Gastronom verurteilt:Chinesische "Spezialköche" eingeschleust

Bis zu 65 Stunden in der Woche ließ ein Betreiber die Köche in seinem chinesischen Restaurant arbeiteten - für 850 bis 1300 Euro. Dem Ausländeramt legte er gefälschte Verträge vor. Die Gerichtsverhandlung gegen ihn zeigt: In der Branche geht es hart zu.

Von Gerhard Wilhelm, Freising

Gerichtsverfahren lassen oft tiefe Einblicke in das Seelenleben von Menschen zu, manchmal aber auch in die Zustände einer Szene. Etwa in die vieler chinesischer Lokale in Deutschland. Das Märchen vom Hund, der dort auch schon mal den Gästen vorgesetzt werde, dürfte dank der regelmäßigen Lebensmittelkontrollen tatsächlich ein Märchen sein. Der Konkurrenzdruck unter den chinesischen Lokalbesitzern aber beschäftigt des öfteren deutsche Gerichte. "Die wollen sich gegenseitig kaputt machen durch immer billigere Preise. Das geht aber nur, wenn man wo spart. Entweder bei den Lebensmitteln oder bei den Arbeitern", sagte der ermittelnde Zollbeamte im Freisinger Fall.

Dem 44-jährigen Angeklagten war in zehn Fällen Einschleusung ausländischer Arbeitskräfte und in acht Fällen Betrug vorgeworfen worden. Zwischen November 2009 und August 2013 hatte er mehrere chinesische "Spezialköche" bei sich beschäftigt. Um die Verlängerung der Arbeitserlaubnis vom Ausländeramt zu erhalten, legte er regelmäßig Verträge vor, nach denen die Köche um die 39/40 Stunden arbeiteten und dafür Gehälter von rund 2000 Euro bezogen. Tatsächlich waren es laut Ermittlungen eher rund 60 bis 65 Stunden in der Woche mit einem Gehalt von 850 bis 1300 Euro. Die Vortäuschung, dass alles nach deutschem Recht verlaufe, um die Verlängerung zu bekommen, wird als Einschleusung gewertet.

In acht Fällen mussten Arbeiter Magenschmerzen beim Arzt vortäuschen. Sie wurden daraufhin krank geschrieben, mussten aber weiter in der Küche arbeiten, während der Angeklagte das Ausfallgeld von der Krankenkasse kassierte. Die AOK wurde so um 4181 Euro betrogen.

Der Angeklagte - in China geboren und seit 1993 in Deutschland lebend - räumte alle Vorwürfe ein, weshalb sich das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Manfred Kastlmeier, der Staatsanwalt und Verteidiger Adalbert Hohenester für 15 Minuten in das angrenzende Besprechungszimmer zurückzogen, um ein "Geschäft" abzuschließen. Sollte sich bei der Beweisaufnahme nichts Gegenteiliges herausstellen, komme der geständige 44-Jährige mit einer Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung davon. Zudem müsse er den angerichteten Schaden bei der Krankenkasse und der Rentenversicherung wieder gut machen. Insgesamt 13 000 Euro.

Aufgekommen war die Sache, weil die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) in Bonn bei den vom Wirt abgegebenen Daten eine Diskrepanz von 300 Euro festgestellt hatte, wie der 36-jährige Zollbeamte vor Gericht aussagte. Der Zoll ist heute nicht mehr nur für die Kontrolle der Grenzen zuständig, sondern auch für die Bekämpfung der Schwarzarbeit. Er prüft, ob Steuern und Abgaben gleichmäßig erhoben werden. "Wir sind auch dafür da, um die Leute zu schützen. Viele sprechen unsere Sprache nicht. Da kann es schnell zur Ausbeutung kommen", sagte der Beamte. Und das sei bei den Chinesen im Land ein "großes Problem".

Die auf den Hinweis des ZAV angeordnete Kontrolle sei wie meistens verlaufen. "Wir sind zwar zu 80 Prozent in Zivil, aber irgendwann merken sie das doch und dann kommt der Ruf in die Küche. Aber am Hintereingang stehen natürlich auch Leute von uns." Der Fall des Angeklagten sei keine Ausnahme. "60 bis 65 Stunden sind nicht unüblich. Wir haben Fälle mit höherer Schlagzahl."

Der Angeklagte - inzwischen deutscher Staatsbürger - räumte auch nach der Beweisaufnahme alles ein. Es sei schlimm in der Gastronomie, immer müsse man sparen, sagte er. Das mit den Arbeitszeiten sei in der chinesischen Kultur "kompliziert". Irgendwie sei immer Betrieb, es gebe aber auch Ruhezeiten oder längere Urlaube in der Heimat. In Deutschland müsse man auch für diese Zeiten als Arbeitgeber bezahlen, in China nicht. Dass 60 bis 65 Stunden "nicht unüblich sind", bestätigte auch der Zollbeamte und hielt dem Angeklagten zu Gute, dass alle Köche ihm bescheinigt hätten, dass er sie gut behandelt habe. In der Branche, so der Beamte, seien oft auch Züchtigungen der Fall. Zu seinen Gunsten sprach auch, dass er zuvor noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Der Staatsanwalt verlangte ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung, das Gericht verhängte ein Jahr und drei Monate. "Dass die Leute mit den Arbeitsbedingungen zufrieden sind, das hört man auch nicht oft", sagte Richter Kastlmeier.

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