Freising:Abwärts ohne Abschluss

Wenn Schüler ohne Abschluss die Schuler verlassen kann die Null-Bock-Mentalität Folgen haben: ein Leben auf Schattenseite.

Susanne Herrmann

Sie stören den Unterricht massiv, fehlen unentschuldigt und haben schlicht "keinen Bock auf Schule". Die Jugendlichen erfüllen mit Ach und Krach die Schulpflicht, erreichen jedoch keinen Schulabschluss. Im Landkreis Freising beendeten im Sommer 2009 insgesamt 74 Jugendliche ihre Schulzeit, ohne einen Hauptschulabschluss in der Tasche zu haben. Gemessen an allen hiesigen 2028 Absolventen einer Hauptschule, einer Realschule oder eines Gymnasiums waren das rund 3,6 Prozent aller Schulabgänger.

Schule

Im Jahr 2009 haben mehr als drei Prozent der Schüler aus dem Landkreis die Schule ohne Abschluss verlassen.

(Foto: dpa)

Die Quote dieser Schüler ohne Abschluss hat sich somit leicht verringert. Denn im Sommer 2008 lag sie noch bei 4,9 Prozent aller Absolventen. Mit diesem Rückgang lag der Landkreis Freising bayernweit voll im Trend. Aus den Zahlen des Landesamtes für Statistik geht hervor, dass an allgemeinbildenden Schulen die bayernweite Quote der Abgänger ohne Abschluss am Schuljahresende 2009 rund 4,7 betrug, ein Jahr zuvor dagegen noch 5,1 Prozent.

Allerdings hat die Statistik einen Haken. Tatsächlich sind nicht alle 74, die keinen Hauptschulabschluss erreicht haben, die beschriebenen Schulverweigerer. Denn in der statistischen Zahl sind auch Sonderschüler enthalten, die ihren speziellen Abschluss erfolgreich absolviert haben, aber nie einen Hauptschulabschluss anstreben konnten. Bayernweit waren im Sommer 2009 von rund 8000 Schülern ohne Abschluss etwa die Hälfte Förderschüler (bezogen auf allgemeinbildende Schulen).

Schulabbrecher sind ein Problem. Pädagogen sehen die Ursachen im häuslichen Umfeld: Die Jugendlichen haben Versagensängste, sehen keine Perspektiven für die Zukunft und leben ihre Null-Bock-Einstellung aus. Die Eltern schreiben brav Entschuldigungen, Lehrer sammeln meist allenfalls Einträge ins Klassenbuch. Manche Schüler kriegen irgendwann noch die Kurve, andere erreichen keinen Schulabschluss. Die schlechteste Ausgangsbasis in Zeiten, in denen eine hohe Qualifizierung immer wichtiger wird. Am Ende steht für sie ein Leben als Hilfsarbeiter oder Hartz IV-Empfänger.

Der durchschnittliche Schulverweigerer in Bayern ist männlich und überwiegend deutscher Herkunft, zeigt ein Blick in die Statistik: Im Landkreis Freising waren 52 von 74 Abgängern ohne Abschlusszeugnis männlich, was einer Quote von rund 70 Prozent entspricht. Der Ausländeranteil lag mit 19 Jugendlichen bei 26 Prozent. Der neue Bildungsbericht von Bund und Ländern (Titel: Bildung in Deutschland 2010) offenbart, dass fast jeder dritte Schüler mittlerweile in einer "sozialen, finanziellen oder kulturellen Risikolage" aufwächst. Das heißt, die Eltern verfügen über ein geringes Familieneinkommen, gehen keiner Beschäftigung nach oder haben selbst keine abgeschlossene Berufsausbildung oder nur eine geringe Schulbildung.

Vom Ziel, die Zahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss zu halbieren, sind Bund und Länder noch weit entfernt. Von 8,5 Prozent (2004) auf rund sieben Prozent (2008) schrumpften die Zahlen bisher. Doch sind das laut Statistik immer noch rund 64400 bundesweit, deren Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt miserabel sind. Vor allem in den östlichen Bundesländern, wo in Mecklenburg-Vorpommern der Spitzen-Negativwert von mehr als zehn Prozent erreicht wird. Im Westen liegt die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss im Länderschnitt bei unter sieben Prozent.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) machte den Vorschlag, Schulabbrecher künftig getrennt von den Förderschülern ohne Hauptschulabschluss in der Statistik auszuweisen. "Um die Sonderschulabschlüsse aufzuwerten und nicht alle in einen Topf zu werfen", so das Argument der Bildungspolitiker. Kritiker sehen dahinter schlichte Taktik: Denn rund die Hälfte der Schulabgänger ohne Abschluss sind Förderschüler, sprich: auf einen Schlag hätte man die Zahl der so genannten Schulverweigerer halbiert.

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