann-Stiftung darauf aufmerksam geworden und hat Siegfried eingeladen, beim Wettbewerb bundesweiter Integrationsprojekte teilzunehmen.

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