Freising:Perfekt geschilderte Momente

Freising: Rund dreißig Literaturbegeisterte waren am Donnerstagabend zur Lesung des Schriftstellers Navid Kermani gekommen.

Rund dreißig Literaturbegeisterte waren am Donnerstagabend zur Lesung des Schriftstellers Navid Kermani gekommen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Autor Navid Kermani liest im Kardinal-Döpfner-Haus aus seinem Buch "Große Liebe" anlässlich des LIT.fest München

Von Ronja Schamberger, Freising

Die große Liebe hat er schon mit 15 Jahren erlebt. Verrückt war sie, voller Entzückung, peinlich und entrückt aber auch voller Trauer und Schmerz. Der Erzähler in Navid Kermanis Roman "Große Liebe", heute 45-jährig, blickt zurück auf diese Große Liebe, die er als Jugendlicher im Frühjahr 1983 erfuhr.

Rund dreißig Literaturbegeisterte sitzen am Donnerstagabend im Kardinal-Döpfner-Haus und warten auf den Beginn der Lesung des Schriftstellers Navid Kermani. Hergeführt hat sie das LIT.fest München 2015, ein Kunst- und Literaturprojekt zum 50-jährigen Jubiläum des Zweiten Vatikanischen Konzils. Eingeladen wurde der Autor von Professor Erich Garhammer von der Universität Würzburg.

Getreu dem Leitspruch des Literaturprojektes "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst" gehe es in Kermanis Roman "Große Liebe" um die großen Gefühle der Menschen von heute, sagt Garhammer in seinen Begrüßungsworten. Kermani bemühe in seinem Werk "die gesamte orientalische Liebesmystik", deshalb sei Garhammer froh, den Autor für die Lesung in Freising begrüßen zu dürfen.

Der breiten Masse bekannt wurde Navid Kermani wahrscheinlich durch seine Festrede vor dem deutschen Bundestag im vergangenen Jahr zur Feier des 65-jährigen Bestehens des Grundgesetztes. Der Autor wurde 1967 in Siegen geboren und lebt heute als freier Schriftsteller in Köln. Er ist habilitierter Orientalist und Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie der Hamburger Akademie der Wissenschaften. Kermani berichtet zudem aus Krisengebieten, zuletzt aus dem Irak. Seine literarische Arbeit ist geprägt von menschlichen Grenzerfahrungen, seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen auf dem Koran und der islamischen Mystik, die sich auch in seinem Werk "Große Liebe" widerspiegeln. In diesem Roman verknüpft er arabisch-persische Liebesmystik mit einer Liebesgeschichte auf dem Schulhof. Als Kulisse dient der Erzählung die Friedensbewegung der Achtzigerjahre, die für Kermani merklich mehr war als nur das Bild der, so der Autor , "strickenden Männer und unförmig gekleideten Frauen".

Kermani beginnt den Abend mit dem ersten der hundert Kapitel des Romans. Es folgt die Geschichte eines Jugendlichen, der sich in ein älteres Mädchen, "die Schönste" des Schulhofs, verliebt. Kermani schildert den Anwesenden im Saal in ausgewählten Kapiteln die nur wenige Tage währende Liebe, die er von Zeit zu Zeit mit Bildern und Geschichten des wohl berühmtesten arabischen Liebespaars Leila und Madschnun kontrastiert. So schafft er es, die Verrücktheit, die diese Liebe so groß macht, darzustellen und dabei den Rückblick des schmunzelnden Erzählers auf sein 30 Jahre jüngeres Ich nicht zu vergessen.

"Er ist ein Wortkünstler, der Momente perfekt schildern kann. Das war fast besser als ein Kinofilm", sagt der Student Adrian Fuhrmann nach der Lesung. Nachdem die Stimme des Autors verklungen ist, dürfen noch Fragen gestellt werden. Die Sprache kommt auf Bilder und Metaphern, die Kermani bewusst in sein Buch eingewoben hat. So zum Beispiel eine Zahnlücke "der Schönsten", die eine Brücke zum Islam schlägt und sagt, jede menschliche Ausführung bedürfe eines Makels, denn Vollkommenheit stehe nur dem Göttlichen zu. Als die Fragen beantwortet sind, wird der Büchertisch eröffnet. Der Autor signiert bereitwillig alle Exemplare und schreibt, womöglich als Wunsch für seine Leser, in krakeliger Schrift je auf die erste Seite des Buches "Für Sie und Ihre große Liebe".

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