Freising:Gemeinschaft erleben

Lesezeit: 3 min

Zwei Tage lang verwandelt sich der Freisinger Domberg in ein großes Jugendlager. "Voll im Leben" ist das Motto der Korbinian-Wallfahrt 2014, an der Tausende aus ganz Bayern teil nehmen

Von Eva Zimmerhof, Freising

Hoch über Freising, auf der Aussichtsplattform am Dom, steht eine schwarze Jurte. Funken stieben heraus in die Nacht. Innen brennt ein Feuer, um das junge Menschen sitzen, die zur Gitarrenbegleitung singen und pfeifen: "Nutze den Tag und nutz die Stunde der Nacht, freu dich, wenn die Liebe dir lacht. Einmal kommt der Sensenmann und hält das Stundenglas an". Das Lied passt in diese Stunden des Feierns und der Besinnlichkeit und trifft zugleich das Thema "Voll im Leben" der Jugendkorbinian-Wallfahrt 2014, die der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und das Erzbischöflichen Jugendamt München und Freising (EJA) an diesem Wochenende ausrichten.

Daniela aus Altenmünster nimmt an der "Rolli-Rallye" teilt und merkt, wie schwer es ist, mit dem Rollstuhl zu fahren. (Foto: Marco Einfeldt)

Um diese Uhrzeit ist auf dem Domberg selten so viel los wie in der Kulturnacht des Korbiniansfestes. Während sich in der Jurte Pfadfinder tummeln, hocken am Eingang des Domgeländes Jungen und rauchen, den Blick still auf die Stadtpfarrkirche St. Georg gerichtet. Im Schein bunter Lichtschläuche liegt ein Mädchen auf dem Boden der Wallfahreroase. Aufgekratzt erzählen die anderen Pilger an kleinen Tischen von ihrem Weg und wärmen sich mit Gewürztee auf, der in Töpfen vor sich hin brodelt. Das in Decken gehüllte Mädchen chillt unterdessen. 40 Kilometer Fußwallfahrt haben es in sich. Dies Strecke sind etwa 60 Jugendliche vom Münchener Liebfrauendom zum Freisinger Dom zu Ehren des Heiligen Korbinian, dem Schutzpatron des Erzbistums München und Freising, gegangen. Weitere fuhren mit der Bahn oder liefen - aus anderen Himmelsrichtungen kommend - kleinere Strecken bis nach Freising. Im Dunkeln tummeln sich etwa 900 Jugendliche auf dem Hügel. Ein Lichtschlauch am Domeingang weist ihnen den Weg zu einem "Blinde Date" hinter der schweren Tür. Durch das Gotteshaus rumpeln pubertierende Jungen mit ihren Stimmen und mit Sportgeräten, so genannten Pedalos. Hier gilt es, einen Parcours zu verschiedenen Lebensstationen zu bewältigen. Die Jugendlichen sollen Wasser in einem Becken so bewusst fühlen wie ein Neugeborenes, sich eine präparierte Brille aufsetzen und damit sehen wie mit Grauem Star oder ihre "größte Teenagersünde" aufschreiben. Zwei Mädchen kichern. Die Krypta ist in buntes Licht getaucht, Musik läuft. Auf den Bänken liegen Führerschein-Fragebögen aus. "Jede Station soll zum Nachdenken anregen, egal ob es sich um weltliche Dinge wie die Führerscheinprüfung oder um Sakramente wie Taufe, Firmung oder Hochzeit handelt", sagt Gisela Hinterstocker vom BDKJ Kreis Rosenheim-Land, der das "Blinde Date" hat. "Das hier ist die coolste Station." Ein Junge schießt die Treppe hinunter. "Hier ist die Partystation", sagt Hinterstocker, "aber Abdancen geht hier leider nicht". Abrocken dürfen die Jungen und Mädchen stattdessen in der vollen Aula des Domgymnasiums zu einer Rock-Coverband, wo die Wallfahrer letzte Energiereserven loswerden.

In einem Pavillon voller Luftballons sollten sich Jugendliche getreu dem Motto "Voll im Leben" spüren. (Foto: Marco Einfeldt)

Am Sonntagmorgen ist es vergleichsweise ruhig auf dem Domberg, dabei ist die Zahl der Pilger auf mehrere Tausend gestiegen. Genaue Angaben kann die Claudia Hoffmann, Öffentlichkeitsreferentin von BDKJ und EJA nicht machen, da sich die Jugendlichen für diesen Tag nicht anmelden mussten: "Es ist aber ähnlich viel los wie in den letzten Jahren. Der Dom ist wieder voll." Dort spricht Kardinal Reinhard Marx zu den Gläubigen: "Liebe Korbi-Follower, viele Jugendliche fragen sich, wo liegt mein Glück, wo bin ich voll im Leben. Entscheidend dafür sind Liebe und Gemeinschaft."

Im Gottesdienst ebenso wie bei den anstrengenden Pilgerfahrten erleben die Jugendlichen an diesem kalten Morgen Gemeinschaft. Einige der von Seelsorgern betreuten Gruppen sind bereits mitten in der Nacht aufgebrochen. "Schlagt eine Brücke zu allen Menschen. Denkt an Behinderte und gerade jetzt an jugendliche Flüchtlinge, geht auf sie zu", mahnt Marx in seiner Predigt. Eine Podiumsdiskussion mit dem Thema "Voll im Leben oder Außen vor? Schließt die Festung Europa ihre Tore?" knüpft an Marx Worte im Kardinal-Döpfner-Haus an. Doch zunächst locken nach dem Gottesdienst die geheizten Zelte auf dem Domplatz: Die Pilger können hier an Aktionen verschiedener Organisationen teilnehmen und etwa ein Sternsingerquiz oder einen Testbogen zu ihren Bairisch-Kenntnissen ausfüllen. Wesentlich zugiger ist es vor dem Dommuseum, dennoch finden immer wieder Jugendliche zur "Rolli-Rallye". "Wisst ihr, wie man Rollstuhl fährt?", fragt Gerhardt Hueck vom Arbeitskreis Barrierefreiheit. Acht Rollstühle fahren im Dauereinsatz Slalom, über Rampen und Matten. Die Pilger stehen dafür an, um sie ausprobieren. Auch die Erwachsenenkorbinian werde vom kommenden Jahr an barrierefrei sein, die Jugendkorbinian habe es vorgemacht, sagt Hueck. "Inklusion ist schon lange ein Thema bei der Jugendwallfahrt - gerade angesichts der Bedingungen auf dem Domberg", sagt der Schwerbehindertenvertreter der Diözese. "Für die kommende Umgestaltung habe ich schon ein paar Wünsche geäußert." "Das ist echt Bizepstraining, uh", seufzt ein Mädchen und reibt sich die Arme. Dann geht es mit seiner Freundin weiter, zum Chillen ins Korbi-Café.

© SZ vom 17.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: