Rewe:Ein Konzern denkt um

Rewe: Karl Seidl, Lokalitätsbeauftragter der Supermarktkette Rewe, hat den Bauernhof von Lydia Lochinger und ihre gut 600 Hühner besucht. Lochinger beliefert den Konzern mit Eiern.

Karl Seidl, Lokalitätsbeauftragter der Supermarktkette Rewe, hat den Bauernhof von Lydia Lochinger und ihre gut 600 Hühner besucht. Lochinger beliefert den Konzern mit Eiern.

(Foto: Marco Einfeldt)

Ob Schweinefleisch oder Eier: Die Supermarktkette Rewe kauft seit Kurzem bei Landwirten aus der Region. Davon profitieren neben den Landwirten auch die Tiere, die nicht in Massenhaltung leben müssen.

Von Alexandra Vettori, Freising

Zweieinhalb Jahre hat es gedauert, bis sie sich gefunden haben. Schweinefleisch hat Benedikt Schuhbauer, Wirt zu Kirchdorf und Metzgermeister, gesucht, nicht solches aus Massentierhaltung, schnell hoch gefüttert mit Kraftfutter, dann durch die halbe Welt gekarrt. Sondern gutes Fleisch von anständig gehaltenen Tieren aus nächster Nähe. "Ich wollte eine Nische schaffen", sagt der 36-Jährige, nicht nur für den eigenen Gasthof Oberwirt. Jetzt hat er den richtigen Partner: Stephan Mirlach, 27 Jahre, Nebenerwerbslandwirt auf dem heimischen Hof in Hub, das zu Hörgertshausen im Nordosten des Landkreises gehört. 50 Muttersauen hat Mirlach im Stall, deren Ferkel er mit Bedacht aufzieht und in Schuhbauers Metzgerei dann möglichst stressarm schlachten lässt. Nicht in Massen, sondern zehn Tiere, jeden Montag.

Einen Teil des Fleisches verkocht Schuhbauer in seinem Gasthof, ein Teil wird unter dem Markenzeichen "Freisinger Land" verkauft. Dazu kommen ein Wirtshaus in Zolling und ein Biergarten in Freising als Kunden. Und: Ganz aktuell ist ein neuer Abnehmer gefunden - ausgerechnet einer der von der Landwirtschaft oft gescholtenen Lebensmittelkonzerne. Die Supermarktkette Rewe verzeichnet zweistellige Zuwachsraten bei regional erzeugten Waren, entsprechend baut man das Segment aus. Vor allem in der Rewe-Zentrale Süd mit Sitz in Eching nimmt man die regionalen Produkte sehr ernst, hier gibt es gleich drei Lokalitätsbeauftragte.

Seit drei Jahren sind regionale Lebensmittel modern, sagt Karl Seidl, "vorher hat kein Hahn danach gekräht"

Karl Seidl ist einer von ihnen, er hält und pflegt den Kontakt mit heimischen Bauern. Das Prinzip ist einfach: Die Bauern bringen ihre Waren in umliegende Rewe-Märkte, dürfen die Preise selbst festsetzen und gewinnen im Idealfall neue Kunden. Seit zehn Jahren beschäftige man sich mit regionalen Lebensmitteln, sagt Seidl, "richtig modern sind sie seit drei Jahren, vorher hat kein Hahn danach gekräht".

Schuhbauer

Benedikt Schuhbauer (links) und Stephan Mirlach setzen auf Fleisch von glücklichen Schweinen.

(Foto: oh)

Zehn der glücklichen Schweine aus Hub will Rewe jede Woche im Landkreis verkaufen, ganz geschafft hat man das noch nicht, derzeit sind es 7,5. Das Problem: Ein Schwein besteht nicht nur aus Filet und Braten. 50 Prozent Fleisch, 50 Prozent Wurst, ist die Rechnung, die früher aufging. Heute aber essen genau die ernährungsbewussten Kunden, die Geld für regionale Produkte ausgeben, eher Rind- als Schweinefleisch und noch weniger Wurst. Dazu kommt, dass die regionale Ware, weil nicht aus Massenzucht, teurer ist. Da kostet das Paar Weißwürste dann nicht 1,29 Euro, sondern 1,59. "Preise, die in der Stadt sowieso verlangt werden, weiter draußen aber schwierig sind", weiß Schuhbauer. Es fehle, sagt Bauer Mirlach, "einfach das Bewusstsein beim Verbraucher". Einerseits schimpften alle auf die Massentierhaltung, andererseits schaue man nur auf den Preis.

Mirlach lässt sich trotzdem nicht beirren. "Ich schau, dass ich die perfekte Metzgersau krieg", sagt er mit glänzenden Augen. Das Fett an der richtigen Stelle, langsames Wachstum, 50 Prozent mehr Platz in der Haltung, das heißt aber auch mehr Futter und höhere Kosten. Gefüttert wird überwiegend selbst angebautes Getreide, im Stall liegt viel Stroh.

Im Abferkelstall liegt jede Muttersau in einem so genannten Ferkelschutzkorb, einem engen Metallgatter. Was den tierlieben Laien schockiert, ist aus Erfahrung geboren: "Man muss das Wohl der Sau gegen das Leben der Ferkel rechnen", sagt Stephan Mirlach, denn immer wieder zerdrückten die riesigen schweren Tiere ihre winzigen Jungen. So bleibt die Sau fixiert, kann nur aufstehen und sich hinlegen. Die Ferkel liegen daneben im Ferkelnest auf Wärmeplatten und können, so sie die mütterlichen Zitzen suchen, unter dem Gatter zur Mutter durchschlüpfen.

In den Mutter-Kind-Boxen ist Spaltenboden, auch das sehe schlimmer aus, als es sei, sagt Mirlach: "Die Sau mag die Kühle, die durch die Ritzen kommt, ich sehe immer wieder, dass sie im anderen Stall, wo sie wählen können, nicht auf dem Stroh liegen, sondern auf Spalten." Außerdem ist der Boden so hygienischer für den empfindlichen Nachwuchs. Spielzeug gibt es auch, alte Schläuche oder Ketten, Schweine nagen gerne. Vier Wochen bleibt die Sau im Gitterkäfig bei den Ferkeln, bis sie wieder besamt wird. Danach kommt sie frei in die Gruppe, knapp vier Monate lang, bis die nächste Geburt ansteht. Die Kleinen leben bis zum Schlachtalter von rund 7,5 Monaten frei in Gruppen, auf Stroh und mit viel Platz.

Die Eierbäuerin klopft bei ihren Hühnern an, um sie nicht zu erschrecken

Lydia Lochinger, Eierbäuerin aus dem Zieglerhof in Bergen, ist seit Kurzem ebenfalls regionale Rewe-Lieferantin. 2008 stieg die ehemalige Informatikerin in die Eierproduktion auf dem elterlichen Hof ein, 2013 schaffte sie moderne mobile Großställe an, heute hält sie 600 Hühner. "Ich muss anklopfen, sonst erschrecken sie", sagt sie vor der Stalltür, nach dem Klopfen erhebt sich erwartungsvolles Gegacker, schließlich ist der tägliche Freigang wegen der Besucher überfällig. Lydia Lochinger verkauft ab Hof und liefert dazu wöchentlich 5000 Eier in Rewe-Märkte in Freising, Langenbach, Nandlstadt und andere Geschäfte wie den Dorfladen in Haag. Was sie an Rewe schätze, sagt sie, sei die Tatsache, dass nicht auf festgesetzte Mengen bestanden wird, "wenn die Hühner weniger legen, habe ich weniger, und das wird akzeptiert".

Dass ihre Eier teurer sind als herkömmliche Massenware ist für Lochingers Kunden in Ordnung. Ihre Hühner bekommen zur Hälfte Getreide aus Eigenanbau unter die unkupierten Schnäbel, dazu alles, was das Grünland hergibt, das sie durchstreifen. Gentechnisch verändertes Soja kommt nicht in die Tröge, "alles, was sie essen", sagt Lochinger, "essen wir auch."

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