Fußball-Schiedsrichter:Job für ganze Kerle

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Wer Unparteiischer sein will, muss ein robustes Gemüt haben. In der Spielgruppe Freising ist Gewalt auf den Plätzen aber kaum ein Problem, am Schlimmsten führen sich die Mütter der Jüngsten auf

Alexander Kappen

- In der C-Jugend hat Dominik Strebel die meiste Zeit auf der Bank verbracht. Keine schöne Sache für einen jungen Fußballer, der eigentlich mit den anderen über den Platz jagen und wichtige Tore schießen, Gegentore verhindern oder entscheidende Pässe spielen möchte. Mancher Jugendliche verliert in solch einer Situation die Lust an seinem Sport. Dominik Strebel fand für sich einen anderen Weg: Er begann im Jahr 2002 als Schiedsrichter. Heute pfeift der 24-jährige Moosburger in der Bayernliga und ist als Assistent in der Regionalliga und A-Junioren-Bundesliga im Einsatz.

Für Benjamin Heigl, Obmann der Schiedsrichtergruppe Freising, ist Strebel "natürlich ein Traum, er ist ein super Talent". Aber solche Talente, von denen es in einem Schiedsrichter-Neulingskurs mit viel Glück vielleicht ein oder zwei gibt, sind dünn gesät. Genau genommen fehlt es der Freisinger Gruppe inzwischen generell an Schiedsrichtern. Für den nächsten Neulingskurs, der am 22. Februar beginnt, suche er noch "dringend Leute", sagt Heigl. Aber: "Das hat nichts mit den jüngsten Vorfällen in Dachau zu tun, auch wenn diese für uns natürlich nicht förderlich sind."

Schon bevor der Dachauer Schiedsrichter-Obmann Hans-Jürgen Schreier und sein Vize Andreas Hitzelsperger vor rund zwei Wochen wegen der Gewalt auf den Fußballplätzen zurücktraten und damit ein großes Medienecho auslösten, hat Heigl in seinem Zuständigkeitsbereich eine bedenkliche Entwicklung registriert: In diesem Jahr konnte er erstmals nicht alle B- und C-Klassenspiele mit einem Schiedsrichter besetzen. In der Jugend droht demnächst dasselbe Problem.

Und das, obwohl im relativ kleinen Fußballkreis Freising die Welt eigentlich noch in Ordnung ist. "Bei uns gibt es sicher auch mal Ärger, aber wir haben das im Griff, das ist alles im Rahmen", beteuert Heigl. Auch wenn der Schiedsrichterjob nichts für Zartbesaitete ist. "So, wie man da manchmal beschimpft wird, braucht man schon ein dickes Fell." Mit am schlimmsten seien die Mütter bei E- und-F-Jugendspielen, sagt der Obmann und verweist auf einen Fall im Kreis Erding, wo eine Mutter einen pfeifenden Betreuer mit dem Regenschirm geschlagen hat und die Polizei angerückt ist. Das sei aber ebenso die Ausnahme wie jenes Relegationsspiel, in dem er selbst einen Schlag abbekam, weil er als Assistent dazwischen sprang, als ein Spieler sich auf den Schiedsrichter stürzen wollte.

Partien, in denen es erfahrungsgemäß knifflig werden könnte, versucht man in der Freising Gruppe schon dadurch die Brisanz zu nehmen, in dem man erfahrene Unparteiische dafür einteilt. Heigl möchte gar nicht einmal von "Problemvereinen", sondern eher von "Problemspielen" sprechen: "Man weiß ja vorher, dass es, wenn Verein A gegen Verein B spielt, Probleme geben kann." Wenn beispielsweise für ein brisantes Derby in Freising selbst mal keine geeigneten Schiedsrichter zur Verfügung stehen, wird eben aus benachbarten Schiedsrichtergruppen einer angefordert. "Dann rufe ich da an und sage: Wir haben ein Harakirispiel, schickt uns einen gestandenen Bezirksliga-Mann."

In der Regel geht es auf den Fußballplätzen des Landkreises aber gesittet zu. Auch das Verhältnis der Schiedsrichter zum Sportgericht und den Vereinen sei sehr gut, betont Heigl. Man könne über alles reden. Auch in Fällen, in denen bestimmte Schiedsrichter und Mannschaften einfach nicht zusammenpassen. Wenn ein Verein mit so einem Anliegen sich an den Obmann wendet, regelt der das nach Möglichkeit derart, dass er den Schiedsrichter Spiele dieses Vereins eine Zeit lang nicht pfeifen lässt. Um das Verhältnis zu den Klubs noch weiter zu verbessern, schlägt Heigl in den unteren Klassen die Einführung von Schiedsrichterbetreuern vor, wie sie in der Bezirksliga üblich sind. Als positives Bespiel führt Heigl den A-Klassisten SG Istanbul Moosburg an, wo Ibrahim Karaca diesen Part bereits jetzt übernimmt.

Allerdings wisse er, dass es in Zeiten, in denen man kaum Funktionäre finde, nicht leicht sei, auch noch diesen Posten zu besetzen. Zahlreiche Klubs schaffen es nicht mal, genügend Schiedsrichter zu rekrutieren. Für jedes aufstiegsberechtigte Erwachsenenteam und jede A-Jugendmannschaft muss ein Klub einen Unparteiischen stellen. Die wenigsten erreichen die geforderte Zahl - und müssen saftige Geldstrafen zahlen. "Es gibt Vereine, die pro Saison mehr als 1000 Euro zahlen ", weiß Heigl.

Und so gehen ihm halt langsam die Schiedsrichter aus. Von den 220, die der Gruppe angehören, sind viele wegen Verletzung, Ausbildung oder sonstiger Gründe freigestellt. Mit nicht einmal 100 muss der Obmann momentan auskommen. Dabei wäre es in seinen Augen gerade in Jugendspielen, die zwei Drittel aller Partien ausmachen, so wichtig, einen Schiedsrichter stellen zu können. Vom Jugendlichen über den Frührentner bis zum ehemaligen Fußballer, der seine Laufbahn beendete hat, er würde sich über jeden Zugang freuen. Von der Aufwandsentschädigung, die zwischen 15 Euro für Frauen- und Jugendspiele und 28 Euro für Bezirksligapartien liegt, wird man zwar nicht reich. Aber, so Heigl: "Es ist ein nettes Taschengeld, mit dem man zum Beispiel seine Frau zum Essen ausführen kann." Ist ja schließlich ganz schön, mal etwas mit einer Frau zu unternehmen, von der man nicht mit dem Regenschirm geschlagen wird.

Im Sitzungssaal darf Dieter Thalhammer nicht mehr läuten. Dem Alt-Oberbürgermeister zu Ehren aber gibt es bald ein ganzes Glockenspiel im Rathaus. (Foto: Marco Einfeldt)
© SZ vom 03.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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