Mehr Druck auf die Eltern:Kindergärten müssen Impfverweigerer melden

Impfpass - Masern, Mumps und Röteln

Wenn Eltern die Impfberatung verweigern, müssen Kitas dies zukünftig den Gesundheitsämtern melden.

(Foto: Marius Becker/dpa)

Im Landkreis stößt die Idee des Bundesgesundheitsministers, wonach Kindergärten Impfmuffel melden sollen, auf geteilte Meinungen. Nach wie vor bleibt vor allem die Impfung gegen Kinderkrankheiten eine Glaubenssache.

Von Gudrun Regelein und Marlene Krusemark, Freising

Die Fronten beim Thema Impfen sind verhärtet. Gesundheitsexperten raten seit Jahren nachdrücklich zur Impfung, dennoch sind noch immer nicht alle Kinder und Erwachsene ausreichend geschützt. Derzeit verbreiten sich die Masernviren wieder: In den ersten vier Wochen des Jahres 2017 wurden mehr als 40 Erkrankungen gemeldet - auch in Bayern gibt es Fälle.

Im Landkreis erkrankte zwar noch niemand, aber auch hier ist das von der WHO angestrebte Ziel von 95 Prozent - das ist die für die Ausmerzung der Krankheit erforderliche Quote - bei der Zweitimpfung noch nicht erreicht. Sie liege bei 91 bis 92 Prozent, berichtet Lorenz Weigl, Leiter des Gesundheitsamts Freising. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will nun den Druck auf die Eltern erhöhen. Er kündigte in der vergangenen Woche ein neues Gesetz an, wonach Kitas in Zukunft den Gesundheitsämtern melden müssen, wenn diese die Impfberatung verweigern. Diese hätten dann die Möglichkeit, gezielt auf die Eltern zuzugehen. "Das bedeutet aber keine Impfpflicht", so Weigl. Der Nachweis erfolge durch die Vorlage des Heftes für Voruntersuchungen für Kinder und Jugendliche, auch bei diesen sei eine Impfberatung durch den Kinderarzt vorgesehen. Das Gesundheitsamt versuche bereits seit Jahren, durch Aufklärung, Informationen und Kampagnen die Impfrate zu erhöhen. Jetzt müsse erst abgewartet werden, ob die neue Vorlage vom Bundesgesundheitsministerium erfolgreich sei, meint Weigl. "Wie diese von uns dann umgesetzt werden soll, ist derzeit noch nicht bekannt."

Karin Vinzens vom Kindergarten Spatzennest Allershausen hält den Mehraufwand, den es für die Kitas bedeuten würde, eine elterliche Weigerung beim Gesundheitsamt zu melden, für nicht erheblich. Er sei sinnvoll, denn in ihren Augen sei bei vielen Eltern eine Aufklärung notwendig: "Viele Krankheiten, von denen man gedacht hatte, es gäbe sie gar nicht mehr, tauchen plötzlich wieder auf." Kinder sollten dagegen durch eine Impfung geschützt werden, findet sie. Ganz anders sieht das Rüdiger Maul, Leiter vom Naturwaldkindergarten Zwergenwinkel Freising. Er hält die Meldepflicht für unnötig: "Wir leben in so einer hygienischen Gesellschaft, das ist ja nicht Südostafrika hier", meint er. Maul lässt sich bei Neuaufnahmen das Untersuchungsheft zeigen und weist darauf hin, dass das ärztliche Beratungsgespräch besucht werden müsse. Eine Verschärfung der Regelung hält er aber für nicht richtig: "Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit steht über allem." Seine eigenen Kinder habe er nicht impfen lassen - und "die sind auch groß geworden".

"Das ist reiner Aktionismus und führt zu einem bürokratischen Wahnsinn"

In der Freisinger Kinderarztpraxis von Udo Rampf liegt die Zahl der Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen wollen, im einstelligen Bereich. Dennoch gebe es auch Diskussionen, er müsse bei manchen Überzeugungsarbeit leisten. "Ich kann die Impfungen aber nur mit Nachdruck empfehlen", sagt er. Letztendlich müsse man respektieren, dass jeder seine eigene Meinung habe. "Wenn die Familie wiederkommt, kann man weiter diskutieren und im Laufe der Zeit versuchen, deren Meinung zu verändern." Von einer gesetzlichen Reglementierung hält Rampf aber nichts: "Das ist reiner Aktionismus und führt zu einem bürokratischen Wahnsinn." Deshalb werde niemand sein Kind impfen lassen, ist sich der Kinderarzt sicher. Thomas Bauer, Apotheker in Freising, ist dagegen ein erklärter Impfkritiker.

Gegen eine Impfberatung habe er nichts, wenn diese vernünftig und ausgewogen wäre. Aber: "Ziel der Beratung ist ja, dass geimpft wird. Und deshalb wird bei dieser leider häufig Angst vor gefährlichen Infektionskrankheiten oder auch ein schlechtes Gewissen gemacht", sagt Bauer. Ihn ärgere diese Panikmache, denn bei den jüngsten Masernausbrüchen beispielsweise seien ein Großteil der Erkrankten bereits ein- oder zweimal geimpft gewesen. Auch habe eine Studie des Robert-Koch-Instituts gezeigt, dass geimpfte Menschen kränker seien, beispielsweise häufiger an Asthma oder Neurodermitis erkrankten. Auch seine Kinder seien nicht geimpft. "Übrigens hatten alle fast alle Kinderkrankheiten. Und haben sie ohne Komplikation durchlebt."

Der Leiter des Freisinger Gesundheitsamts aber hält das Erreichen des WHO-Ziels einer Impfrate von 95 Prozent für notwendig: Bei Masern beispielsweise könne es zu schweren Komplikationen wie Mittelohr-, Lungen- oder Hirnentzündungen kommen, warnt Lorenz Weigl. Impfnebenwirkungen seien wesentlich geringer.

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