Integration durch Arbeit:Zimmerer aus Pakistan

Die Innungen im Landkreis Freising wollen Flüchtlingen eine Handwerksausbildung ermöglichen. Weil immer mehr Lehrstellen unbesetzt bleiben, würden beide Seiten profitieren. Doch es gibt Hindernisse

Von Christoph Dorner, Freising

Am Ende haben die etwa 50 Asylbewerber, die an diesem Mittwochnachmittag mit ihren Betreuern in die Zentrale der Freisinger Kreishandwerkerschaft nach Lerchenfeld gekommen sind, ein Dokument der Hoffnung vor sich liegen. Sie alle haben einen Fragebogen ausgefüllt, auf dem sie ihre beruflichen Vorkenntnisse, die Schulausbildung und eine Berufsvorstellung für die Zukunft notiert haben. Nicht viel Information, aber immerhin ein Anfang. Damit will ein Bündnis aus Ausbildungsbetrieben und dem Betreuungsnetzwerk für Flüchtlinge in den kommenden Wochen arbeiten. Das Fernziel: Möglichst vielen Asylbewerbern vielleicht noch in diesem Jahr zu einem Ausbildungsplatz zu verhelfen.

Martin Reiter, Vorsitzender der Kreishandwerkerschaft und Obermeister der Bauinnung Freising-Erding, bringt es auf den Punkt: "Wir möchten Ihnen dabei helfen, sich in Deutschland eine Zukunft aufzubauen. Und dazu gehört Arbeit." Zu Beginn liegt noch ein Blatt Papier vor den Flüchtlingen auf den Tischen. Eine Tabelle mit einer kurzen Beschreibung und der jährlichen Durchschnittsvergütung der Handwerksberufe, die man im Landkreis erlernen kann - vom Anlagemechaniker bis hin zum Zimmerer.

Integration durch Arbeit: Etwa 50 Asylbewerber aus dem Landkreis Freising kamen am Mittwoch mit ihren Betreuern in die Zentrale der Kreishandwerkschaft.

Etwa 50 Asylbewerber aus dem Landkreis Freising kamen am Mittwoch mit ihren Betreuern in die Zentrale der Kreishandwerkschaft.

(Foto: Marco Einfeldt)

Reiter nennt derweil weitere Zahlen. 2700 Handwerksbetriebe mit 11 600 Beschäftigten würden im Landkreis Freising einen Jahresumsatz von 1,3 Milliarden Euro erwirtschaften. Außerdem lernten derzeit 800 Auszubildende in den Betrieben - und es könnten noch viel mehr sein. Dass die Handwerksbetriebe in Bayern zunehmend Schwierigkeiten haben, ihre Lehrstellen zu besetzen, sagt Reiter an dieser Stelle aber nicht. Allein im vergangenen Jahr war auch im Landkreis Freising jeder vierte Ausbildungsplatz nicht besetzt. Die Sorge um eine langfristige Zukunft des lokalen Handwerks schwingt an diesem Tag also auch mit.

Die Obermeister der Handwerksinnungen haben zu dem Termin ihr Informationsmaterial mitgebracht, das sich in der Vergangenheit bewährt hat: Image-Filme, Aufsteller, Flyer - alles gespickt mit schönster deutscher Berufsfachsprache. Doch vor ihnen sitzen an diesem Mittwochnachmittag keine angehenden Haupt- oder Realschulabsolventen, die bei den Videos und Kurzvorträgen wenigstens bei Ausbildungsinhalten und der Vergütung hellhörig werden, sondern Flüchtlinge aus dem Mittleren Osten und aus Schwarzafrika: größtenteils ohne grundlegende Deutschkenntnisse, teils noch ohne orientierenden Berufsschulunterricht oder ein Schnupperpraktikum. Und - auch das ist natürlich ein Problem - ohne Computer und Internetanschluss in ihren Unterkünften.

Integration durch Arbeit: Martin Reiter, Vorsitzender der Kreishandwerkschaft, hat den Flüchtlingen bei der Veranstaltung als Obermeister das Baugewerbe vorgestellt.

Martin Reiter, Vorsitzender der Kreishandwerkschaft, hat den Flüchtlingen bei der Veranstaltung als Obermeister das Baugewerbe vorgestellt.

(Foto: efm)

Keine allzu guten Voraussetzungen also für eine weiterführende Berufsorientierung. Dennoch versuchen die anwesenden Obermeister, den Flüchtlingen ihre Ausbildungsberufe auf eine einfache Weise zu vermitteln. Einige Obermeister wie etwa Georg Lachermeier von der Friseur-Innung oder Daniel Kammerer von der Innung für Rollladen und Sonnenschutz halten ihren Vortrag kurzerhand in Englisch und bekommen dafür einen kleinen Zwischenapplaus. Andere Obermeister können sich nur entschuldigen: "My english is not so good." Gleichwohl betont Ingrid Link von der Berufsschule Freising, dass das Erlernen der deutschen Sprache die wichtigste Voraussetzung für eine Berufsausbildung sei. Denn am Arbeitsplatz werde ausschließlich Deutsch gesprochen. Hier dürfe man den Asylbewerbern auch keine falschen Vorstellungen vermitteln. Hans Graf, ebenfalls von der Berufsschule, bemerkt, dass man auf Seiten der Betriebe im Umkehrschluss auch viel Geduld für die Flüchtlinge aufbringen müsse, die aber in kurzer Zeit oft bemerkenswerte Lernfortschritte machen würden.

Ein auf ganz eigene Art wertvoller Kurzbeitrag kommt von Christoph Karmann, der als Ausbildungsakquisiteur bei der Handwerkskammer arbeitet. Er redet ganz langsam und mit einladender Geste. Karmann ist wichtig, dass die Flüchtlinge die deutsche Ausbildungskultur mit dem dreijährigen, aufbauenden Lernen in Betrieb und Berufsschule auch wirklich verstanden haben. Das Fordern und Fördern.

Am Ende gelingt es Karmann sogar, den Flüchtlingen aus der Seele zu sprechen: "Ich weiß, es ist hier sehr schwer für sie. Und es wird schwer für sie bleiben. Aber es wird auch immer besser werden." Danach geht ein erleichtertes Seufzen durch die Runde.

Asyl und Arbeit

Der Deutsche Bundestag hat im Dezember 2014 die rechtliche Stellung von Asylbewerbern verbessert. Seither dürfen Asylbewerber und Geduldete nach drei Monaten arbeiten, falls es für die entsprechende Stelle keinen geeigneten EU- oder deutschen Bewerber gibt. Sie können sich auch bundesweit für einen Job bewerben. Bisher betrug die Frist neun Monate. In Zukunft soll die sogenannte Vorrangprüfung nach 15 Monaten wegfallen. Der Wirtschaft geht das nicht weit genug. Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, sagte der Welt am Sonntag, es sei sinnvoll, Asylsuchenden spätestens ab dem sechsten Monat eine Beschäftigungsaufnahme ohne Vorrangprüfung zu erlauben. Flüchtlinge, die bereits geduldet werden, sollten sofort ohne Einschränkung arbeiten dürfen. Die CSU forderte bei ihrer Klausurtagung im Januar in Wildbad Kreuth in einem bildungspolitischen Papier, das Aufenthaltsrecht für jugendliche Asylbewerber auszuweiten: "Gut integrierten unbegleiteten Jugendlichen muss die Möglichkeit gegeben werden, eine in Deutschland begonnene Ausbildung auch abzuschließen", hieß es in dem Entwurf. Die CSU will jungen Flüchtlingen einen sicheren Aufenthaltsstatus garantieren, solange sie sich in der Ausbildung befinden. "Wir setzen uns dafür ein, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die sich in Deutschland weiterbilden und beruflich qualifizieren wollen, der Weg zu einem Schulabschluss und einer dualen Ausbildung offensteht." CDO

Younas Muhamad mag seinen Frust am Ende der Veranstaltung dann dennoch nicht verbergen. Der 27-jährige Pakistaner hat in seiner Heimat einen Bachelor-Abschluss erworben. Und er hat eine dreijährige Ausbildung in einem Textillabor abgeschlossen, ehe er fliehen musste. Er sagt: "Zweieinhalb Jahre habe ich schon auf eine solche Veranstaltung gewartet. Für mich war das hier heute nur eine politische Zeremonie."

Dem widerspricht Gisela Kurkowiak, die in der Gemeinde Nandlstadt die Asylbewerber betreut. Sie glaubt, dass viele der Anwesenden einen ersten Eindruck von den Ausbildungsberufen gewonnen hätten. Kurkowiak beklagt aber auch, dass es für Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, noch zu viele Hürden gäbe, etwa einen Praktikumsplatz zu bekommen.

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