Freising:Kurz vor dem Kollaps

In einer Simulation stellen Verkehrsplaner das Chaos auf den Straßen der Domstadt nach und empfehlen den Bau der Westtangente

Kerstin Vogel

Die Stadträte sahen bunte kleine Autosymbole, die über ein gezeichnetes Straßennetz flitzten. Und sie sahen, wie der simple Stopp eines Paketlasters auf der Johannisstraße einen Rückstau der Flitzer bis auf die Münchner Straße verursachte. Mit einer Simulation hatte das Essener Büro PVT für die Sitzung des Planungsausschusses am Dienstag nachgestellt, was die Freisinger Autofahrer tagtäglich live erleben: Die Überlastung des Freisinger Straßennetzes schon jetzt - weit vor dem Zeitpunkt, zu dem dies eigentlich prognostiziert worden war. Entlastung sei jedoch durch den Bau der Westtangente zu erzielen, so die Botschaft.

Schon heute seien die Zahlen erreicht, die Verkehrsexperte Harald Kurzak im Jahr 2006 für 2025 vorhergesagt habe, schilderte PVT-Verkehrsingenieur Uwe Klar. Allein zwischen 2008 und 2011 habe der Straßenverkehr in der Domstadt um rund elf Prozent zugenommen. Klar setzt sich nun schon seit zehn Jahren mit der Situation auf den Freisinger Straßen auseinander, bisher in erster Linie mit den "intelligenten Ampelschaltungen" des Verkehrssystems.

An deren tatsächlicher Intelligenz und Sinnhaftigkeit zweifeln zwar viele Autofahrer immer wieder, Tiefbauamtsleiter Franz Piller aber ist von der Technik, die dahinter steckt, überzeugt. Viel Geld habe die Stadt in diese Anlagen investiert, räumte er am Dienstag ein, doch ohne diese Modernisierung würde vor allem im Straßennetz vom südlichen Ortseingang her noch viel öfter nichts mehr gehen.

Diese Einschätzung bestätigen die Simulationen der Essener Verkehrsingenieure. Ohne die Umstellung auf eine verkehrsabhängige Ampelschaltung hätte man heute schon "ein massives Problem". Die Knotenpunkte des Straßennetzes hätten "die Qualitätsstufe F, das ist der schlechteste Wert". Auffällig ist für Klar, dass es im Jahr 2002 noch Morgen- und Abendspitzen gab, heute aber die Mittagsstunden zum Teil sogar noch schlimmer seien. Seine Erklärung: Weil die Autofahrer räumlich nicht mehr ausweichen könnten, würden sie es in zeitlicher Hinsicht tun. Wer immer kann, fahre nun also mittags.

Das Freisinger Verkehrssystem sei an der Belastungsobergrenze, machte Klar deutlich - und zeigte anhand einer weiteren Simulation, dass sich die Situation auf der B 11 und weiter auf Saar- und Johannisstraße bis zur Karlwirtkreuzung mit einer Westtangente deutlich verbessern würde. Er müsse daher den Bau dieser Umgehungsstraße empfehlen, so die Folgerung des Verkehrsingenieurs.

Unwidersprochen blieb das im Ausschuss nicht. Auf Nachfrage von FW-Stadtrat Karl-Heinz Freitag zeigte sich, dass die Auswirkungen der Nordostumfahrung, wenn sie einmal gebaut ist, nicht in die Simulationen eingeflossen sind, was unter anderem auch von Grünen-Fraktionssprecher Jürgen Maguhn als notwendig empfunden worden wäre. Maguhn nannte den Auftritt der Verkehrsingenieure im Planungsausschuss zudem eine "Werbeveranstaltung für die Westtangente", was OB Dieter Thalhammer umgehend zurückwies.

Ähnlich empört reagierte er auf Freitags Hinweis, die Stadt sei verpflichtet, wirklich alle Alternativen zu der umstrittenen Umgehung zu prüfen: "So haben wir nicht gewettet, dass wir 40 Jahre planen und diskutieren und dann einen Grundsatzbeschluss fassen - und jetzt sollen wir plötzlich wieder Alternativen überprüfen."

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