Nicht zuständig:Günstiger Wohnraum bleibt Mangelware

Sozialer Wohnungsbau

Die Stadt Freising verfügt zwar über Sozialwohnungen wie hier an der Bourdonstraße, aber der günstige Wohnraum reicht bei weitem nicht aus.

(Foto: Falk Heller)

Politiker verschiedener Fraktionen finden, dass der Landkreis in den sozialen Wohnungsbau einsteigen sollte. Doch Landrat Josef Hauner winkt ab: Dies sei Aufgabe der Kommunen. Gerade kleine Gemeinden fühlen sich überfordert.

Von Peter Becker, Freising

Landrat Josef Hauner hat jüngst während einer Pressekonferenz ein Machtwort gesprochen. Der Landkreis werde nicht in den Bau von bezahlbarem Wohnraum einsteigen. "Dies ist zwar eine dringende Aufgabe, aber keine des Landkreises." Dies wäre eine freiwillige Leistung, welche die Kommunen letztlich über die Kreisumlage mitfinanzieren müssten. Punktum.

Hauner will damit vorerst einer Diskussion ein Ende setzen, die im Wahlkampf des vergangenen Jahres begonnen und im Vorfeld der Haushaltsberatungen für 2015 zunehmend an Fahrt aufgenommen hatte. Kaum eine Fraktion im Freisinger Kreistag hat den Bau bezahlbaren Wohnraums bisher nicht eingefordert. Die Parole dazu lautete meist so oder so ähnlich: "Wir müssen die Wohnungsbau-Gesellschaft aus ihrem Dornröschenschlaf holen!"

Mancher Gemeinderat denkt bei "sozialem Wohnungsbau" an schwierige Klientel

Bislang ist der Weckruf der Politiker verhallt. Hauner forderte in dem Pressegespräch die Gemeinden auf, selbst tätig zu werden. Der Landkreis verfüge über keine Grundstücke. Und die, welche ihm doch gehören, benötigt er für seine Schulen. Dass ihm in naher Zukunft irgendein Bürgermeister eine Fläche für den sozialen Wohnungsbau anträgt, ist wohl so wahrscheinlich, wie das Zusammenfallen von Ostern und Weihnachten auf einen Tag. Die Kommunen wollen ihre Grundstücke möglichst gewinnbringend verkaufen. Und mancher Gemeinderat assoziiert mit dem Begriff "sozialer Wohnungsbau", dass schwierige Klientel in sein Dorf ziehen könnte.

In den Neunziger Jahren entstanden 35 Wohnungen

Dem Landkreis vorzuwerfen, er stelle keine günstigen Wohnungen zur Verfügung, wäre unfair. 164 Unterkünfte gibt es auf dem Gelände des Freisinger Klinikums, die allerdings an die Beschäftigten dort vergeben sind. In 85 Wohnungen leben Angestellte des Landkreises.

35 Wohnungen sind in den Neunzigerjahren über die Wohnungsbaugesellschaft in Moosburg und Hallbergmoos entstanden. Aus dieser Zeit datiert auch die Gründung der Wohnungsbau GmbH. Dieser gehören der Landkreis, die Sparkassen in Freising und Moosburg, die Stadt Moosburg, die Gemeinden Eching, Hallbergmoos und Zolling sowie die Oberbayerische Heimstätte München an. Jede Form sozialen Wohnungsbaus müsste erst mit diesen Partnern abgestimmt werden.

Im Landkreis fehlen 700 günstige Wohnungen

549 000 Euro sind im laufenden Haushalt für freiwillige Leistungen vorgesehen. Bei den 700 günstigen Wohnungen, die derzeit schätzungsweise im Landkreis fehlen, müssten die Kreisräte diesen Posten um ein Vielfaches aufstocken. Hier lauert eine Falle, in die Landrat Hauner nicht tappen will. Noch ist nämlich eine Klage der Gemeinde Hallbergmoos aus dem Jahr 2013 am Verwaltungsgericht anhängig. Die hatte seinerzeit Bürgermeister Klaus Stallmeister gegen Hauners Vorgänger Michael Schwaiger angestrengt. Für seinen Geschmack, so die Begründung des Hallbergmooser Bürgermeisters damals, finanziere der Landkreis zu viele Dinge, die nicht in seinem Zuständigkeitsbereich lägen. Offenbar fällt darunter auch die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus.

Ein Blick auf die prognostizierten Schulden des Landkreises bis zum Jahr 2018 liefert einen weiteren Grund, warum sich Hauner weigert, in den sozialen Wohnungsbau einzusteigen. Mit der Umsetzung sämtlicher Baumaßnahmen an den Schulen sowie der Beteiligung an der Finanzierung der Freisinger Westtangente klettert der Schuldenstand bis zum Jahr 2018 voraussichtlich auf 112 Millionen Euro. Erwirbt der Landkreis dazu auch das Stabsgebäude der ehemaligen Steinkaserne, müssten zusätzliche Millionen draufgesattelt werden. Langsam stößt der Landkreis deshalb an seine finanziellen Grenzen.

Zustimmung von Dieter Thalhammer

Für Dieter Thalhammer, den Fraktionssprecher der SPD im Kreistag, ist der Fall klar. "Sozialer Wohnungsbau ist keine Aufgabe des Landkreises", pflichtet er dem Landrat bei. Es sei Aufgabe der Kommunen, im Sinne der Wohlfahrt für ausreichenden Wohnraum in der Gemeinde zu sorgen, zitiert er eine Passage aus der Gemeindeordnung. Die Wohnungsbau GmbH sei damals gegründet worden, um die Kommunen zu unterstützen, die nicht über den Verwaltungsapparat der großen Gemeinden verfügten.

Wenn der Landkreis tatsächlich in den sozialen Wohnungsbau einsteigen wollte, erläutert der Freisinger Alt-Oberbürgermeister weiter, dann könnte er das nur mit "überflüssigem Geld" bewerkstelligen. Und selbst dann, mutmaßt Thalhammer, könnte die Regierung von Oberbayern als Kontrollbehörde ihr Veto einlegen. Aus gutem Grund könnte sie den Landkreis anweisen, erst seine Schulden abzubauen, bevor er sich auf einem Terrain engagiert, für das er nicht zuständig ist.

Orte können Sozialwohnungen nicht wirtschaftlich betreiben

Genauso sieht es Konrad Schickaneder, CSU-Bürgermeister in Rudelzhausen und gleichzeitig Vorsitzender des Gemeindetags auf Kreisebene. Er gibt zu, dass die Gemeinden gefordert wären. Allerdings glaubt er, dass gerade kleinere Orte wie Rudelzhausen Sozialwohnungen auf lange Sicht nicht wirtschaftlich betreiben könnten. Schickaneder verweist auf die Gegensätze im Landkreis. Da gebe es den verstädterten Süden mit Neufahrn, Freising, Hallbergmoos und Eching. "Die können in die Höhe bauen", sagt er. In die ländlichen Gemeinden im Norden des Landkreises, fügt Schickaneder hinzu, "da kann ich keinen Block hinstellen".

Claudia Bosse, Sprecherin der Grünen im Kreistag, pflichtet Landrat Hauner bei, dass es keine Pflichtaufgabe des Landkreises sei, auf eigene Faust günstige Wohnungen zu schaffen. Die Landkreispolitiker müssten sich dennoch freiwillig dem Problem der Wohnungsnot stellen. "Zu weit sind mittlerweile die Bevölkerungskreise, die betroffen sind. Sie umfassen nicht nur die finanzschwache Bevölkerungsschicht, sondern auch die Mittelschicht", argumentiert Claudia Bosse.

Landkreis und Gemeinden sollen zusammenarbeiten

"Wir können als Landkreis nach realistischen, umsetzbaren Lösungen suchen", sagt die Sprecherin der Grünen. Dabei dürfe man sich nicht von vornherein Grenzen im Denken setzen. Der Landkreis könnte stellvertretend für die Gemeinden den sozialen Wohnungsbau übernehmen - zumindest in Teilsegmenten. Dies müsste nach festen Vereinbarungen geschehen, möglicherweise nach einem Umlageverfahren, auch wenn der Landkreis nicht viel Handlungsspielraum hat: "Warum nicht freiwillige Wege der interkommunalen Zusammenarbeit beschreiten? Warum nicht eine Lösung finden, in der Landkreis und Gemeinden zusammenarbeiten", fragt Claudia Bosse.

In den Kreisgremien ist immer wieder die Forderung laut geworden, die Flughafen München Gesellschaft (FMG) möge sich am Wohnungsbau in der Region beteiligen. So wie es früher etwa der Traktorenhersteller Schlüter getan hat, als er für seine Beschäftigten Werkswohnungen bauen ließ. Peter Prümm, FMG-Pressesprecher, sagt, dass sozialer Wohnungsbau keine Aufgabe des Flughafenbetreibers sei. "Das ist Aufgabe der Kommunen." Prümm kündigt aber an, dass die FMG im Sommer ein Konzept vorstellen wird, wie sie Wohnraum für ihre Beschäftigten schaffen will.

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