Ganz Fahrenzhausen hilft:Ein Leben retten

Ganz Fahrenzhausen hilft: Katharina Hunneshagen hatte die Kanülen für die Blutentnahme vorbereitet.

Katharina Hunneshagen hatte die Kanülen für die Blutentnahme vorbereitet.

(Foto: Marco Einfeldt)

Dass es viele sein würden, die zur Typisierung für den an Leukämie erkrankten Florian Kettner kommen würden, war klar. Erschienen sind 2119 Menschen, diese Zahl hat dann doch alle überrascht.

Von Alexandra Vettori, Fahrenzhausen

Alle Wiesen um die Grundschule waren zu Parkplätzen umfunktioniert, im Schulhaus drängten sich die Menschen, davor saß man auf Bierbänken in der Herbstsonne zusammen, in der Turnhalle herrschte geschäftiges Treiben und alle wollten nur eines: Helfen.

Dass es viele sein würden, die zur Typisierung für den an Leukämie erkrankten Florian Kettner (30) aus Großeisenbach kommen würden, war schon vorher klar, doch die tatsächliche Zahl derer, die am Sonntag zur Blutentnahme kamen, war dann doch überwältigend: Am Schluss standen 2119 Namen potenzieller Stammzellenspender auf den Listen, 40 923 Euro an Bargeldspenden gingen allein an diesem Tag ein.

Ganz Fahrenzhausen hilft: Lange Schlangen vor der Turnhalle in Fahrenzhausen.

Lange Schlangen vor der Turnhalle in Fahrenzhausen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Rainer Pflügler, ein Freund Florian Kettners, war begeistert. Seit Wochen hatten er und weitere Freunde die Werbetrommel für die Typisierungsaktion gerührt, Plakate aufgehängt, und schon im Vorfeld über 28 000 Euro gesammelt. Die Hilfsbereitschaft sei enorm gewesen, erzählte Pflügler.

130 Helfer waren allein an diesem Sonntag im Einsatz, 40 bei der Datenerfassung, acht bei der Zwischenkontrolle, 25 Arzthelferinnen aus den Fahrenzhausener Praxen legten eine Sonntagsschicht ein, um Blut abzunehmen. Der örtliche Internist Johann Völkl stand für Notfälle zur Verfügung. Dazu kamen noch acht Leute für die Endkontrolle und die Fahrenzhausener Feuerwehr, die den Parkverkehr regelte. "Wir mussten zum Schluss sogar Leuten absagen", erzählte Rainer Pflügler.

Der, um den es bei allem ging, Florian Kettner, konnte nicht dabei sein, er ist noch im Krankenhaus. Am Freitag habe er ihn in der Klinik besucht, erzählte Pflügler, der Zustand des Kranken sei stabil. Die Ärzte hätten Florian sehr gelobt, weil er die bisherigen Chemotherapien so gut vertragen habe. Jetzt darf der Kranke für zwei Wochen nach Hause, dann folgt der dritte Chemoblock und dann - so ein geeigneter Spender gefunden wird - kommt die Stammzellentransplantation.

"Weil es damit noch fünf Wochen dauert, bis Florian eine Spende erhalten kann, können alle Leute, die heute hier spenden, auch tatsächlich Florian helfen, wenn die Merkmale stimmen", sagte Pflügler. Denn die Auswertung der Blutproben dauert ebenfalls einige Wochen.

Einer, den die Aktion tief berührte, half auch mit, Vincent Kammerloher. Der 23-Jährige aus Wolfersdorf war vor zwei Jahren selbst an Leukämie erkrankt, auch für ihn lief eine Typisierungsaktion, bei der sogar sieben passende Stammzellenspender gefunden wurden. Die Transplantation im Vorjahr verlief gut - heute ist Vincent gesund. Er habe damals eine halbe Stunde lang zu seiner eigenen Typisierungsaktion kommen dürfen, erzählt er, das Gefühl, so viel Hilfsbereitschaft zu empfangen sei, "ich kann es nicht anders sagen: einfach geil!"

Eine Typisierung kostet 40 Euro, Geld, das nach Möglichkeit von den Aktionsgruppen selbst aufgebracht werden soll. Wo es nicht reicht, springt die gemeinnützige Organisation Deutsche Knochenmarkspenderdatei, DKMS, ein. Wird mehr Geld gesammelt, als für die Typisierung nötig, fließt das Geld an die DKMS.

Selbst die DKMS-Mitarbeiter sind beeindruckt

Selbst die Mitarbeiter der DKMS seien von der Welle der Hilfsbereitschaft in Fahrenzhausen beeindruckt gewesen, erzählte Pflügler. "Die hatten kürzlich eine Aktion in München, da kamen 300 Leute. In der Stadt ist es halt anonymer, aber hier auf dem Land, da kennt jeder jeden und da hilft man auch."

So wurden zum Beispiel für diesen Sonntag alleine 122 Kuchen gebacken. Auch Geldspenden gingen ein, zum Beispiel 1000 Euro vom Burschenverein Eching, 1000 Euro von der Unterschleißheimer Feuerwehr oder 500 Euro vom Fußballfanclub Red Wood Cats aus Otting. Der Fußballclub Kammerberg hat seine Spiele extra auf Samstag vorverlegt, damit am Sonntag alle kommen konnten. Bürgermeister Heinrich Stadlbauer war dabei, die Gemeinde half, wo sie konnte. Doch ohne solche Freunde, lobte Stadlbauer, wäre die Aktion niemals ein solcher Erfolg geworden: "Das haben sie wirklich super organisiert."

Fußballer waren viele zu sehen, schließlich ist auch Florian Kettner begeisterter Kicker. Die drei jungen Burschen vor dem Würstelstand, waren noch in den Trikots vom FCA Unterbruck, sie kamen gleich nach dem Abpfiff. "Wir haben drei Herrenmannschaften, die waren alle da", erzählte der 18-jährige Florian. Das Motiv? "Helfen, einfach helfen", antwortet Tobias. Gegen Haag hätten sie heute gespielt, berichtete Andrè, "leider verloren, aber wir haben die Haager dann hier wieder getroffen."

Vor dem Turnhalleneingang, in dem die eigentliche Registrierung und Blutentnahme stattfand, stand Sebastian Manhart. Er habe vor zwei Jahren schon einmal Stammzellen gespendet, erzählte er. Fünf Tage davor bekam er zweimal täglich eine Spritze, damit sein Körper mehr Stammzellen produzierte, "leichte Kopf- und Gliederschmerzen hatte ich, sonst nichts", dann wurden in einer Klinik in Dresden 300 Milliliter Stammzellen entnommen. "Die kamen nach Amerika, zu einem 34-Jährigen, der ist heute gesund."

Nach dem Gefühl gefragt, strahlt Sebastian Manhart: "Top! Recht viel einfacher kann man einem Menschen das Leben nicht retten."

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