Freising:Der Ausstieg hat begonnen

Umweltminister Söder kündigt an, Isar 1 vom Netz zu nehmen - Stadt tritt dem Freisinger Bündnis für den Atomausstieg bei.

Kerstin Vogel und Petra Schnirch

Hunderte Atomkraftgegner haben sich nach der Reaktorkatastrophe in Japan am Montag in München und der Region zu Mahnwachen getroffen. Sie forderten den schnellen Atom-Ausstieg. Zumindest im Fall des störanfälligen Alt-Reaktors Isar 1 bei Landshut zeichnete sich am Abend ein Erfolg ab: Offenbar kündigte Umweltminister Markus Söder (CSU) bei einer Telefonschaltung des CSU-Präsidiums an, dass Isar I vom Netz genommen werde. Ein formeller Beschluss dazu steht aber noch aus, weshalb sich der Sprecher des Freisinger Bündnisses für den Atomausstieg (Büfa), Andreas Henze, noch nicht so recht freuen mochte, als ihn die Nachricht erreichte. Er stand zu dem Zeitpunkt vor Isar1 und demonstrierte für die Abschaltung. Kommentar: "Ich bin erst zufrieden, wenn hier kein Rauch mehr rauskommt."

Der Hauptausschuss der Stadt Freising hat am Montag unterdessen beschlossen, dem Büfa beizutreten. Nur Rudi Schwaiger (CSU) und Anna-Maria Sahlmüller (FDP) stimmten gegen diesen Antrag der Grünen, den die Mehrheit im Ausschuss als "Zeichen der Solidarität" verstanden haben wollte. Für Empörung sorgte der CSU-Landtagsabgeordnete Florian Herrmann. Er kritisierte eine "unsachliche Panikmache" und bezeichnete es als "unredlich", dass SPD und Grüne eine Naturkatastrophe für Wahlkampfzwecke nutzten. Herrmann fügt aber hinzu, dass er am Wochenende eine Stellungnahme der deutschen Betreibergesellschaften vermisst habe.

"Unerträglich" nennt Angelika Werner-Ripperger die Äußerungen Herrmanns. Sie ist seit der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl bei den "Müttern gegen Atomkraft" engagiert und fühlt sich in diesen Tagen "um 25 Jahre zurückversetzt". Doch dass Herrmann nun so tue, "als ob wir das bestellt hätten", macht Ripperger richtig wütend. Die Menschenkette in Baden-Württemberg beispielsweise sei seit Wochen geplant gewesen, sie selber sei seit Wochen zu der Busfahrt dorthin angemeldet - "da sind solche Unterstellungen wirklich ungeheuerlich".

Ähnlich sieht das Henze. "Wenn Herrmann bei der Mahnwache gewesen wäre, hätte er gemerkt, dass da eine sehr bedrückte Stimmung herrschte", sagt er. Abgesehen davon sei das Büfa überparteilich und es "geht beim Atomausstieg grundsätzlich nicht um Parteipolitik, sondern um Verantwortung. Es ist tragisch, dass es soweit kommen musste."

An dem Unglück in Japan sehe man nun, dass eben nicht alle Risiken von Atommeilern abgedeckt seien, so Henze weiter: "Diese Behauptungen stimmen einfach nicht, es gibt keine Alternative zum Abschalten." Alternativen bei der Stromversorgung gibt es laut Henze dagegen sehr wohl. Man könne heute schon mit allen deutschen Kernkraftwerken vom Netz gehen, erklärt er. Zwar müssten zwischenzeitlich höhere CO2-Emissionen in Kauf genommen werden, das wäre jedoch durch einen forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien nur für einen begrenzten Zeitraum der Fall.

Herrmann hält dagegen, er sei überzeugt, dass die deutschen Kraftwerke, einschließlich Isar 1, sicher seien. Er habe sich bei einem Besuch auch über das Thema Notstrom informiert. Allerdings müsse man nun - "in aller Sachlichkeit" - die Aussagen der Betreiber hinterfragen. Denn dass es in Japan nicht gelinge, die Stromversorgung sicherzustellen, irritiere ihn sehr, gesteht Herrmann. Man könne die Situation aber nicht auf Deutschland übertragen. Im Übrigen deutete der CSU-Abgeordnete am Nachmittag an, dass die politische Konsequenz die Abschaltung der älteren Meiler, dazu zählt Isar 1, sein werde.

Ganz andere Überlegungen stellt man derzeit bei der Hilfsorganisation Navis mit Sitz in Moosburg an, die seit Januar 2005 nach dem Tsunami in Südostasien weltweit Einsätze bei Naturkatastrophen absolviert, zuletzt nach dem Erdbeben in Haiti. Doch der Vorstand hat sich vorläufig gegen einen Einsatz in Japan entschieden. Man sei dafür ausgerüstet, in Krisengebieten schnell Trinkwasser und medizinische Versorgung zu liefern, erklärte Navis-Sprecherin Tanja Voges gestern. Daran fehle es in Japan jedoch nicht. Sollte sich das ändern und Hilfe angefordert werden, werde der Vorstand neu beraten und entscheiden - natürlich auch mit Blick auf eine mögliche Strahlenbelastung, der man die Helfer aussetzen würde. (Thema des Tages)

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