Freising:Es reicht nicht für den Strom

Im Sozialhilfe-Regelsatz sind nur 30 Euro für elektrische Energie enthalten. Hilfsorganisationen fordern wegen steigender Preise eine Anpassung. In Freising sind derzeit 23 Zähler wegen Zahlungsrückstand gesperrt

Von Gudrun Regelein, Freising

Ein Leben im Dunkeln, ohne Licht - abends müssen Kerzen aufgestellt werden. Ohne warme Mahlzeiten, es gibt keinen Kaffee, keinen Tee. Ein Leben ohne Waschmaschine - gewaschen wird mit der Hand oder reihum bei verschiedenen Nachbarn oder Freunden. Ohne Strom sein zu müssen, bedeute für die Betroffenen einen sehr massiven Eingriff, sagt Sabine Schuster von der Sozialberatung für Schuldner der Caritas Freising. Allein die Androhung einer Stromsperre erzeuge bereits massive Existenzängste, vor allem wenn Kinder in der Familie leben. "Die Menschen sind verzweifelt, befinden sich in einer Notsituation. Sie versuchen, bei Verwandten, Bekannten oder Freunden Geld aufzutreiben, um eine Stromsperre abzuwenden", schildert Schuster. Bei Klienten, die wegen Energieschulden in die Beratung kommen, müsse schnell gehandelt werden, sagt Günter Miß, Leiter der Schuldnerberatungsstelle der Caritas Freising. "Das erfordert eine Krisenintervention."

Die Versorgung von Haushalten mit Energie ist laut Bundesarbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatung Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben und für die gesellschaftliche Teilhabe. Um auf das Thema aufmerksam zu machen, veranstaltete die Arbeitsgemeinschaft Ende Juni eine Aktionswoche "Energieschulden - Energiesperren". Bei der Caritas-Schuldnerberatung in Freising kennt man das Problem aus der täglichen Praxis: "Eine drohende oder tatsächliche Stromsperre ist oft der Anlass, sich bei uns Hilfe zu suchen", sagt Sabine Schuster. Insgesamt begleiteten die Sozialen Dienste der Caritas Freising im vergangenem Jahr fast 800 Menschen. "Und bei allen Klienten ist das Thema Energie immer wichtig", berichtet Schuster. Zu Zahlungsschwierigkeiten komme es in vielen Fällen bei der Jahresabrechnungen: "Teilweise war der Stromverbrauch höher als geplant, da beispielsweise kein Geld für Heizöl da war und deshalb ein Heizlüfter angeschafft wurde. Oder die Abschläge wurden zu niedrig angesetzt", erklärt Schuster. Statistisch gesehen seien bundesweit etwa 0,8 Prozent der Haushalte von einer Stromsperre betroffen.

Schuldnerberatung

Kümmern sich um Stromschuldner: Sabine Schuster und Günter Miß.

(Foto: oh)

Haushalte mit geringem Einkommen würden häufig an der falschen Stelle sparen, berichtet Günter Miß. Viele bezahlten Kredite unter dem Druck von Inkassounternehmen zwar weiter, könnten dann aber die Zahlungen an den Energieversorger nicht mehr erfüllen. "Und wenn dann plötzlich das Licht ausgeht, zeigen sich die Klienten in der Beratung überrascht. Dass die Energieversorger in der Regel mehrfach mahnen, übersehen die Menschen häufig", erzählt der Sozialarbeiter. Die Freisinger Stadtwerke würden ihre Kunden mindestens vier Wochen im Voraus über eine mögliche Stromsperre und zusätzlich drei Tage vor der Durchführung informieren, sagt Dominik Schwegler, Geschäftsführer der Freisinger Stadtwerke Versorgungs-GmbH. Dass aber Haushalten tatsächlich der Strom abgedreht werde, käme in Freising nur sehr selten vor. Derzeit gebe es etwa 27 200 Entnahmestellen - davon seien 23 Zähler gesperrt. Der Grund für eine Stromsperrung liege in vielen Fällen in der schlechten Zahlungsmoral bei den monatlichen Abschlägen. "Mehrere Monate in Summe auszugleichen wird dann zum Problem", sagt Schwegler. Bei den Kunden mit sehr geringen finanziellen Mitteln stehe man in Kontakt zu sozialen Einrichtungen und Beratungsstellen und bemühe sich, eine Stromsperre zu verhindern.

Für Günter Miß dagegen reagieren die Energieversorgungsunternehmen viel zu spät, dann aber rigoros. Von bundesweit bis zu 800 000 Strom- und Gassperren weiß die Bundesarbeitsgemeinschaft der Schuldnerberater. "Da können die Wohlfahrtsverbände auch nicht in allen Fällen mit Spendengeldern helfen", sagt Miß. Die Verhandlungen mit den Energieversorgern gestalteten sich sehr schwierig: Ohne Zahlung sei eine Entsperrung nicht möglich. Die Voraussetzungen für das Abstellen von Strom oder Gas durch die Energieversorgungsunternehmen sollten deshalb einer strengeren gesetzlichen Kontrolle und Reglementierung unterliegen, fordert der Sozialarbeiter. Dazu gehöre auch die rechtliche Verpflichtung von Unternehmen und Sozialleistungsträgern, bei Energieschulden frühzeitig zu kooperieren und unabhängige Clearingstellen einzurichten, die bei Schuldnerberatungsstellen angesiedelt werden könnten. "Bei drohender Wohnungslosigkeit ist die jeweilige Kommune zur Unterbringung verpflichtet, bei drohender Stromsperre springt niemand ein", kritisiert Miß. Auch hier müssten Sicherungssysteme eingebaut werden, um ein wochenlanges Leben im Dunkeln zu verhindern. Der Forderung der Bundesarbeitsgemeinschaft, den tatsächlichen Strombedarf in den grundbedarfsbezogene Sozialleistungen - wie Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II - zu berücksichtigen, begrüßt Miß. Derzeit würden die Kosten für elektrische Energie mit dem Regelsatz ausbezahlt: "Im Regelsatz von 391 Euro sind etwa 30 Euro für Stromkosten vorgesehen. Das geht angesichts steigender Energiekosten an der Wirklichkeit vorbei." Diese müssten - so fordert Miß - in tatsächlicher Höhe anerkannt werden.

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