Boom der Boardinghäuser:Heute hier, morgen dort

Boom der Boardinghäuser: Auch an der Kammergasse in Freising wird gerade wieder ein neues Boardinghaus gebaut

Auch an der Kammergasse in Freising wird gerade wieder ein neues Boardinghaus gebaut

(Foto: Marco Einfeldt)

Viele Arbeitnehmer müssen heute extrem flexibel sein: Wechselnde Arbeitsplätze und projektgebundene Verträge sorgen für einen Boom des Modells "Boardinghaus": Die Mieter kommen aus der ganzen Welt nach Freising.

Von Regina Bluhme, Freising

An der Freisinger Kammergasse wird gerade kräftig gebaut. Eine große blau-weiße Plane am Zaun verrät, was hier im Frühjahr 2016 eröffnet wird: Das "Altstadt Boardinghaus". Die Nachfrage nach "Wohnen auf Zeit" im vollmöblierten Appartement ist groß, gerade im Einzugsgebiet von München und vom Flughafen. Im Landkreis gibt es mittlerweile zahlreiche Angebote und es gibt sie in Freising und Neufahrn ebenso wie in Gammelsdorf oder Niederhummel.

"Wir können die Nachfrage kaum stillen", so beschreibt Walter Wurmseher, Betreiber des Freisinger "Altstadt Boardinghauses", seine Erfahrung. Der Inhaber von Immobilien Wurmseher hat zwei Häuser in Notzing bei Erding und in München geplant und projektiert. "Mittlerweile haben wir schon Stammkunden", berichtet Wurmseher. "Zum Beispiel Leute, die für drei Monate ein Projekt am Flughafen leiten", so Wurmseher. Oder auch IT-Spezialisten aus Indien, die für ein paar Monate zur Schulung nach Deutschland kommen.

Eine Miete darf maximal sechs Monate dauern

Per Gesetz dürfen Boardinghäuser, international auch Serviced Apartments genannt, maximal sechs Monate belegt werden. "Wohnen auf Zeit" bedeutet, dass man sich in den vollmöblierten Appartements selber verpflegen kann. Neben Bad und Schlafraum gehört auch eine kleine Küchenzeile dazu, inklusive Kochgeschirr, Besteck, Kaffeemaschine, Spülmaschine. Alle Boardinghäuser haben auch einen Münzwaschautomaten im Angebot. Reinigung der Zimmer sei ebenfalls im Preis inbegriffen, so Wurmseher. Im Freisinger "Altstadt Boardinghaus" sollen insgesamt fünf Appartements mit jeweils 50 bis 60 Quadratmetern entstehen. "Die Zimmer sollen wohnlich sein", informiert Wurmseher. Für die Bewohner des Boardinghauses gibt es codierte Schlüssel und eigene Briefkästen, fügt er hinzu.

Schon seit ein paar Jahren steht in Freising ein Boardinghaus am Bahnhof, aufgeteilt in das "Haus City" und das "Haus Villa". Alle beide sind gut ausgelastet, wie zu hören ist. Im gesamten Landkreis gibt es mittlerweile die verschiedensten Angebote. Vom Single-Appartement bis zum Vierbettzimmer, vom Vier-Sterne Apart-Boardinghouse bis zur schlichten Monteurswohnung. In Neufahrn wurde 2013 die MUC-Lodge mit zwölf Appartements unterschiedlicher Größe eröffnet.

Schon bald gibt es weitere acht Penthouse-Apartments

"Wir waren von Anfang an komplett belegt", berichtet Betreiber Klaus Ferstl. "Bald stehen weitere acht Penthouse-Apartments mit Dachterrasse zur Verfügung". Die Nähe zu München und zum Flughafen lasse "in Zeiten von wechselnden Arbeitsplätzen und Zeitverträgen" die Boardinghäuser regelrecht boomen. Seine Kundschaft besteht aus Geschäftsleuten, die im Raum München Zeitverträge haben, Planer, die am Flughafen ein zeitlich begrenztes Projekt stemmen, Praktikanten der Airlines oder Angestellten, die noch ihre Probezeit absolvieren. Studenten nimmt Ferstl ebenfalls auf. Für sie gibt es einen Studenten- beziehungsweise Azubi-Preisnachlass. Auch für Walter Wurmseher ist es durchaus "denkbar, dass wir auch Studenten bedienen".

Der wichtigste Wachstumsmarkt liegt in Deutschland

"Deutschland wird als der derzeit wichtigste europäische Wachstumsmarkt für Serviced Apartmentes gesehen", erklärt Anett Gregorius, Geschäftsführerin von Boardinghouse Consulting und Betreiberin der unabhängigen Buchungsplattform "apartmentservice.de". Das Segment habe eine "rasante Entwicklung durchlaufen": Mitte der 90er Jahre habe es etwa 50 Häuser dieser Betriebsart auf dem deutschen Markt gegeben, " heute stehen rund 750 Häuser mit gut 25 000 Apartments zur Verfügung - mit steigender Tendenz", so Gregorius.

Speziell der Markt in München sei "stark in Bewegung", heißt es von Seiten der Boardinghouse Consulting. Im vergangenen Jahr hätten in der Landeshauptstadt mehrere Ketten Häuser eröffnet, hinzu kommen größere und kleine Anbieter in und rund um München. Im Großraum München gibt es nach Auskunft von Annet Gregorius "aktuell rund 70 Häuser mit 4500 Einheiten". Für die Unternehmen böten Serviced Apartments "einen höheren Mehrwert bei niedrigeren Kosten" mit Preisen von "20 bis 40 Prozent unter dem Preisniveau qualitativ vergleichbarer Hotelzimmer", so Gregorius. Sie erwartet, "dass die Nachfrage weiter wächst".

Internationale Suchmaschinen kennen nur Serviced Apartmentes

Auch für Klaus Ferstl sind die Boardinghäuser "das Konzept der Zukunft". Bei der Vermarktung, die fast ausschließlich über das Internet erfolgt, gebe aber einen kleinen Haken. Die Betreiber sollten sich für die internationalen Suchmaschinen auf einen gemeinsamen Begriff einigen. Denn, so Ferstl, "im internationalen Sprachgebrauch ist das Wort ,Boardinghouse' so gut wie unbekannt".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: