Geringverdiener und Minijobber:Am Boden

Jeder Fünfte, der im Landkreis Freising erwerbstätig ist, verdient weniger als 8,50 Euro pro Stunde - das wäre der von Gewerkschaften geforderte Mindestlohn. Kritiker machen dafür den Münchner Flughafen verantwortlich

Von Kim Björn Becker

Geringverdiener und Minijobber: Insgesamt 32000 Menschen haben 2012 am Münchner Flughafen gearbeitet. Das Problem: Die Jobs, die hier vergeben werden, werden höchst unterschiedlich vergütet.

Insgesamt 32000 Menschen haben 2012 am Münchner Flughafen gearbeitet. Das Problem: Die Jobs, die hier vergeben werden, werden höchst unterschiedlich vergütet.

(Foto: Marco Einfeldt)

Etwa jeder fünfte Erwerbstätige im Landkreis Freising, exakt sind es 19 Prozent, arbeitet für weniger als den von Gewerkschaften geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Damit liegt der Anteil der Niedriglöhner im Landkreis knapp unter dem Bundesdurchschnitt, der 21 Prozent beträgt. Die Quote entspricht rund 16 500 Geringverdienern, die entweder fest angestellt sind oder als Minijobber im Raum Freising arbeiten. Das geht aus Berechnungen hervor, die das Pestel-Institut in Hannover im Auftrag der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) vorgelegt hat. Es gebe eine "Betroffenheit in allen Regionen", sagte der Autor der Studie, Matthias Günther, der SZ.

Nach den Berechnungen des Instituts machen die knapp 11 000 Minijobber im Landkreis Freising den Großteil des hiesigen Niedriglohnsektors aus. Sie verdienen im Durchschnitt 5,58 Euro pro Stunde. Bei den Angestellten erhalten etwa 5600 Arbeitnehmer ein Gehalt, dass rechnerisch weniger als 8,50 Euro brutto pro Stunde beträgt. Im Durchschnitt wird eine Arbeitsstunde in dieser Gruppe mit 4,71 Euro vergütet. Würden alle Niedriglöhner den geforderten Mindestlohn erhalten, erhöhte sich die Kaufkraft im Landkreis pro Jahr um 39 Millionen Euro. Die Betroffenen würden 2361 Euro mehr pro Jahr erhalten. Der Freisinger Landrat Michael Schwaiger äußerte sich zurückhaltend zu den Zahlen. Ob diese stimmten, ließe sich kurzfristig nicht überprüfen, hieß es aus dem Landratsamt. "Die Diskussion um den Mindestlohn muss auf Bundesebene geführt werden, der Landkreis hat hierauf keinen Einfluss", sagte Schwaiger der SZ. Er befürchte aber, "dass mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ein Anstieg der Arbeitslosenzahlen verbunden sein" werde.

Befürworter eines gesetzlichen Mindestlohns sehen sich durch die Ergebnisse der Untersuchung bestätigt. Es überrasche ihn nicht, sagte der Landtagsabgeordnete Christian Magerl (Bündnis 90/Grüne) der SZ, dass im Landkreis Freising mit die niedrigsten Löhne gezahlt würden. Für ihn hat der größte Arbeitgeber der Region daran einen Anteil: der Münchner Flughafen (siehe Beitrag rechts). "Dort gibt es viele gut bezahlte Jobs, zugleich wird aber immer mehr ausgelagert und entsprechend schlecht bezahlt", sagte Magerl. Florian Herrmann, der Freisinger CSU-Landtagsabgeordnete, kritisierte, einen solchen Zusammenhang könne man pauschal nicht herstellen. "Prekäre Beschäftigung gibt es im gesamten Landkreis, nicht nur am Flughafen", sagte er.

Der für Freising zuständige Sekretär des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Daniel Fritsch, sagte: "Die Arbeitslosenzahlen im Landkreis sind zwar sehr niedrig, zugleich existieren aber viele schwierige Beschäftigungsverhältnisse." Im Juni betrug die Arbeitslosenquote im Landkreis Freising 2,1 Prozent, etwa 2300 Personen waren arbeitslos gemeldet. Bundesweit lag die Arbeitslosenquote mit 6,6 Prozent etwa dreimal so hoch. Darüber hinaus, sagte Fritsch, machten die hohen Lebenshaltungskosten im Landkreis es für Geringverdiener schwierig, finanziell auszukommen. Noch schärfere Kritik übten die hiesigen Vertreter der Gewerkschaften, welche die Studie in Auftrag gegeben hatten. "Wer den ganzen Tag arbeitet, muss mit dem, was er verdient, auch klarkommen können", sagte der Geschäftsführer von Verdi in München, Heinrich Birner. Fred Adjan, Chef der NGG in München, kritisierte Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern so wenig bezahlen, dass diese ihr Gehalt vom Staat aufstocken lassen müssen. "Das ist dann quasi staatlich subventioniertes Lohndumping", sagte Adjan.

Florian Herrmann (CSU) plädierte unterdessen für tarifliche Lohnuntergrenzen. Einen gesetzlichen Mindestlohn lehnte er ab. "Von seiner Arbeit muss man leben können, das müssen aber die Tarifparteien sicherstellen", sagte er. Darüber hinaus sei der Landkreis Freising mit Blick auf Zahlen der Agentur für Arbeit deutlich besser als der Bundesdurchschnitt. Ende 2010 gehörten in den Landkreisen Freising, Erding, Ebersberg und Dachau 17 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten zum Niedriglohnsektor, verdienten also nicht mehr als 1800 Euro brutto pro Monat.

Auf Bundesebene lag der Wert zur gleichen Zeit bei knapp 23 Prozent. Zu den Ergebnissen der jüngsten Niedriglohnstudie äußerte sich Herrmann kritisch: "Man kann ja viel ausrechnen", sagte er. Peter Warlimont, Landtagskandidat der Freisinger SPD, bezeichnete die Ergebnisse der Untersuchung als "erschreckend". Der SZ sagte er, die Niedriglohnquote von 19 Prozent im Landkreis Freising sei eine "skandalös hohe Zahl". Es könne nicht sein dass Menschen gezwungen seien, für Löhne zu arbeiten, die "unanständig" seien.

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