Fraueninteressen:Nach 30 Jahren ist Schluss

Frustrierende Wohnungssuche

Zwölf Frauen aus den drei Landkreisen Freising, Erding und Ebersberg, also dem eigentlichen Einzugsbereich, haben 2015 im Freisinger Frauenhaus Zuflucht gesucht. Zehn weitere kamen aus der Stadt und dem Landkreis München, zwölf aus anderen bayerischen Landkreisen, fünf sogar aus anderen Bundesländern. Sie waren nach Freising vermittelt worden, weil sie in ihrem Heimatort gefährdet waren oder hier soziale Kontakte hatten. Insgesamt 43 Kinder suchten mit den Müttern Schutz.

Knapp die Hälfte der Frauen, das geht aus dem Jahresbericht hervor, befand sich weniger als 14 Tage in der Einrichtung. Trotz dieses kurzen Aufenthalts sei die Arbeit sehr aufwendig, da die finanzielle Situation ebenso geklärt werden müsse wie das Abschätzen einer Gefährdung. Außerdem müssten die Hilfesuchenden stabilisiert werden.

Sieben Frauen blieben bis zu sechs Wochen, sechs weitere bis zu drei Monate, wiederum sechs sogar bis zu sechs Monate, eine Frau war noch länger im Frauenhaus. Der Grund für die lange Verweildauer ist die Schwierigkeit, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Viele sind auf Hartz IV angewiesen und sind deshalb an die vom Jobcenter vorgegebenen Mietobergrenzen gebunden. Diese Richtlinien "sind mit dem Angebot auf dem Wohnungsmarkt in keiner Weise kompatibel", heißt es im Jahresbericht. Hinzu komme, dass viele Wohnungsbesitzer keine Frauen aus dem Frauenhaus als Mieterinnen wünschten, da sie Probleme mit dem gewalttätigen Partner fürchteten. 2015 kehrten deshalb gleich neun Frauen in die von Gewalt geprägte Beziehung zurück. Neun der Bewohnerinnen hatten sehr viel mehr Glück und konnten in eine eigene Wohnung ziehen, sieben kamen bei Freunden oder Verwandten unter, eine musste in ein anderes Frauenhaus verlegt werden, einige Frauen teilten ihren neuen Wohnsitz nicht mit. psc

Der "Arbeitskreis für Fraueninteressen" löst sich auf. Die Diakonie wird zum Jahreswechsel die Trägerschaft für das Freisinger Frauenhaus übernehmen. Das ist seit seiner Gründung im Jahr 1991 immer belegt

Von Petra Schnirch, Freising

Andere Vereine feiern ein solches Jubiläum groß. Doch der "Arbeitskreis für Fraueninteressen" löst sich im 30. Jahr seines Bestehens aller Voraussicht nach auf. Zum Jahreswechsel übernimmt die Diakonie in Freising die Trägerschaft für das Frauenhaus. Es sei alle zwei Jahre schwierig gewesen, einen Vorstand zu finden, sagt Barbara Gelhaus, Planungssicherheit sei jedoch sehr wichtig. Sie leitete den Verein in den vergangenen drei Jahren zusammen mit Beate Drobniak. "Das ist viel Verantwortung und viel Arbeit."

30 Frauen hatten den Arbeitskreis 1986 gegründet, um sich regelmäßig an einem festen Ort zu treffen und auch um sich gesellschaftlich zu engagieren. Die Forderung nach einem Frauenhaus stand von Anfang an ganz oben auf der Agenda. Gibt es mittlerweile keine Zweifel mehr an der Notwendigkeit einer solchen Einrichtung, war dies Ende der Achtzigerjahre ein harter Kampf, wie sich Barbara Gelhaus erinnert. "Die Zeit war einfach anders." Sprüche wie, "so etwas braucht es bei uns nicht", habe sie sich damals oft anhören müssen. Doch der Arbeitskreis blieb hartnäckig: 1991 konnte das Frauenhaus in Freising schließlich eröffnet werden. "Die fünf Frauenplätze waren von Anfang an immer besetzt." Etwa 1000 Frauen haben dort in den vergangenen 25 Jahren Zuflucht gefunden.

Seit 2015 bereitet der Verein allerdings die Übergabe an einen anderen Träger vor. Die Entscheidung zugunsten der Diakonie fiel laut Gelhaus, weil der Wohlfahrtsverband in Freising verankert ist. Dass sich der Verein auflösen wird, sieht sie mit etwas Wehmut, denn die 57-Jährige war eine der Gründerinnen. Viele der 120 Mitglieder seien jetzt um die 60, erzählt sie. Junge Frauen engagierten sich heutzutage lieber projektbezogen als in Vereinen. Den Saal im Haus der Vereine hat der Arbeitskreis mangels Nachfrage bereits vor etwa zwei Jahren aufgegeben. Die Büroräume hat er zum Jahresende gekündigt.

Dennoch wird die Arbeit im Sinne des Vereins weitergehen. Die Diakonie übernimmt auch die Trägerschaft für das Freisinger Interventions-Modell (FIM). Opfer häuslicher Gewalt werden gleich von der Polizei auf das Angebot einer Beratung hingewiesen. Die Zusammenarbeit laufe sehr gut, bilanziert Gelhaus. Die Ansprechpartnerin bleibt auch künftig die gleiche.

Der Notruf für alle Formen sexueller Gewalt war zum 1. Januar 2016 eingestellt worden. Es gebe aber Pläne, ihn ebenfalls in der Diakonie wiederzubeleben, sagt Barbara Gelhaus. Zuletzt sei der Notruf immer seltener genutzt worden. Viele junge Frauen hätten über Handy und Internet andere Möglichkeiten, außerdem gebe es auch einen bundesweiten Notruf. Der Arbeitskreis hofft auch, dass die Diakonie die juristische Beratung übernimmt, die der Verein bisher angeboten hat. Im Frauenhaus selbst ist das Team demnächst wieder komplett. Nach einjähriger Vakanz kann die Stelle der Leiterin endlich besetzt werden. Die Suche sei sehr schwierig gewesen, weil der Markt für Sozialpädagogen leer sei, schildert Gelhaus. Eine weitere Schwierigkeit sei die lange Verweildauer im Frauenhaus, weil die Betroffenen sich schwer tun, eine eigene Wohnung zu finden. Erst kürzlich sei eine Frau darum zu ihrem gewalttätigen Mann zurückgegangen - für Gelhaus die schlimmste aller Möglichkeiten. Ein größeres Haus mit der doppelten Zahl an Plätzen hält sie für wünschenswert.

Ende 2017 ändert sich auch die Regelung zur Finanzierung der Frauenhäuser. Künftig deckt der Landkreis nur noch die Kosten für die Freisinger Einrichtung, zurzeit ist er aufgrund einer alten Vereinbarung an der Erstattung für das Erdinger Haus beteiligt. 2018 rechnet der Kreis mit einer Ersparnis von 30 000 Euro. Bisher zahlt er zwischen 110 000 und 150 000 Euro für die Häuser in Freising und Erding.

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