Hebammen:"Wir brauchen Hilfe"

Hebammen: Für Hebammen werde es immer unattraktiver, ihren Beruf auszuüben, kritisiert Annette Fußeder. Werdende Eltern müssen künftig womöglich sehr viel weitere Wege zur Geburtsklinik auf sich nehme, warnt sie.

Für Hebammen werde es immer unattraktiver, ihren Beruf auszuüben, kritisiert Annette Fußeder. Werdende Eltern müssen künftig womöglich sehr viel weitere Wege zur Geburtsklinik auf sich nehme, warnt sie.

(Foto: Marco Einfeldt)

Annette Fußeder beklagt, dass ihr und ihren Kolleginnen immer neue Prügel zwischen die Beine geworfen werden

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Seit Jahren wird die Situation für Hebammen immer schwieriger: Die meisten können sich die extrem steigenden Beiträge zur Haftpflichtversicherung kaum mehr leisten und stehen vor dem Aus. Nun drohen Beleghebammen neue Repressalien. Die SZ sprach mit der Hebamme und Leiterin der Elternschule Freising, Annette Fußeder, über die Entwicklung.

SZ: Der Druck auf die Beleghebammen wächst. Was ist das Problem?

Annette Fußeder: Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen möchte die Regeln für die Vergütung von Geburtshilfe durch Beleghebammen verändern. Viele freiberufliche Beleghebammen könnten es sich dann aber nicht mehr leisten, in Kliniken zu arbeiten.

Wieso das?

Wenn jede Hebamme - wie vorgesehen - nur noch zwei Frauen gleichzeitig betreuen darf, dann müssen bei zwei Hebammen im Dienst die fünfte und alle weiteren Frauen abgewiesen werden. Oder die Frauen bekommen die Geburt privat in Rechnung gestellt. Jedenfalls dürfen die Hebammen diese weiteren Geburten nicht mehr mit der Krankenkasse abrechnen. Letztendlich könnte das auch bedeuten, dass in Zukunft viele Kreißsäle und Geburtsabteilungen schließen müssen, weil sie sich die Geburtshilfe nicht mehr leisten können.

Müssen werdende Eltern nun befürchten, vor dem Kreißsaal abgewiesen zu werden?

Ja, das wäre dann tatsächlich der Fall. Das Versorgungsangebot für Schwangere würde noch weiter wegbrechen. Frauen, die bei einer Beleghebamme, die in Bayern nahezu flächendeckend in den Kreißsälen arbeiten, entbinden möchten, müssten dann eventuell ihre Geburt selbst bezahlen oder mit Wehen in eine andere Klinik weiterfahren. Durch die Schließung vieler Abteilungen werden werdende Eltern erheblich weitere Wege zum Geburtsort in Kauf nehmen müssen.

Wie ist die Situation im Landkreis? Gibt es noch genügend Hebammen?

Die Geburtshilfe im Klinikum Freising ist noch sichergestellt. Jede Frau, die dort entbinden möchte, kann das auch tun. Aber in der Wochenbettbetreuung gibt es vor allem in den Sommermonaten zunehmend Engpässe.

Haben Sie eine Erklärung, weshalb gerade den Hebammen die Ausübung ihres Berufes immer mehr erschwert wird?

Vermutlich geht es darum, die großen geburtshilflichen Zentren zu stärken und die Geburtshilfe in den kleinen Häusern oder gar im häuslichen Umfeld verschwinden zu lassen: Berechenbare, planbare Geburtshilfe ist das Ziel. Und natürlich geht es den Kassen auch immer darum, ihre Ausgaben zu senken.

Sehen Sie eine Chance, die geplanten Neuerungen zu verhindern?

Am ehesten durch die Unterstützung der Bevölkerung, vor allem der Schwangeren und der jungen Familien, die diese Misere ja am stärksten betrifft. Wir Hebammen brauchen Hilfe. Menschen, die uns unterstützen wollen, finden einen Protestbrief an die Politik unter www.unsere-hebammen.de.

Die Hebamme übt einen der ältesten Berufe aus - droht der nun auszusterben?

Das hoffe ich nicht. Jedoch erlebe ich viele Kolleginnen zunehmend frustriert und resigniert angesichts der immer neuen Prügel, die uns zwischen die Beine geworfen werden. Und es bereitet uns große Sorgen, dass es immer schwieriger wird, einen Versicherer zu finden. Ohne Versicherer aber wird es tatsächlich keine Hebammen mehr geben.

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