Im digitalen Zeitalter:Wie man sich Leseratten heranzieht

Susanne Beck

Zum Lesen kommt Susanne Beck, Leiterin der Freisinger Stadtbücherei, eigentlich nur im Urlaub. Dann packt sie zwei Exemplare ins Gepäck ein.

(Foto: Lukas Barth)

70 500 Bücher und 20 700 audiovisuelle Medien befinden sich in der Freisinger Stadtbücherei. Leiterin Susanne Beck will das Angebot attraktiv gestalten, damit Kinder und Jugendliche nicht nur auf ihr Smartphone schauen

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Ruhig ist es in der Freisinger Stadtbibliothek: Nur wenige schmökern an diesem Dienstagvormittag in den Büchern oder suchen in Regalen. Etwa 6400 Leser kommen momentan in die Bibliothek. Auswählen können sie zwischen 70 500 gedruckten Büchern und 20 700 audiovisuellen Medien und Spielen. Gegründet wurde die Bibliothek in den Fünfzigerjahren. Eine Bücherei gab es in Freising schon während der NS-Zeit - allerdings mit einer sehr ideologischen Prägung, erzählt Susanne Beck. Im Gespräch mit der SZ berichtet die Leiterin außerdem noch, wie man Kinder im Smartphone-Zeitalter fürs Lesen begeistern kann - und weshalb sie selber nur noch selten dazu kommt.

SZ: Frau Beck, gibt es eigentlich noch die klassische Leseratte?

Susanne Beck: Ja, die gibt es noch. Vielleicht sind es im Laufe der Jahre ein paar weniger geworden, weil sich doch einige ihre Informationen über das Internet holen. Aber es gibt durchaus noch viele Menschen, die mit Begeisterung Bücher lesen. Auch Kinder und Jugendliche übrigens.

Wie führt man Kinder ans Lesen heran?

Wichtig ist natürlich, dass unser Medienangebot interessant bleibt, aktuell ist und nicht nur Klassiker wie Lindgren bietet. Daneben haben wir viele andere Veranstaltungen und Angebote, die Kindergarten- und Schulführungen beispielsweise, das Infopaket Lesestart für dreijährige Kinder, den Sommerferien-Leseclub, Autorenlesungen, Vorlesenachmittage oder die Büchersafari. Wir versuchen, die Schwelle so niedrig wie möglich zu halten, um möglichst viele Kinder zu erreichen. Für Jugendliche und Erwachsene, die nicht gerne lesen oder sich mit dem Lesen schwertun, bieten wir jetzt auch Titel in "leichter Sprache".

Welche Bücher lesen Kinder und Jugendliche besonders gerne?

Gerade sind Bücher aus dem Fantasy-Bereich in. Wir haben ganz viel davon gekauft. Und die typischen Mädchen-Bücher laufen auch gut. Wir versuchen, auf Trends aktuell zu reagieren und stocken unseren Bestand wenn möglich dann auf.

Und was leihen sich erwachsene Besucher vor allem aus?

Krimis und Psychothriller laufen am besten. Bei den Sachbücher werden hauptsächlich Reiseführer, populäre Titel zu Gesundheitsthemen, Psychologie, aktuelle Ratgeber oder Kochbücher nachgefragt. Häufig wird sich erst einmal im Internet informiert - und erst wenn diese Infos nicht ausreichen, nach einem Buch geschaut.

Welche Menschen besuchen die Stadtbücherei?

Wir haben Besucher jeden Alters, vom Kleinkind im Kinderwagen bis zum Senior mit Rollator und quer durch die Bevölkerungsschichten - sowohl aus der Stadt Freising als auch aus dem Umland. Schüler und teilweise auch Studenten kommen häufig in die Bibliothek, um an unseren Arbeitsplätzen gemeinsam zu lernen, zudem besuchen uns einige Kindergartengruppen oder Gruppen der Lebenshilfe regelmäßig. Inzwischen haben wir übrigens auch viele Flüchtlinge, die als "Kulturgäste" des Vereins Kulturgut keinen Beitrag zahlen müssen. Für diese haben wir beispielsweise unseren Bestand im Bereich Deutsch als Fremdsprache und mehrsprachige Kinderbücher aufgestockt. Einige lernen hier, weil es schön ruhig ist, andere kommen, weil sie eine Rückzugsmöglichkeit haben und freies Wlan nutzen können.

Moderne Medien wie E-Books: Welche Rolle spielen diese mittlerweile?

Wir sind 2014 in die E-Book-Ausleihe eingestiegen, da es häufig Nachfragen gab. Ende 2015 hatten wir gut 2450 E-Books im Angebot und 707 Nutzer - und es werden immer mehr. Allerdings ist es sehr selten, dass Leser nur E-Books entleihen, das läuft zumeist parallel. Viele finden beispielsweise einen Reiseführer als PDF praktisch, aber es gibt natürlich auch noch viele, die einen in gedruckter Form haben wollen. Als große Konkurrenz sehe ich das E-Book zum gedruckten Buch derzeit eigentlich nicht - das sind eher die kostenlosen Plattformen.

Bücher zu bieten: Reicht das heute, um attraktiv zu bleiben? Oder braucht es dazu ein Rahmenprogramm?

Wir haben immer wieder Ausstellungen bei uns - gerade eine mit Puppen-Fotografien - und organisieren regelmäßig literarische Abendveranstaltungen. Unser Anliegen ist dabei auch, immer wieder auf unsere Bibliothek aufmerksam zu machen. Allerdings glaube ich nicht, dass wir deshalb mehr Leser bekommen. Zu den Veranstaltungen selbst kommen dann allerdings häufig "Stammgäste". Die Ausstellungen erreichen aber auch viele Besucher, die sonst nie in eine Galerie gehen würden. Bücher, die Leseförderung und ein Ort der lebenslangen Bildungsmöglichkeiten zu sein, ist uns natürlich ein wichtiges Anliegen - aber wir möchten auch eine andere Unterhaltung, wie DVD's, Konsolenspiele, Ting-Bücher oder Brettspiele bieten.

Als Leser zahlt man einen nur sehr geringen Jahresbeitrag - für Familien sind das gerade einmal 15 Euro. Wie finanziert sich die Bücherei?

Wir werden über die Stadt Freising finanziert. Wenn wir aber beispielsweise mehr Regale brauchen oder den Bestand in manchen Bereichen gezielt aufstocken wollen, dann gibt es Zuschüsse vom Land Bayern. Wir versuchen natürlich, diese auszuschöpfen. Eine Bücherei ist in Deutschland eine freiwillige Leistung einer Kommune - und ich finde es großartig, dass sich Freising eine gut ausgestattete Bibliothek in solchen Räumlichkeiten leistet. Manche werden sagen, dass eine Bibliothek zu teuer ist, aber ich sage, dass sie total wichtig ist. Nicht jeder kann es sich leisten, Bücher zu kaufen. Wer aber nicht mehr liest, verlernt es und ohne Lesefähigkeit ist man in allen Lebensbereichen benachteiligt.

Und welches Buch liegt derzeit bei Ihnen auf dem Nachtkästchen?

"Schlafes Bruder" von Robert Schneider. Das lese ich ergänzend zur aktuellen Lektüre in unserem Lesekreis, "Ein ganzes Leben" von Robert Seethaler. Mal ganz ehrlich: Ich lese sehr gerne, aber als Bibliothekarin kommt man während der Dienstzeit nicht dazu. Und nach der Arbeit mit Haushalt und Kindern auch nur selten. Aber im Urlaub habe ich immer ein, zwei Bücher im Gepäck - auch wenn ein Fahrrad- oder Wanderurlaub angesagt ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: