Frustration in Eching:Kontron-Mitarbeiter sind empört

Unternehmerische Fehlentscheidungen haben ihrer Ansicht nach den Echinger Computerhersteller in Schwierigkeiten gebracht. Hoffnung haben sie kaum noch.

Von Peter Becker

"Nun kommt der endgültige Todesstoß." So beurteilen Mitarbeiter des Unternehmens Kontron die Entscheidung, die Zentrale bis Mitte 2014 von Eching nach Augsburg zu verlegen. Sie betrachten dies als weitere Fehlentscheidung des Managements, wie es ihrer Meinung nach in den vergangenen Jahren so viele gegeben hat. Diese hätten das Unternehmen erst in eine schwierige Lage gebracht. "Doch das Management wäscht seine Hände in Unschuld", bemängelt eine Mitarbeiterin, die ebenso wie ihr Kollege ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Dies könnte die derzeit angespannte Situation belasten, begründen sie diese Entscheidung. Beide verstehen sich allerdings als Sprachrohr für die Belegschaft, in der im Augenblick Frust herrscht über die ungewisse Zukunft.

Was den Mitarbeitern des Computerherstellers besonders nahe geht, ist, dass ausgerechnet die Zentrale in Eching schließt. Diese ist die eigentliche Keimzelle des Unternehmens. "Wir sind Kontron", betont die Mitarbeiterin im Namen der Kollegen, die seit Jahrzehnten dort arbeiten. Sie mussten dabei zusehen, wie verschiedene Geschäftszweige in andere Firmen verlagert wurden. So wie die Produktion nach Augsburg, wo jetzt ein High-Tech-Campus entstehen soll. Das kündigte zumindest die Geschäftsleitung in der vergangenen Woche an. Die Belegschaft wirft der Unternehmensleitung vor, eine Umstrukturierungsaktion nach der anderen durchzuziehen, ohne die vorige zu einem Abschluss gebracht zu haben. Die Folge: hohe Unzufriedenheit bei Kunden und Mitarbeitern. Einst flache Hierarchien mit kurzen Dienstwegen wurden durch zeitraubende Vorschriften ersetzt. Lange Lieferzeiten und die verzögerte Entwicklung von Projekten seien die Folgen gewesen. Die beiden Mitarbeiter sind überzeugt, dass sich der Kontron-Konzern Millionenbeträge hätte sparen können, wenn die Unternehmungsleitung die Belegschaft befragt hätte. So laufe man durch die Fehlentscheidung der vergangenen Jahre und den damit einhergehenden Verlusten Gefahr, noch mehr an Boden zu verlieren. Seit zehn Jahren, klagen die beiden Mitarbeiter, soll der Konzern wieder auf Kurs gebracht werden. Dies führte unter anderem dazu, dass der Aufsichtsrat 2012 den als Sanierer bekannten Rolf Schwirz für den glücklosen Ulrich Gehrmann als Vorstandsvorsitzenden ins Boot geholt habe.

Die Mitarbeiter finden, dass die Zentrale in den vergangenen Jahren zu Gunsten der neuen Standorte geschwächt wurde. Kompetenzen seien an andere Standorte verlagert und Mitarbeiter in Eching entlassen worden. Die Unternehmensleitung haben es im Gegenzug nicht verstanden, die zugekauften, insolventen Firmen, zu denen auch Augsburg gehöre, in den Echinger Betrieb zu integrieren. Es sei empörend, dass alles nach Augsburg wandern solle. "Wieder einmal müssen die kleinen Angestellten mit ihren Arbeitsplätzen bezahlen", ziehen die beiden Kollegen ein Fazit. Dabei bemängeln die beiden Mitarbeiter die Entscheidung, den Konzern neu aufzustellen, nicht. "Nur der Standort ist falsch", stellt der Mitarbeiter fest. In Augsburg gebe es keine Infrastruktur. Von Eching aus sei es nicht weit nach München und zum Flughafen. Und in der Nachbarschaft von Kontron, im Echinger Gewerbegebiet, stünden genügend Gebäude leer, um dort etwas aufzuziehen. Gleichwohl weiß der Mitarbeiter, dass die Geschäftsleitung kaum von ihrem Vorhaben abrücken wird. "Das ist unternehmerische Freiheit", sagt er. Was sie Schwirz vorwerfen, ist, dass er wie seine Vorgänger nicht abwartet, ob die bereits beschlossenen Sanierungsmaßnahmen greifen.

Was die Entscheidung für sie schwer nachvollziehbar macht, ist der Umstand, dass es sich in Augsburg bislang um einen reinen Produktionsbetrieb handelt. Wertvolles Know-how aus den Technologiestandorten Eching, Roding und Kaufbeuren geht nach Ansicht der beiden Mitarbeiter verloren, wenn nicht genügend Mitarbeiter bereit seien, nach Augsburg zu pendeln. Doch dahinter stecke vermutlich das Kalkül, dass gerade die langjährigen Kollegen diesen Schritt nicht mitvollziehen. So könnten Arbeitsplätze ersatzlos wegfallen. Außerdem plant der Konzern, sich in Asien besser aufzustellen. Das könne nur zu Lasten der deutschen Standorte gehen, fürchtet die Belegschaft.

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