Freisinger Köpfe:"Junge Frauen stecken in der Zwickmühle"

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Heidi Dillkofer unterstützt auch Paare in schwierigen Trennungsphasen. Die gemeinsamen Kinder leiden in dieser Zeit dann oft am meisten. (Foto: Marco Einfeldt)

Heidi Dillkofer engagiert sich seit 30 Jahren für den Freisinger Kinderschutzbund und vermittelt etwa bei schwierigen Trennungen. Sie findet, dass der Druck auf Eltern und Kinder heute sehr groß ist.

Von Gudrun Regelein, Freising, Freising

Die vielen Spielsachen sind in dem großen Regal, das die ganze Wandbreite einnimmt, ordentlich einsortiert. Heidi Dillkofer sitzt in dem schlicht eingerichteten Zimmer des Kinderschutzbundes Freising an dem Tisch, an dem sie als Familientherapeutin sonst Beratungsgespräche führt. Vor kurzem wurde die 69-Jährige bei der Jahreshauptversammlung des Kinderschutzbundes Freising für ihre 30-jährige Mitgliedschaft geehrt. Im Gespräch mit der SZ Freising erzählt sie, weshalb es für sie wichtig ist, sich für die Rechte und den Schutz der Kinder stark zu machen und sich einzumischen.

SZ: Frau Dillkofer, weshalb ein so großes Engagement gerade für Kinder?

Heidi Dillkofer: Ich habe selber vier Kinder. Ich mag Kinder und Menschen. Ich finde, es gibt nichts Spannenderes, als mit Menschen zu arbeiten.

War das auch der Grund, vor 30 Jahren in den Kinderschutzbund Freising einzutreten?

Zum Kinderschutzbund kam ich über Gisela Baier, die 1980 Gründungsmitglied des Freisinger Kinderschutzbundes war. Ich kannte sie über die politische Schiene - auch sie war für die SPD Mitglied des Stadtrats - und über den Elternbeirat der Schule. Wir spürten von Beginn an eine große Sympathie füreinander. Sie hat mir damals viel von ihrer Arbeit im Kinderschutzbund erzählt, mich hat das sehr interessiert. Ich war dann zunächst passives Mitglied, habe später aber auch einige Jahre im Vorstand mitgewirkt, bis ich schließlich Ende der 90er Jahre den begleitenden Umgang übernahm, bei dem wir Scheidungs- oder Trennungsfamilien in schweren Konfliktfällen betreuen. Ich wäre sonst in einen Interessenkonflikt geraten, da ich als Familientherapeutin für diese Tätigkeit ein Honorar erhalte.

Sie haben in den vergangenen 30 Jahren bei Kinderschutzbund viele Projekte mitinitiiert. Welches war besonders wichtig?

Sicher der begleitete Umgang, der mittlerweile zu einer zentralen Aufgabe für uns wurde. Aber auch "Cleverkids", ein Gemeinschaftsprojekt von Kinderschutzbund, Caritas und der Katholischen Jugendfürsorge, ist sicher wichtig: Kinder aus sozial benachteiligten Familien in der dritten bis zur sechsten Klasse können einen kostenfreien Nachhilfeunterricht besuchen. Derzeit nutzen hauptsächlich Kinder aus Migrantenfamilien dieses Angebot. Und unsere Kinderkleiderkammer darf ich nicht vergessen, die schon vor vielen Jahren von den Jugoslawienflüchtlingen genutzt wurde. Auch heute ist die Nachfrage vor allem durch die Asylbewerber-Familien sehr groß - die Babykiste ist zumeist leer.

Ist der Kinderschutzbund auch zunehmend in die Betreuung der Flüchtlinge eingebunden?

Für uns ist es sehr wichtig, dass wir unsere andere Klientel im Auge behalten und nicht vernachlässigen. Derzeit haben wir vor allem über die Kleiderkammer mit Flüchtlingen Kontakt. Aber zukünftig werden unsere Aufgaben in diesem Bereich sicherlich wachsen - spätestens dann, wenn die Kinder der derzeit bei uns ankommenden schwangeren Frauen älter sind. Seit diesem Jahr bringen wir uns übrigens bereits in einem Projekt für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ein, bei dem die jungen Menschen besser gefördert und integriert werden sollen. Dort finden beispielsweise Sprachkurse statt oder es wird gemeinsam gekocht.

Es gibt im Landkreis viele Angebote für Familien: Kurse, Fortbildungen oder Seminare, beispielsweise im Zentrum der Familie. Sehen Sie diese als Konkurrenz?

Nein, absolut nicht. Das Zentrum der Familie, die Caritas und die Diakonie, die sich alle um Familien und Kinder kümmern, ergänzen sich. Wir würden beispielsweise kein Projekt anstoßen, das im Landkreis bereits läuft. Wie die Familienpaten, die es auch beim Kinderschutzbund gibt. Aber da die Caritas bereits Paten vermittelt, tun wir es nicht zusätzlich. Abgesehen davon haben wir es auch nicht im Kreuz, noch viele weitere Projekte zu stemmen.

Steigen die Zahlen der Hilfe suchenden Familien im Landkreis?

Bei den finanziellen Hilfen sind die Zahlen seit vielen Jahren relativ konstant. Beim begleiteten Umgang dagegen steigend. Vielleicht liegt das mit daran, dass die Bereitschaft der Paare, zu vernünftigen Lösungen zu kommen, sinkt. Die Trennungszahlen steigen. Die Frage ist, wie die Kinder in diesen extremen Konfliktfällen den Kontakt zu beiden Elternteilen halten können. Wenn die Atmosphäre bei den Eltern vergiftet ist, wird das schwierig. Unsere Aufgabe ist dann zu vermitteln, nach einer Lösung zu suchen.

Sie beschäftigen sich schon sehr lange mit dem Thema Kinder und Familie - wie ist deren Situation heute?

Ich denke, dass gerade die jungen Frauen heute in einer Zwickmühle stecken: Zum einen sollen sie möglichst bald, am besten schon ein paar Monate nach der Geburt des Kindes, wieder arbeiten gehen. Da ist durchaus eine gewisse Erwartung da. Und dann wollen sie auch noch als Mutter perfekt sein. Nicht selten resultiert daraus eine Überbehütung des Kindes, die diesem sicher nicht gut tut. Wichtig wäre, ein Gleichgewicht zu finden: Dem Kind eine Begleitung zu bieten, aber ihm auch Freiräume zu geben. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, hatten wir damals mehr Freiheiten, wir haben beispielsweise auf der Straße Ball gespielt. Heutzutage wird auch die Freizeit der Kinder von den Eltern durchgeplant und organisiert. Also ich empfinde es schon so, dass der Druck auf die Eltern und Kinder groß ist.

Wenn Sie heute auf Ihre eigene Familie mit vier erwachsenen Kindern blicken: Haben Sie alles richtig gemacht?

Das müssen Sie meine Kinder fragen ( lacht). Natürlich gab es auch bei uns manchmal schwierige Zeiten, aber ich denke, wir haben das ganz gut hinbekommen.

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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