Geldstrafe für Tagesstättenleiterin:Fehltritte im Kindergarten

Amtsrichterin verurteilt die ehemalige Leiterin einer Freisinger Tagesstätte zu einer Geldstrafe. Die Frau hat unter anderem gegen einen Stuhl gestoßen, auf dem ein Kind schaukelte. Der Nachweis für angebliche Unterschlagungen fehlt.

Von Alexander Kappen

Dass es zwischen der heute 37-jährigen, früheren Leiterin einer Freisinger Kindertageseinrichtung und einigen ihrer Mitarbeiterinnen Querelen gegeben hat, war unbestritten. Die Vorwürfe gegen die Leiterin, die am Dienstag bei der Verhandlung am Amtsgericht im Raum standen, gingen jedoch wesentlich weiter - und waren teilweise nur schwer zu überprüfen. Die Erzieherin stand wegen versuchter und vorsätzlicher Körperverletzung, Nötigung und Veruntreuung vor Gericht. Am Ende der viereinhalbstündigen Verhandlung blieben von den fünf Anklagepunkten, die sich auf die Jahre 2008 bis 2010 bezogen, nur zwei übrig. Richterin Manuela Stangl verurteilte die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 3150 Euro.

Die Richterin sah es als erwiesen an, dass die Erzieherin eine Praktikantin getreten und im Hort der städtischen Kindertagesstätte mit dem Fuß gegen einen Stuhl gestoßen hat, auf dem ein Junge schaukelte. Zwar fiel der Stuhl, anders als es in der Anklage stand, nicht um. Dass dies nicht passiert sei und der Junge sich nicht verletzt habe, sei aber "nur dem Zufall zu verdanken". Der Bub konnte sich an einen solchen Vorfall nicht erinnern, wie seine Mutter aussagte. Allerdings beteuerten ehemalige Mitarbeiterinnen der Angeklagten, es gesehen zu haben. Der Tritt, den die Angeklagte der Praktikantin gegeben haben soll, sei "wohl nur lustig gemeint" gewesen, sagte diese aus. Die Angeklagte habe sie zurecht gewiesen, weil sie zu spät zum Dienst erschienen sei. Dann habe sie "im Witz gesagt, ich soll an die Arbeit gehen". Dabei habe sie mit dem Fuß zugetreten. Ihr sei damals nicht klar gewesen, "dass das eine Grenzüberschreitung war". Die Praktikantin stellte keine Anzeige. Eine ernsthafte Verletzung trug sie nicht davon: "Das hat nur drei Minuten weh getan."

Die Angeklagte machte vor Gericht keine Angaben. Ihr Arbeitsverhältnis mit der Stadt endete 2010 mit einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht, nachdem sie die Einrichtung mit Krippe, Kindergarten und Hort seit September 2004 geleitet hatte. Die ausgesprochene fristlose Kündigung sei nicht haltbar gewesen "und auch die fristgerechte Kündigung stand auf tönernen Füßen", sagte ihr Verteidiger: "Ohne den Vergleich hätte meine Mandantin am Arbeitsgericht wohl gewonnen." Dass es in der Kita Probleme gab, war in der Stadtverwaltung bekannt. 2009 habe man nach Beschwerden das Jugendamt des Kreises eingeschaltet, das daraufhin eine Supervision veranlasst habe, berichtete der zuständige Referatsleiter. Weitere Konsequenzen ergaben sich daraus aber offenbar nicht.

An die Staatsanwaltschaft gelangte die Angelegenheit durch ein anonymes Schreiben, dessen Urheber bis heute unbekannt ist. "Dass die Verfasserin die Mutter eines Kindes ist, ist nur eine Vermutung", sagte der Sachbearbeiter der Polizei. Die Aussagen der von ihm befragten Kita-Mitarbeiterinnen gingen - wie auch vor Gericht - weit auseinander: "Die einen haben überhaupt keine Auffälligkeiten festgestellt, andere haben die Vorwürfe bestätigt." Drei der Vorwürfe konnten im Prozess nicht nachgewiesen werden. Etwa, dass die Angeklagte zweimal 700 Euro aus der Barkasse der Kita veruntreut hat. Der Kassenprüfer der Stadt konnte davon nichts feststellen. Auch dass sie einen Bub im Hort gezwungen hat, seine Mahlzeit aufzuessen, worauf dieser sich übergeben musste, hat sich nicht bestätigt. Das ergab sich aus den Angaben des Jungen, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagte. Dass die Angeklagte zwei Jungen im Winter ohne Jacke zum Strafrundenlaufen ins Freie geschickt habe, sah die Richterin als gesichert an. Allerdings habe sie nicht beabsichtigt, dass sich die Kinder erkälten. Der Vorwurf der versuchten Körperverletzung war so nicht aufrechtzuerhalten. Für den Verteidiger war das Verfahren "ein Versuch, in einem Strafprozess aufzuarbeiten, was die Stadt am Arbeitsgericht nicht geschafft hat: Man schießt hier mit Kanonen auf Spatzen ".

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