Freising:Die große Flüchtlingsfrage

Auch 2016 haben der Landkreis und die Kommunen die Aufgabe zu bewältigen, die vielen Asylbewerber möglichst schnell unter zu bringen. Doch auch andere Themen wie der Schulbau, Verkehr und Brandschutz müssen angepackt werden. Eine Zusammenfassung von A bis Z

Von Peter Becker, Freising

Wer das Thema benennen möchte, das den Landkreis Freising 2016 am meisten bewegen wird, muss kein Prophet sein. Die Frage, wie viele Flüchtlinge wann und wo am schnellsten unterzubringen sind, wird ebenso wie 2015 die drängendste sein. Wie deren Integration gelingen soll, ist die nächste zwingende Frage, die sich den Verantwortlichen im Landratsamt stellt. Die Behörde sowie die Rathäuser in den Gemeinden in ihrem Zuständigkeitsbereich sind die kleinsten Rädchen, die sich in dem Getriebe zur einer geordneten Unterbringung der Flüchtlinge drehen. Gleichwohl haben sie die größte Arbeit zu leisten. Es dreht sich zwar Vieles um die Zuweisung von Asylbewerbern seitens der Regierung in den Landkreis. Doch nicht alles, was das folgende Alphabet beweist.

Asylbewerber: 2024 Flüchtlinge haben Ende des vergangenen Jahres im Landkreis Freising gelebt. Wie viele es Ende 2016 sein werden, lässt sich schwer vorhersagen. Die Bundesregierung geht derzeit von etwa einer Million Neuankömmlingen aus. Heruntergerechnet auf den Landkreis bedeutet das, dass sich die Zahl der zu betreuenden Menschen nahezu verdoppeln könnte.

Brandschutz: Absolutes Reizwort in sämtlichen Gremien des Kreistags im Zusammenhang mit der Sanierung von alten Bauwerken. Insbesondere Schulen. Das Heimtückische daran: Mangelnder Brandschutz offenbart sich erst dann, wenn quasi schon das halbe Gebäude entkernt ist.

Container: Werden eigentlich nur zur Bewahrung von Gütern aufgestellt. Sollen Menschen auf unbestimmte Zeit in solchen Behältnissen untergebracht werden, sind diese wohnlich ausgestattet und heißen dann Module. Die erste Wohnanlage in Modulbauweise entstand 2015 an der Wippenhauser Straße. In Moosburg wächst gerade die nächste empor. Derzeit sind Container Mangelware. Wann geplante Unterkünfte in Zolling oder Freising bezugsfertig sind, ist deshalb ungewiss. Containersiedlungen sind eine Möglichkeit, die requirierten Turnhallen in Freising, Eching und Moosburg so schnell wie möglich wieder für den Sportunterricht frei zu machen.

Demografie: Auch im Landkreis nimmt die Zahl der Hochbetagten zu. Weil die Menschen mit zunehmenden Alter gebrechlicher werden, spielt das Thema Pflege eine immer größer werdende Rolle. Der Landkreis möchte deshalb eine unabhängige Pflegeberatungsstelle für Betroffene und deren Angehörige zur Verfügung stellen. Dies könnte über eine Ernennung zur "Gesundheitsregion plus" geschehen und gefördert werden. Ob der Landkreis "Gesundheitsregion plus" wird, entscheidet sich gleich zu Beginn des Jahres.

Energiewende: 2035 ist die magische Zahl. Bis dahin wollte der Landkreis die Energiewende geschafft haben. So lautet jedenfalls ein Beschluss, den vor beinahe zehn Jahren der Kreistag fasste. Die damalige Euphorie ist der Ernüchterung gewichen. Die Wende wird wohl auf dem Stromsektor zu schaffen sein, nicht aber bei der Wärme oder der Mobilität. Bei der Stromerzeugung aus regenerativen Quellen wirkte zuletzt der Staat als Bremsklotz. Windräder galten bis vor kurzem noch als erfolgsversprechend. Seitdem die Seehofersche Abstandsregel gilt, dürften die beiden Windräder bei Kammerberg und Paunzhausen vorerst die letzten im Landkreis bleiben. Dem Landkreis sind ohnehin die Hände gebunden. Er kann nur an die Vernunft der Bürger appellieren, ihre Häuser energetisch zu sanieren und so wenig wie möglich das eigene Auto zu nutzen.

Flughafen: Kommt sie oder kommt sie nicht die dritte Startbahn im Erdinger Moos? Eigentlich wollte Ministerpräsident Horst Seehofer die Startbahngegner schon vor Weihnachten aufklären, ob weitere Flächen vor ihrer Haustür zuasphaltiert und dem Glauben ans ewige Wachstum geopfert werden. Die vorweihnachtliche Bescherung verpatzte die CSU-Landtagsfraktion. Sie beschlich die Ahnung, dass die Entscheidung nicht in ihrem Sinn ausfallen könnte. So will Seehofer jetzt erst im Frühjahr seine Entscheidung kund tun. Aber eine österliche Frohbotschaft wäre ja auch etwas Schönes.

Gerüchte: Flüchtlinge bekommen Mobiltelefone geschenkt. Sie brauchen nur in die entsprechenden Läden zu gehen und bekommen sie schönsten Lederjacken und tollsten Mountainbikes umsonst hinterhergeworfen. Und sollte je ein Ladenbesitzer nachfragen, ob der Flüchtling auch bezahlen könne, antwortet dieser stets, das würde das Landratsamt für ihn übernehmen. Geschichten wie diese kursieren wohl in jedem Landkreis. Erzählt werden sie von vermeintlichen "Augenzeugen", die das alles selber mitbekommen haben. In Wahrheit haben sich die Erzähler die Geschichten selbst ausgedacht, um Stimmung gegen die Flüchtlinge zu machen. Mal sehen, was für Varianten 2016 kursieren werden.

Haushalt: Im Prinzip laufen die Haushaltsberatungen schon seit dem Spätherbst. Da wird dort ein Posten eingestellt und da eine Stelle geschaffen. Im Februar scharen sich dann die Kreisräte zusammen, um ein Gesamtpaket zu schnüren und den Jahreshaushalt auf den Weg zu bringen. Vorberaten wird er im Kreisausschuss, das ist 2016 am 25. Februar der Fall. Verabschiedet wird der Etat im März. Angesichts der derzeitigen guten Wirtschaftslage des Landkreises dürften sich die Diskussionen in Grenzen halten.

Irlstorfer, Erich: 2017 sind zwar erst Bundestagswahlen. CSU-Bundestagsabgeordneter Erich Irlstorfer darf sich 2016 aber schon mal darauf einstimmen. Es ist nämlich das Jahr der Nominierungen. Irlstorfer wäre gerne wieder Spitzenkandidat für die CSU im Wahlkreis. Im günstigsten Fall muss er sich keinem Mitbewerber stellen, auch keinem aus den beteiligten Landkreisen Pfaffenhofen und Neuburg-Schrobenhausen.

Jugendkreistag: Den gibt es im Landkreis seit dem Jahr 2003. Er tagt zwei Mal im Jahr: im Mai und im Dezember. Beim ersten Termin wackelt regelmäßig die Beschlussfähigkeit des Gremiums, das aus delegierten Schülern des Landkreises besteht. Grund dafür ist aber nicht mangelndes Interesse der Schüler. Zu diesem Zeitpunkt finden an den Schulen meistens Prüfungen statt.

Kreisumlage: Noch so ein Reizwort aus dem Jargon der Kommunalpolitik. Es beschreibt den Prozentsatz an Einnahmen, den eine Gemeinde an den Landkreis abgeben muss. Es ist dessen wichtigste Einnahmequelle. Eine irgendwie im Raum stehende Erhöhung des Hebesatz sorgt stets für Schweißausbrüche bei den Bürgermeistern, die ihre Finanzmittel geschmälert sehen. Sie können in diesem Jahr cool bleiben, zumindest wenn es nach Landrat Josef Hauner (CSU) geht. Aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage könne der Hebesatz durchaus bei 47,9 Prozentpunkten bleiben, schlägt Hauner vor.

Landschaftsverbrauch: Im Landkreis Freising wird nicht gerade zimperlich mit der Natur umgesprungen. Durch den Bau der Westtangente werden wieder wertvolle Flächen dem Autoverkehr geopfert. Das verdrießt nicht nur die Grünen im Kreistag.

Müll: Etwa 31 000 Tonnen Abfall werden pro Jahr im Landkreis produziert. Der größte Teil davon wird zu günstigem Tarif in der Münchner Verbrennungsanlage verheizt. Erstmals seit 2012 steigt die Gebühr für die Müllabfuhr wieder moderat von 10,50 auf 11,70 Euro bei der 120-Liter-Tonne. Stichtag ist der 1. Januar.

Narren: Die Stadt Freising ist schon seit geraumer Zeit spaßfreie Zone. Ein Prinzenpaar ward da schon lange nicht mehr gesichtet. Die Narrenfront scheint aber auch im Landkreis zu bröckeln. Viele Narrhallesen tun sich schwer, Prinzenpaare zu finden. Vielleicht liegt es in diesem Jahr aber auch am extrem kurzen Fasching. In Au regiert in der närrischen Zeit nach kölschem Vorbild sogar ein Dreigestirn. Marktgemeinde Au alaaf!

Obdachlose: In einem dermaßen angespannten Wohnungsmarkt wie dem im Landkreis ist es oft nur ein kleiner Schritt in die Obdachlosigkeit. Viele Gemeinde behelfen sich durch die Einrichtung von Notunterkünften in Containern. Neufahrn erwägt, das alte Mesnerhaus zu einer Notunterkunft umzugestalten. Doch da gilt es erst, Brandschäden zu beseitigen. In Moosburg sollen Wohnungen für Obdachlose entstehen. Würde zudem der Landkreis anerkannte Asylbewerber, so genannte Fehlbeleger, vor die Haustür setzen, würde sich das Problem drastisch verschärfen.

Prügelknabe: Das ist keine Rolle, die sich ein Kreisrat gerne wünscht. Im vergangenen Jahr fiel diese oft dem Auer Bürgermeister Karl Ecker (FWG) zu. Grund waren die in die Höhe schießenden Sanierungskosten für die Auer Realschule. Fast in jeder Sitzung des Schulausschusses präsentierte das Hochbauamt des Landkreises steigenden Zahlen. Reflexartig folgten die Attacken von Kreisräten, die dem Projekt von Anfang an skeptisch gegenüberstanden. Sie warfen Ecker vor, eine Mogelpackung präsentiert zu haben, als er sagte, bei der einstigen Auer Mittelschule bedürfe es keines großen Sanierungsaufwands. Eckers Wunsch für dieses Jahr ist, dass die Kritik endlich verstummen möge und wieder Friede einkehre. Dann muss jemand anders die Rolle des viel Gescholtenen übernehmen.

Quote: Ein weiteres Reizwort aus dem vergangenen Jahr, das aber ganz zuverlässig auch 2016 seinen Status nicht verlieren wird. Mit einem Umrechnungsschlüssel weist die Regierung von Oberbayern den kreisfreien Städten und Landkreises die Zahl der Asylbewerber zu, die sie pro Woche aufzunehmen haben. Die Quote ist im vergangenen Jahr vierteljährlich sprunghaft gestiegen. Aktuell muss der Landkreis 81 Personen pro Woche aufnehmen.

Realschule: Ein Wort, das im Allgemeinden mit explodierenden Kosten assoziiert wird. Derzeit plagt sich der Landkreis mit zwei Projekten herum, die seine Finanzen belasten. Eines davon steht in der Marktgemeinde Au. Dort wird die einstige Mittelschule zur Realschule umgerüstet. Das andere wird auf einer sumpfigen Wiese nahe den Isarauen in Freising gebaut. Für die zweite Realschule, die in Lerchenfeld entsteht, ist im Frühjahr der Spatenstich vorgesehen. Sie kostet etwa 44 Millionen Euro. Dabei haben die Kreisräte schon einen Million eingespart, als sie zugunsten eines Verbundsystems auf die Klinkerfassade verzichteten. Gar mancher Planer sieht das mit Missvergnügen, denn der Klinker gilt als pflegeleichter und unempfindlicher. Darum gilt: Wehe es jammert in Zukunft einer der Kreisräte, die gegen den Klinker stimmten, über aufwendige Sanierungsarbeiten an der neuen Realschule.

Schulen, weiterführende: Der Begriff hat Potenzial, in naher Zukunft zu einem Reizwort zu mutieren. Der Kreistag hat beschlossen, die drei weiterführenden Schulen der Stadt Freising zu übernehmen. Allerdings erst nach gründlicher Inspektion, denn der Landkreis will schließlich nicht die Katze im Sack kaufen. Aufwendige Sanierungsarbeiten will er sich wenn irgend möglich ersparen. Die Karl-Meichelbeck-Realschule steht als erstes auf der Transferliste. 2017 soll es soweit sein. Man darf gespannt sein, ob es mit den Übergabemodalitäten so reibungslos funktioniert. In den darauffolgenden Jahren wird erst das Dom-, dann das Hofmiller-Gymnasium übergeben.

Traglufthalle: Vor Jahresfrist konnten sich die wenigsten Menschen etwas unter diesem Begriff vorstellen. Neben der Modulwohnanlage ist dies wohl eine der praktikabelsten Möglichkeiten, eine große Zahl von Flüchtlingen unterzubringen. So könnten sich auch die vom Landratsamt requirierten Turnhallen endlich wieder leeren. Derzeit steht allerdings im Landkreis Freising noch keine Traglufthalle. Die erste könnte im Frühjahr in Neufahrn aufgebaut sein.

Unterkunft: Sammelbegriff für alle Möglichkeiten, Asylbewerber unterzubringen. Über 88 Unterkünfte verfügt der Landkreis derzeit. Am Ende der Beliebtheitsskala steht weit abgeschlagen die Turnhalle. Sie ist ein notwendiges Übel, wird nur als Notquartier akzeptiert. Ganz oben steht dagegen die dezentrale Unterkunft: ein Haus mit separaten Zimmern, in denen die Bewohner ihre Privatsphäre wahren können. Wo sich Modulcontainer und Traglufthalle einsortieren, bleibt abzuwarten.

Verkehr: Der Landkreis erstickt im selbigen. Was die Stadt Freising anbelangt, soll die Westtangente der Heilsbringer sein. Diese könnte sich allerdings immer noch als Wundertüte entpuppen, was ihre genauen Kosten angeht. Am Ende des Jahres könnten die Stadt Freising und der Landkreis, der sich finanziell an deren Bau beteiligt.

Wohnungsbau, sozialer: Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware in der Region. Patentrezepte, wie dieser zu schaffen sein könnte, gibt es keine. In den Kreisgremien wird oft und gerne nach einer Wiederbelebung der Wohnungsbaugesellschaft gerufen. Der Haken daran: Solange ihr keine Gemeinde ein Grundstück überlässt, kann sie nicht tätig werden. Und selbst wenn: So viele günstige Wohnungen zu bauen, die im Landkreis fehlen, das könnte auch die Wohnungsbaugesellschaft nicht stemmen.

X-tes Mal: Immer wieder gern geschimpft wird in den Kreisgremien über die explodierenden Kosten bei der Sanierung und dem Bau von Realschulen. Die Westtangente genießt in einigen Fraktionen des Kreistags ebenfalls Klassiker-Status. Stets ungern verkündet: Die steigende Quote bei der Zuweisung von Flüchtlingen.

Yoghurt: Könnte man auch mit "J" schreiben. Aber dann würde hier ein Buchstabe fehlen. Yoghurt aus regionaler Produktion gibt es bei der Genossenschaft Freisinger Land.

Zuwanderung: Die Zahl der im Landkreis Freising lebenden Ausländer ist im vergangenen Jahr laut Statistik des Landratsamts gegenüber 2014 um etwa 4000 Personen gestiegen. Zum Ende des Jahres waren es etwa 29 000 Menschen, was einen Ausländeranteil von etwa 17 Prozent bedeutet. Die meisten stammen aus der Türkei (4501), gefolgt von Rumänien (2450) und Ungarn (2374).

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