Im weniger Bauern im Landkreis:Beton verdrängt Wiesen und Felder

Im weniger Bauern im Landkreis: Geht der Flächenverbrauch im Landkreis Freising so weiter, gehören blühende Klatschmohnfelder irgendwann der Vergangenheit an.

Geht der Flächenverbrauch im Landkreis Freising so weiter, gehören blühende Klatschmohnfelder irgendwann der Vergangenheit an.

(Foto: Marco Einfeldt)

Setzt sich der Flächenverbrauch ungehindert fort, dann gibt es irgendwann im Landkreis keine Ackerflächen mehr

Von Gudrun Regelein, Landkreis

Wenn es mit dem Flächenverbrauch im Landkreis so weitergehe wie in den vergangenen 40 Jahren, dann werde es in nicht einmal 300 Jahren keine Landwirte mehr geben. "Dann haben wir keinen Quadratzentimeter Nutzfläche mehr", warnte Georg Schmid, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, kürzlich bei einem Informationsgespräch zur Erntesituation bei Marzling. Auch hier, im noch ländlich-idyllischen Goldshausen, werde es früher oder später keine Felder mehr geben - langfristig werde hier wohl Baugebiet entstehen, denn Marzling als Speckgürtel Freisings sei ein beliebter Wohnort, vermutet Schmid.

Tatsächlich sei der Flächenverlust in Oberbayern - und gerade auch in Freising und Erding - überproportional hoch, bestätigt Anton Mitterer vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Erding. Autobahnen, Straßen, Bau- und Gewerbegebiete, der Flughafen: alles mit einem riesigen Flächenbedarf. "Das tut der Landwirtschaft extrem weh." Daneben seien die relativ hohen Pacht- und Kaufpreise ein großes Problem, sagt Mitterer. Selbst wenn sich ein Landwirt neue Flächen kaufen möchte, könne er das - wenn er überhaupt noch etwas findet - kaum finanzieren. Auch für die Bauern, die für ihre verloren gegangenen Felder Entschädigungszahlungen bekommen, sei das Angebot nur äußerst gering. "Geeignete Flächen zu finden ist sehr schwierig", berichtet Mitterer. Laut Toni Wollschläger, Freisinger Grünen-Kreisrat und Landwirt, gehen der Landwirtschaft in Bayern täglich zwischen 18 und 20 Hektar verloren, im Landkreis Freising sind es 150 Hektar im Jahr. Dazu kämen dann noch die Ausgleichsflächen, bis zu sechs Hektar seien das jeden Tag in Bayern. Der Bau der dritten Startbahn werde über 1000 Hektar beanspruchen, "eine irre Zahl", sagt Wollschläger. Setze sich der derzeitige Flächenverbrauch fort, dann gebe es in 287 Jahren im Landkreis keine Ackerfläche mehr, "alles wäre komplett zugebaut". Auf der Landwirtschaft in der Boomregion München mit einer Vielzahl an Infrastrukturmaßnahmen laste ein "unglaublicher Flächendruck", sagt Wollschläger. "Und der wird auf die Landwirte noch massiv steigen." Bereits jetzt seien über 60 Prozent Pachtbetriebe, der Grund gehöre dem Bauer nicht. Wenn aber nun eine Gemeinde gerne ein Gewerbegebiet hätte und einem Grundbesitzer ein lukratives Angebot mache, so werde dieser kaum "Nein" sagen, meint der Kreisrat.

"Im Landkreis Grund zu besitzen ist mittlerweile ein Vermögen wert." Grundstücke seien zu Spekulationsobjekten geworden. "Grund und Boden sind hier ein sehr knappes Gut", sagt Wollschläger. Die Landwirte bekämen das zu spüren. In den vergangenen 40 Jahren, sagt Kreisobmann Georg Schmid, sei die landwirtschaftliche Fläche nämlich bereits um 0,3 Prozent geschrumpft. Und immer mehr Grund gehe verloren, auch wegen der vielen Straßenbaumaßnahmen. Thomas Kohl, Obmann der Stadt Freising des Bauernverbands, wird wegen der geplanten Nordostumfahrung beispielsweise etwa 20 Prozent seiner Fläche verlieren: Seine eigentlich viereckigen Felder werden durch die Umfahrung zerschnitten und in Dreiecke zerteilt. Drei Hektar von seinen eigenen 22 wird er abgeben müssen und dazu noch einmal drei weitere von seinen Pachtflächen. Geld wollte er für seinen eigenen Grund nicht, erzählt Kohl. "Ich will Ausgleichsfläche." Die hat er nun auch bekommen, in sieben Kilometer Entfernung in Hangenham. Alles werde nun komplizierter für ihn werden, sagt Kohl. Ans Aufgeben denkt er dennoch nicht, er sei mit Leib und Seele Landwirt. Auch, wenn die Regierung von Oberbayern ihn in einer Antwort zu seiner Einwendung zur Nordostumfahrung als "existenzgefährdet" eingestuft habe.

Schmid sieht zwar die Notwendigkeit der Straßenbaumaßnahmen, aber er würde sich wünschen, dass Planer und Architekten sorgsamer und sparsamer mit der Fläche umgingen. "Die wird verbraten." Bereits durch eine sinnvollere Planung aber, die nicht nur am Reißbrett stattfindet, sondern auf örtliche Gegebenheiten eingeht, könnte dem wachsenden Flächenschwund entgegengesteuert werden, meint Schmid.

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