Haarige Sache:Der Westernfan und sein Bart

Seit "Fuzzy" Josef Wollinger 1980 zum ersten Mal auf einem Pferd saß, fasziniert ihn die Geschichte der amerikanischen Pionierzeit. Mit seinem gepflegten Bart tritt er wieder bei internationalen Meisterschaften an.

Von Thomas Radlmaier

Viele Fotos und Urkunden hängen an den Wänden im Flur der Wohnung von Josef Wollinger. Jedes einzelne Dokument erinnert den 51-Jährigen an ein spezielles Erlebnis, zu dem er kleine Geschichten erzählen könnte. "Ich war schon in England, Österreich und der Schweiz auf Bart-Contests", bestätigt der gebürtige Münchner, der seit 1980 in Freising lebt. Fuzzy - so nennt sich Wollinger selbst - bahnt sich den Weg in ein Hinterzimmer, das durch zwei Schwingtüren vom Rest der Obergeschosswohnung getrennt ist. Die Atmosphäre des hauseigenen "Salon" erinnert sehr an die wilde Pionierzeit der jungen Vereinigten Staaten des 18. und 19. Jahrhunderts. Dunkelbraune Holzwände, eine Bar mit Hockern, überall Flaggen, Colts und Steinschleuder - Western Style soweit das Auge reicht. Im entsprechenden Lederoutfit sitzt Fuzzy am Tresen und dreht sich eine Zigarette.

Laut Duden ist der "Fuzzi" ein komischer Typ oder ein nicht ernst zu nehmender Mensch. Das Wort stammt demnach aus einer amerikanischen Westernserie der 40er Jahre, die hierzulande erst Ende der 70er ausgestrahlt wurde. "Western von Gestern" bestand aus 155 60-minütigen Sendungen, die das ZDF regelmäßig in seinem Vorabendprogramm ausstrahlte. Eine der berühmteren dieser Fernsehproduktionen war sicherlich "Die Abenteuer von Fuzzy Jones." Darin spielte der Schauspieler Al St. John den Hilfssheriff "Fuzzy", der sich in seiner lustigen, trottligen und eigensinnigen Art von dem herkömmlichen Bild des maskulinen und heldenhaften Western-Cowboys unterscheidet - ein Fuzzi oder Fuzzy eben. "Der ist mein Vorbild", sagt Wollinger stolz.

Der Straßenkehrer aus Freising ist seit 30 Jahren ein glühender Westernfan. 2009 kürte ihn die Jury auf einem Contest in Hessen in der Kategorie "Garibaldi" zum Bartweltmeister. Seither zählt er zu den berühmteren Einwohnern der Domstadt. "Mit diesem Erfolg stieg das mediale Interesse an meiner Person", weiß der Cowboy. Früher hätten ihn die Leute auf der Straße oft komisch angeschaut, ihn sogar als "Nikolaus" oder "Krampus" lautstark belächelt. "Kinder sind da gnadenlos", sagt Wollinger. Mit der Zeit habe er jedoch gelernt, "da drüber zu stehen und die Leute einfach reden zu lassen", meint er. Heute kennen ihn viele Passanten aus Zeitungsinterviews oder seiner Gastrolle in einem kürzlich gedrehten Spielfilm. "Sie wissen wer ich bin und respektieren mich", glaubt der 51-Jährige. Bald wird auch ein Comic-Buch (SpencerHill-Comic) herausgegeben, in dem ein Zeichentrick-Fuzzy in einer Szene gemeinsam mit den Comicfiguren Bud Spencer und Terence Hill zu sehen ist.

Dem Titel als Bartweltmeister in seiner Hausdisziplin "Garibaldi" möchte der Wahl-Freisinger am 27. April auf der internationalen Bartmeisterschaft in Pforzheim gerecht werden. Im November steht dann die Titelverteidigung bei den Weltmeisterschaften in Leinfelden-Echterdingen an. Dass Fuzzys' persönliche Vorbereitung auf das kommende Turnier bereits im vollen Gange ist, belegen unter anderem die schon penibel gepackten Koffer. Den Feinschliff vor derartigen Auftritten hole er sich dann beim Friseur seines Vertrauens. "Der stutzt dann alles noch einmal schön zu Recht, so dass ich unter optimalen Voraussetzungen ins Rennen gehen kann", verrät der gelernte Bäcker. Ansonsten gelte es, den Bart täglich unter der Dusche mit Naturschampoo zu pflegen und vor dem Spiegel zu kämmen, so der 51-Jährige. Zwar peile Wollinger in Pforzheim einen Platz auf dem Treppchen an, doch für ihn zähle allein der olympische Gedanke. "Dabei sein ist alles", gibt er sich bescheiden. Außerdem freue er sich schon auf das Wiedersehen mit alten Bekannten, die über den ganzen Globus verstreut sind und sich unter den rund 200 Teilnehmern befinden. Fuzzy weiß über seine bärtigen Konkurrenten nur Gutes zu erzählen. "Wir sind ein internationaler Freundeskreis", behauptet er.

Auf die Frage, welche Hobbys er neben Western habe, fällt dem 51-Jährigen wenig ein. Den neuen Film von Regisseur Quentin Tarantino möchte er sich bald ansehen. Aber dessen Handlung spiele ja in der Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges und somit sei der Film eben auch ein Western-Film, bestätigt Fuzzy.

Den Ursprung seiner Leidenschaft für das Westerngenre verortet Wollinger in das Jahr 1980. Als "Schlüsselerlebnis" beschreibt er seinen ersten Ritt auf einem Pferd. "Das war so ein schönes Gefühl", schwärmt der Cowboy, "das wollte ich ab dem Zeitpunkt immer haben." Mittlerweile fast schon legendär ist die Geschichte, als der junge Wollinger und sein Freund, "der Schwobbel Günther", in einem Wirtshaus in Ramersdorf den Entschluss gefasst hatten, von München nach Freising zu reiten. Der damals 18-jährige Fuzzy schmiss daraufhin seine Bäckerlehre, weil ihm sein Chef für den Ausflug nicht frei gegeben habe. "Das war mir egal. Ich wollte unbedingt mitreiten", erinnert sich der 51-Jährige heute. Schließlich habe es ihm in der Stadt nördlich von München gut gefallen. Bald erhielt er eine Stelle als Straßenkehrer bei der Stadt Freising und feierte erst kürzlich sein 25. Firmenjubiläum. 2003 trat er dem "ostbayerischen Bartclub 1996" bei, für den er 2009 Weltmeister wurde. Seit 23 Jahren ist er glücklich mit seiner Frau Barbara verheiratet. Kennen gelernt haben sich die beiden logischerweise in einem Countryclub.

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