Infoveranstaltung zu Asylbewerbern in Attaching:"Habt nicht so viel Angst"

Infoveranstaltung zu Asylbewerbern in Attaching: Der ehemaliger Baumarkt Praktiker wird zum Erstaufnahmelager für Asylbewerber.

Der ehemaliger Baumarkt Praktiker wird zum Erstaufnahmelager für Asylbewerber.

(Foto: Marco Einfeldt)

Der Praktiker-Markt in Attaching soll zur Erstaufnahmeeinrichtung für maximal 500 Flüchtlinge werden. Die Anwohner machen sich Sorgen um ihr Sommervergnügen und die Sicherheit ihrer Kinder.

Von Kerstin Vogel, Freising

Die nüchternen Fakten waren an diesem Abend schnell aufgelistet: Der Besitzer des ehemaligen Praktiker-Marktes in Attaching will das Gebäude als Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge an den Landkreis Freising vermieten. Maximal 500 Schutzsuchenden könnte hier nach einigen Umbauten, bei denen das THW hilft, Platz geboten werden. Der entsprechende Bauantrag liegt noch bei der Stadt Freising. Seit einer kürzlich erfolgten Änderung des Baurechts ist eine Unterbringung von Asylbewerbern in Gewerbegebieten möglich, so dass es rechtlich keine Möglichkeit gibt, das Projekt zu verhindern, wie Bürgermeister Hans Hölzl den Attachingern am Donnerstag bei einer Informationsveranstaltung erklärte.

Der Mietvertrag werde zunächst für ein Jahr abgeschlossen, maximal könne die neue Nutzung drei Jahre andauern, ergänzte Dorina Lehmann, die im Landratsamt für die Erstaufnahmeeinrichtungen zuständig ist. Sie erläuterte auch die Besonderheiten, die in so einer Unterkunft gelten: Hier würden Flüchtlinge untergebracht, die gerade erst in Deutschland angekommen seien. Sie würden "Busseweise" ankommen und dann zunächst beim Gesundheitsamt auf mögliche ansteckende Krankheiten untersucht. Anschließend blieben sie im Schnitt sechs Wochen in der Attachinger Einrichtung, bevor sie auf Unterkünfte in ganz Deutschland verteilt würden, so Lehmann. Das Landratsamt stelle den Schutzsuchenden "Sachleistungen" wie ein Bett, einen Spind, Geschirr oder Bekleidung aus der Kleiderkammer zur Verfügung. Für das Essen sorge ein Caterer, für einen geregelten Ablauf innerhalb der Unterkunft sei ein Security-Service zuständig. Außerdem kümmerten sich ein Hausverwalter und zwei Asylsozialberater der Behörde um die Flüchtlinge, erläuterte Lehmann weiter. Geld bekämen die Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtungen in der Zeit, in der sie hier seien, nicht, beschwichtigte ihre Kollegin Irmgard Eichelmann einen Zwischenrufer, der vermutet hatte, die Flüchtlinge würden mit einem "Taschengeld" ausgestattet.

Überhaupt mussten die beiden Vertreterinnen der Behörde einmal mehr diffuse Ängste der etwa hundert Besucher der Informationsveranstaltung beschwichtigen. Ein Raunen war durch die Gaststube der Sportgaststätte gegangen, als die Zahl von 500 Bewohnern genannt worden war. "Wissen sie eigentlich, wie viele Einwohner unsere Ortschaft hat", empörte sich einer - und auch ÖDP-Kreisrat Helmut Priller fragte, ob bei 800 Erwachsenen in Attaching und 500 Asylbewerbern in der unmittelbaren Nachbarschaft die Verhältnismäßigkeit noch gegeben sei.

Eine junge Frau sorgte sich, ob sie sich im Sommer noch unbehelligt in ihrem Garten am Pool wird sonnen können, eine Mutter fragte, wie sie ihre Mädchen in Zukunft in die Schule schicken solle. Sie hatte offenbar Bedenken, dass in dem Bus, den ihre Kinder benutzen, auch Flüchtling sitzen könnten. Ein anderer Besucher äußerte die Befürchtung, dass etwas passieren könnte, "wenn die Badesaison an der Stoibermühle losgeht und die Asylbewerber da zu Fuß hingehen können".

Eichelmann gab sich alle Mühe, die Befürchtungen zu zerstreuen. Natürlich würden die Bewohner der Unterkunft aufgeklärt, wie sie sich in Deutschland zu verhalten hätten, sagte sie. Bürgermeister Hölzl ergänzte, dass es für alle, die sich etwas zuschulden kommen ließen, immer noch "eine Polizei und Gesetze gibt, die einzuhalten sind". Nachdem es sich um eine Erstaufnahmeeinrichtung handele, müssten die Menschen, die dort vorübergehend untergebracht seien, auch nicht in den Ort integriert werden, für ihre Kinder bestehe hier keine Schulpflicht und sie würden auch keine Kindergartenplätze in Anspruch nehmen, sagte Eichelmann. Der Lebensmittelpunkt der Flüchtlinge werde wohl der Praktiker sein, ansonsten würden sie sich wegen nötiger Behördengänge und ähnlichem eher nach Freising orientieren. Eichelmann: "Das sind ganz normale Menschen, die da kommen. Sie brauchen keine Angst zu haben, die haben wenig Interesse in den Ort zu gehen und da Ärger zu machen." In der Turnhalle in Eching würden seit Monaten 240 männliche Asylbewerber leben - "und es ist kein einziger Schüler belästigt worden."

Dass viele Attachinger auch bereit sind, zu helfen, zeigte sich zum Ende der Veranstaltung, als Andrea Buchberger von ihren Erfahrungen aus dem Unterricht für die im Ort lebenden Asylbewerber berichtete: "Das sind nette Frauen, Männer, Kinder, die sich freuen, wenn sie jemanden kennenlernen", sagte sie. Ein anderer Helfer, der mit den Flüchtlingen Sport treibt, bestätigte, dass ihm noch keiner negativ aufgefallen sei. "Habt nicht so viel Angst", appellierte er an die Attachinger - und auch Stadträtin Monika Riesch rief ihre Mitbürger zur Toleranz auf. Klar habe auch sie Bedenken, dass etwas vorfallen könnte. Andererseits gehe es hier um Menschen, die Hilfe brauchen, sagte sie: "Wir sollten ihnen offen begegnen."

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