Gedichte im Heiliggeistspital:Erfrischender Effekt

Lars Ruppel richtet seine "Weckworte" an Demenzkranke

Von Angie Fuchs, Freising

Der Poetry-Slammer Lars Ruppel hat am Mittwoch das Heiliggeistspital in Freising besucht. Verstärkung erhielt er von der Klasse 10a des Dom-Gymnasiums. Was sie dort zeigten war jedoch kein Dichterwettstreit, sondern ein "Weckworte-Workshop" mit Demenzkranken.

"Das Reh springt hoch, das Reh springt weit, warum auch nicht, es hat ja Zeit": Mit diesem kurzen Gedicht von Heinz Erhardt legt Lars Ruppel los. Spontan bittet er Beata Kansy, Leiterin der Sozialen Dienste, zu sich in den Stuhlkreis. Um ihn herum sitzen bunt gemischt Schülerinnen und Schüler des Dom-Gymnasiums sowie Bewohner des Heiliggeistspitals. Ruppel scheint ungezwungen über dieses und jenes zu plaudern, mal ernst, mal lustig, doch sein Vortrag hat System: Immer wieder kommt der junge Berliner auf ein Stichwort, das ihn dann zu einem Gedicht führt.

Unterstützung kommt von Schülerinnen des Dom-Gymnasiums, etwa von "Bürgermeisterin Julia vom Schlaraffenland", die von eben dort erzählt, in Gedichtform, versteht sich. Eine Schülerin hält ein Gedicht mit Lücken, die von den Zuhörern gefüllt werden müssen, eine andere macht "Poesie-Gymnastik" - da heißt es für alle, Arme heben, Bein bewegen oder mit den Nasenflügeln beben. Die Gymnasiasten haben eine eineinhalbstündige Schulung mit Ruppel hinter sich, wie Manfred Röder, Leiter des Dom-Gymnasiums, erzählt. Hier haben sie einen Einblick bekommen, wie man Gedichte für Menschen mit Alzheimer oder geistiger Behinderung vorträgt.

Bei verschiedenen Gedichten geht der Poetry-Slammer von einem Bewohner zum nächsten, gibt ihm oder ihr die Hand und wiederholt immer wieder den Text - etwa bei "Mutterns Hände" von Kurt Tucholsky. Am Schluss fragt er alle, ob es ihnen gefallen hat. Einige sagen "sehr", andere nicken einfach. Beata Kansy, die die Bewohner kennt, hat den Eindruck gewonnen, dass der Vortrag auf sie "erfrischend" gewirkt und sie berührt hat. Gerade auch durch die persönliche Ansprache.

Ruppel ist seit 2009 mit seinem "Weckworte-Workshop" unterwegs. Das Angebot richtet sich auch an Angehörige und Pflegende. Claudia Pfrang, Direktorin der Stiftung Bildungszentrum im Kardinal-Döpfner-Haus, habe die Idee gehabt, Ruppel für "Weckworte" nach Freising zu holen, erklärt Magdalena Falkenhahn, Referentin für kreativ-künstlerische Bildung im Bildungszentrum. Mit dem Dom-Gymnasium, dem Heiliggeistspital und der AOK habe man den Workshop ermöglicht.

Am Vortag habe Ruppel bereits mit Schülern des Camerloher-Gymnasiums gearbeitet. "Interesse an Gedichten und damit die Lebensfreude in Menschen mit Alzheimer oder geistigen Behinderungen wecken - Das ist das Ziel von Weckworte", schreibt er auf seiner Homepage. Die richtige Mischung aus alten und neuen Gedichten, aus verschiedenen Gedichtformen sei wichtig, erklärt er. Und eine laute Stimme. Ebenso, dass man die nonverbale Ebene einbezieht, Emotionen und Erinnerungen weckt und persönlichen Kontakt zu den Patienten sucht, Stichwort Hände schütteln.

Aber auch die Jugend soll von den Workshops profitieren: "Die Patienten können sich vielleicht bald nicht mehr daran erinnern", sagt Lars Ruppel, "aber die Schüler!"

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