Freising vor der Kommunalwahl:Wilde Wechsel

Der neue Freisinger Stadtrat hat viele schöne Projekte auf der Agenda, er muss aber auch mit kostspieligen Verpflichtungen zurecht kommen. Acht Parteien und Gruppen bewerben sich um 40 Sitze.

Von Kerstin Vogel

Die Zeiten, in denen der Freisinger Oberbürgermeister mit einer stabilen Mehrheit im Stadtrat seine Politik für die Stadt gestalten konnte, liegen lange zurück - und das wird sich auch bei der anstehenden Wahl nicht ändern. Insgesamt acht Fraktionen sitzen derzeit in dem 40-köpfigen Gremium, sie alle wollen auch in den nächsten sechs Jahren mitreden und mitentscheiden. Mit Freien Wählern (8), FSM (6), Grünen (7) und SPD (7) sind vier davon in etwa gleich stark, gleichwohl aber von einer eigenen Mehrheit weit entfernt.

Dabei entspricht die Zusammensetzung des aktuellen Stadtrats schon lange nicht mehr dem Wählervotum aus dem Jahr 2008: Im Spätsommer 2011 spaltete sich die Freisinger Mitte von der CSU ab und hinterließ die einst stärkste Fraktion der Christsozialen zunächst als trauriges Trio.

Nach der Oberbürgermeisterwahl im März 2012, die von der neuen FSM mit ihrem Kandidaten Tobias Eschenbacher gewonnen wurde, kam der Nachrücker dann allerdings von der CSU-Liste und auch für FSM-Stadtrat Florian Notter, der im Herbst 2012 Stadtarchivar wurde und sein Mandat deshalb abgeben musste, kam der Neue von der Ersatzbank der Christsozialen. Die stellen aktuell damit fünf Stadträte, darunter der im vergangenen Herbst gewählte Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer, der nicht erneut kandidiert und damit die Notwendigkeit zu einem Neuanfang im Freisinger CSU-Ortsverband eher noch zementiert hat.

Festzuhalten bleiben außerdem der Wechsel von Stadträtin Eva Bönig zu den Grünen Ende April 2012, der umgekehrte Wechsel von Adelheid Nast und Christoph Bauer etwa ein Jahr später von den Grünen an den Ratstisch der Genossen - und wenige Wochen zuvor der Austritt des seither fraktionslos agierenden FSM-Stadtrats Oliver Pflüger aus der Freisinger Mitte. Eine etwas verwirrende Geschichte alles in allem, die aber nun zu einiger Spannung im Kommunalwahlkampf beiträgt. Zentrale Frage dürfte dabei sein, wie die Freisinger Mitte abschneidet, wenn sie sich wirklich erstmals zu einer Stadtratswahl stellt. Die Erfolge bei der Mitgliederwerbung in den vergangenen beiden Jahren seit der Gründung lassen da hoffen, und es ist durchaus möglich, dass der Wählerverein dem einen oder anderen "Schwarzen" in Freising als akzeptable Alternative erscheint - auch, weil der geplante und in Freising höchst ungeliebte Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen natürlich von der CSU-geführten Staatsregierung zu verantworten ist. Der Spagat, den die Christsozialen in Freising mit ihrer angeblichen Ablehnung des Flughafenausbaus vollführen, erscheint manch einem dann eben doch wenig glaubwürdig.

Umgekehrt könnte die Auseinandersetzung um die Startbahn einmal mehr den Freisinger Grünen nützen. Groß ist bei den Startbahngegnern die Empörung nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der die Baugenehmigung für die umstrittene Piste erst kürzlich ohne Wenn und Aber für rechtens erklärt hat. Durchaus möglich also, dass die Ökopartei ihren Erfolg von 2008, als sie neun Sitze im Freisinger Stadtrat eroberte, wiederholen kann, doch auch den Freien Wählern ist mit ihrer starken Liste einiges zuzutrauen - und die ÖDP beispielsweise verfügt Dank ihrer konstanten kommunalpolitischen Arbeit in der Stadt über ein zwar kleines Wählerpotenzial, das aber gleichwohl für drei oder vier Sitze im Stadtrat gut sein dürfte.

Es bleibt also spannend in der Domstadt, und das auch, weil der alte Stadtrat für 2014 einen Rekordhaushalt aufgestellt hat und auch die Finanzplanung für die kommenden Jahre enorme Summen bindet. Damit könnte der neue Stadtrat als derjenige in die Geschichte eingehen, der all die schönen Projekte, die sich die Bürger angeblich so sehnlich wünschen oder die so dringend gebraucht werden, endlich umgesetzt hat.

Ob Eisstadion, Kombibad, Isarsteg, "neue" Innenstadt oder Umgestaltung der Unterführung am Bahnposten 15: All diese so titulierten Bürgerprojekte, mit denen nun nach all den teuren Umbauten von Verwaltungsgebäuden endlich etwas für die Freisinger getan werden soll, könnten in den nächsten sechs Jahren realisiert oder zumindest definitiv auf den Weg gebracht werden - nicht schlecht, wenn man sich das als Stadtrat an die Brust heften kann.

Doch die Freisinger Politik birgt auch Risiken. Für den Bau der höchst umstrittenen Westtangente sind enorme Verpflichtungsermächtigungen eingegangen worden - böse Überraschungen in finanzieller Hinsicht aber sind bei so einem Mammutprojekt niemals ausgeschlossen. Die unbestreitbar notwendige Sanierung des Asamkomplexes wird zudem mindestens 50 Millionen Euro kosten, wie viel davon an Zuschüssen fließt, ist nach wie vor völlig offen. Die Verantwortung für die enormen Schulden der Stadt aber trägt auch der Stadtrat - eine Garantie auf eine ruhmreiche Amtszeit gibt es also für die Kandidaten keinesfalls.

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