Freising:Acht bis zehn Bier

Ein 26-Jähriger wird zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er auf einer Beachparty einen Security-Mitarbeiter ins Gesicht geschlagen hat. Der zur Tatzeit alkoholisierte Angeklagte behauptet, es habe sich ganz anders zugetragen

Von Gerhard Wilhelm, Freising

Pflichtverteidiger haben es nicht leicht. Vom Gericht bestellt, können sie sich die Fälle nicht aussuchen. Dabei geraten sie schnell in den Verdacht, dass sie deshalb den mutmaßlichen Täter vielleicht nur halbherzig verteidigen. Das kann man dem Pflichtverteidiger eines 26-Jährigen nicht vorwerfen, der wegen Körperverletzung angeklagt ist . Der Anwalt kämpfte für seinen Mandanten vor dem Amtsgericht mit allen rechtlichen Mitteln, so dass aus einer Verhandlung, die auf eine Stunde angesetzt war, fast drei Stunden wurden. Gebracht hat der Eifer des Pflichtverteidigers letztlich nichts. Sein Mandant wurde zu neun Monaten Haft verurteilt. Ohne Bewährung.

Laut Staatsanwaltschaft sollte der Mann auf einer Beachparty im Juli 2014 in Hohenkammer einem Securitymitarbeiter einen Faustschlag auf das rechte Auge verpasst haben. Der Schlag war so heftig, dass der Mann - zufällig der Leiter des Sicherheitsdienstes - eine Platzwunde und eine Gehirnerschütterung erlitt und daraufhin zwei Wochen krank geschrieben war.

Der Angeklagte leugnete, zugeschlagen zu haben. Zumindest konnte er sich nicht mehr daran erinnern. Er gab zu, an dem Abend acht bis zehn Bier getrunken zu haben. Nach seinen Schilderungen war er aber nicht der Täter, sondern eher das Opfer. Zunächst sei er völlig grundlos aufgefordert worden, die Party zu verlassen, was er und sein Freund dann auch widerstrebend gemacht hätten. Über ein Loch im Bauzaun seien sie aber kurze Zeit später wieder zurückgekehrt. Als ihn die Sicherheitsleute entdeckten, sei er erneut aufgefordert worden zu gehen. Daraufhin sei es zu einem "Handgemenge" gekommen, sagte der Angeklagte. Er sei raugetragen worden und vor dem Zelt mindestens fünf Minuten mit dem Gesicht in den Boden gedrückt worden. Anschließend habe man ihm die Handschellen dermaßen eng angelegt, dass er dachte, dass seine Hände abstürben. Dann habe er 45 Minuten lang auf die Polizei warten müssen.

Die Zeugen - neben dem Geschädigten zwei Männer und eine Frau der Securityfirma - sagten indes etwas ganz anderes aus. Der vierte geladene Zeuge, besagter Freund des Angeklagten, war zu der Verhandlung nicht erschienen. Die Schilderungen der drei Security-Mitarbeiter ergaben das Bild, dass der 26-Jährige durch Pöbeleien aufgefallen sei, über die sich Gäste beschwert hätten. Als man ihn aufgefordert habe, zu gehen und ein Hausverbot aussprach, habe er sie beleidigt. Dabei sei auch ein Flasche zu Bruch gegangen. Insgesamt sei der Angeklagte sehr aggressiv gewesen. Die Auseinandersetzung habe damit geendet, dass er nach draußen befördert worden sei - da noch ohne Gewalt. Zwanzig Minuten später habe man den Angeklagten erneut auf dem Gelände gesehen - trotz Hausverbot. Erneut sei er hinausgebeten worden. Weil er aber "völlig außer sich" gewesen sei, wie einer der Security-Mitarbeiter sagte, habe man ihn schließlich mehr oder weniger hinaustragen müssen.

"Wir dachten, dass es sich damit hat", sagte eine Zeugin, die von der Sicherheitsfirma vor Ort eingesetzt war. Doch der 26-Jährige sei plötzlich auf den Security-Chef zugerannt, der sich zwar noch zu dem Angreifer umdrehen, aber dessen Faustschlag nicht mehr abwehren konnte. Anschließend sei der um sich schlagende Angeklagte von weiteren Sicherheitskräften zu Boden gedrückt worden. Daraufhin habe man seine Hände mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt und die Polizei gerufen. Die Handschellen habe man ihm sehr wohl auf seine Bitten hin gelockert.

Die Stoßrichtung des Pflichtverteidigers war anfangs unklar. Jeden Zeugen fragte er dasselbe: Wie lange sind sie schon bei der Sicherheitsfirma? Arbeiten sie mit den anderen Zeugen öfters zusammen? Wo standen sie? Nach Ende der Zeugenbefragung bat der Verteidiger er um ein "Rechtsgespräch" mit Richter Michael Geltl. Darin schlug er vor, das Verfahren einzustellen. Denn es gebe ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt, wonach Zeugenaussagen, die alle "aus einem Lager" kommen, als eine einzige Aussage zu werten sei. Und damit stünde Aussage gegen Aussage.

Richter Geltl ließ sich auf diese Argumentation nicht ein. Also stellte der Pflichtverteidiger drei Anträge, neue Zeugen zu hören. Sie sollten die Unschuld des Angeklagten bestätigen, wurden jedoch abgelehnt, weil sie "zur Wahrheitsfindung nicht erforderlich" seien. Dafür würden die anwesenden Zeugen reichen, was auch die Staatsanwaltschaft so sah.

Dass der Angeklagte bereits eine Vorstrafe wegen Fahrens ohne Führerschein und drei wegen Betrugs hat, trug nicht dazu bei, den 26-Jährigen zu entlasten. Zudem hatte er seine letzte Bewährung in den Sand gesetzt.

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